5

Um ohne Wartezeit zum Artikel zu gelangen, benötigen Sie ein Abonnement.

Bereits registriert oder Abonnent:in?

Login

Jetzt Abo abschliessen

Probe Abo

Kostenlos

Geniessen Sie für einen Monat kostenlos alle Vorzüge eines Premiumabos.

Premium

ab CHF 98.–/Jahr

Online

Erhalten Sie uneingeschränkten Zugang zu allen Online-Beiträgen.

mit Papierrechnung ab 123.–

Premium Plus

ab CHF 170.–/Jahr

Online

Print

Uneingeschränkter Onlinezugang

Plus monatlich das gedruckte Magazin im Briefkasten.

mit Papierrechnung ab 195.–

«Food Waste ist das grössere Problem»

Fredy Dinkel erstellt Ökobilanzierungen nach Umweltbelastungspunkten. Die Ernährung hat dabei den grössten Einfluss, wobei zum Beispiel Food Waste mit besseren Verpackungen bekämpft werden könnte.

Wenn die Anstrengungen vermehrt auf die Vermeidung von Foodwaste gerichtet werden, ist mehr für die Umwelt getan.

alimenta: Sie erstellen Ökobilanzen. Dabei wird ersichtlich, dass die Ernährung die grösste Rolle spielt, wenn es um den ökologischen Fussabdruck der Menschheit geht. Warum? Fredy Dinkel: Bei der Methode der Ökobilanz wird der ganze Lebensweg eines Produktes betrachtet. Bei der Ernährung heisst dies zum Beispiel der landwirtschaftliche Anbau inklusive Herstellung von Dünger und Pflanzenbehandlungsmittel sowie deren Emissionen in Boden, Wasser und