03.01.2023
«Der Markt wird grösser – und damit auch die Konkurrenz»
Die Konkurrenz durch importierte Bioprodukte wächst. Der neue Bio-Suisse-Geschäftsführer glaubt aber nicht, dass damit die Preise für Schweizer Bioprodukte stark sinken werden. Auch nicht bei Milch und Käse.
«Ich bin nicht erfreut, dass das Bio-Regelwerk jedes Jahr dicker wird.» Balz Strassser ist seit November 2018 Geschäftsführer von Bio Suisse.
alimenta: Sie sind seit letztem November Geschäftsführer von Bio Suisse. Wie sind die ersten Monate im Amt verlaufen? Balz Strasser: Spannend und sehr positiv. Wir haben viele Themen, an denen wir derzeit arbeiten. Ich sehe zudem viel Potenzial, die Partnerschaften zwischen den verschiedenen Gruppen, die in der Biobranche tätig sind, zu stärken. Wir haben seit einigen Jahren ein grosses Marktwachstum. Hier müssen wir ein Gleichgewicht finden zwischen Bio-Offensiven und Konsum. Das Wachstum in der Bio-Landwirtschaft darf nicht grösser sein als beim Markt. Meine Aufgabe ist es, ein erfolgreiches Schiff auf Erfolgskurs zu halten. Wie soll das Wachstum weitergehen? Die Delegiertenversammlung hat 2017 unsere Strategie Avanti verabschiedet. Bis ins Jahr 2025 soll der Marktanteil von Bioprodukten 15 Prozent betragen. Der Anteil der biologisch wirtschaftenden Betriebe soll gar 25 Prozent betragen. In den letzten Jahren wurden verschiedene Offensiven durchgeführt, um Bauern zum Umstellen auf Bio zu bewegen. In diversen Märkten gibt es jetzt schon Angebotsüberhänge. Wie können diese gelöst werden, zum Beispiel im Milchmarkt? Momentan haben wir noch kein Überangebot bei Milch – auch wenn die Bio-Milchorganisationen ab 2020 Wartelisten führen, weil es viele Umsteller gibt. Wir von Bio Suisse beobachten das genau, doch es ist Aufgabe der sechs Bio-Milchorganisationen, den Markt im Lot zu halten. Und beim Schweinefleisch? Verarbeiter und Händler wollten ursprünglich mehr Fleisch abnehmen. Diese Versprechen wurden leider nicht eingehalten, sodass wir nun ein Überangebot haben. Der Bio-Schweinemarkt hat nun die Chance, sich zu stabilisieren, auf einem Preisniveau, zu dem die meisten noch knapp kostendeckend produzieren können. Wie sieht es bei Gemüse und Kartoffeln aus? Gibt es zum Beispiel im Conveniencebereich Pläne, um den Absatz zu steigern? In der Gastronomie sehen wir ein grosses Potenzial. Bisher hat Bio in der Gemeinschaftsgastronomie einen schweren Stand. Viele führende Anbieter bauen ihr – noch bescheidenes – Bio-Sortiment aber nach und nach aus, da Bio von immer mehr Konsumentinnen und Konsumenten auch ausser Haus nachgefragt wird. Weil die produzierten Mengen im Biobereich in einigen wichtigen Kategorien stetig steigen, gestaltet sich die Belieferung der Gemeinschaftsgastronomie, die oft grosse Mengen braucht, auch immer besser. Helfen würde in diesem Bereich sicher, wenn der politische Wille grösser wäre – sprich: Mit einem nachhaltigen Engagement der öffentlichen Hand könnte der Absatz von Bio-Produkten deutlich gesteigert werden. Aldi und Lidl möchten seit Jahren Knospeprodukte listen. Bei den Verhandlungen ist man gemäss Discountern auf gutem Weg. Wie sieht es konkret aus? Die Discounter setzen seit Jahren auf Bioprodukte und kaufen auch einen Teil der Schweizer Bioproduktion. Derzeit laufen Gespräche mit Aldi und Lidl. Die Gespräche dauern jetzt aber schon Jahre. Die Discounter sagen, sie würden auch in von Bio Suisse geforderte konkrete Projekte Geld investieren. Gibt es bald einen Durchbruch? Wer die Knospe nutzen möchte, muss genau definierte Anforderungen erfüllen. Die Akzeptanz der Grundsätze, Ziele und Werte von Bio Suisse und eine konkrete und nachweisbare Förderung von Bio- oder FiBL-Projekten sind wichtige Bedingungen, um in den Genuss der Knospe zu kommen. Weitere Vorgaben sind, dass die Discounter ein repräsentatives, ganzjähriges Angebot an Knospe-Produkten anbieten müssen. Im Detailhandel gibt es immer mehr Trittbrettfahrer, die mit Knospe-ähnlichen Produkten Werbung machen. Stört Sie das? Die Richtlinien von Bio Suisse gehören zu den strengsten weltweit. Und ich denke, die Konsumentinnen und Konsumenten wissen das und vertrauen der Knospe. Was uns abhebt ist die Gesamtbetrieblichkeit. Wir schauen nicht nur einzelne Aspekte der Nachhaltigkeit an, sondern berücksichtigen alle Aspekte im landwirtschaftlichen Kreislauf. Auch die Politik fördert die Nachhaltigkeit. Sehen Sie eine Gefahr für Bioprodukte, dass es mit konventionell hergestellten Produkten eine Konkurrenzsituation gibt? Der Konsument hat vor dem Regal die Wahl zwischen Bio- und konventionellen Produkten. Der Knospe-Landwirt hat diese Wahl nicht, er muss sich konsequent an die Richtlinien von Bio Suisse halten. Andere Produktionsarten wie IP-Suisse sehen wir nicht als Gefahr, sondern als Partner, die sich in kleinen Schritten in Richtung nachhaltiger Landwirtschaft und somit eines Biolandes Schweiz bewegen. Das begrüssen wir. Die Preise für Biolebensmittel sinken tendenziell. Können Sie eine Prognose wagen, wie es weitergeht? Der Markt wird grösser und damit auch die Konkurrenz. Auch durch importierte Bioprodukte, die mit tieferen Kosten produziert worden sind. Das heisst aber nicht, dass zum Beispiel die Preise bei Biomilch und Biokäse stark sinken werden. Bioprodukte sind teurer, weil bei sehr viel grösserem Aufwand ein kleinerer Ertrag steht. Doch die Bio-Konsumenten sind bereit, für Bio ein wenig mehr zu bezahlen. Viele Lebensmittelverarbeiter beklagen sich, weil die Richtlinien im Regelwerk von Bioprodukten stetig ändern. Haben Sie Verständnis für diese Klagen? Ich bin sicher nicht erfreut, dass das Regelwerk jedes Jahr dicker wird. Doch die Landwirtschaft und die Lebensmittelverarbeitung entwickeln sich weiter, da müssen sich auch die Richtlinien anpassen. Knospe-Produkte geniessen nicht zuletzt deshalb eine hohe Wertschätzung, weil die Konsumenten davon ausgehen können, dass die Regeln streng sind und auch befolgt werden. Wir brauchen die Nähe zu den Lizenznehmern und wollen von diesen lernen. Nur so können wir die Richtlinien weiterentwickeln – auch im Sinne der Konsumenten. Kritiker monieren, dass die Bioproduktion in den fünfziger Jahren stehen geblieben ist und die Produzenten nach Schrebergartenmethoden arbeiten würden. Wie stehen Sie zu neuen Züchtungsmethoden, etwa zum CRISPR/CAS-System? Gentechnisch veränderte Pflanzen und Tiere sind gemäss dem EU- und dem Schweizer Recht im biologischen Landbau verboten. Neue Gentechmethoden wie CRISPR-CAS sind tiefe Eingriffe in den Lebensprozess, die sich nicht mit dem Gedankengut von Bio vereinbaren lassen. Zudem gibt es bessere Alternativen, wie zum Beispiel Saatgutzüchtungen von Peter Kunz oder Sativa, die zugleich mehr Wissen und mehr Biodiversität erzeugen. hanspeter.schneider@rubmedia.ch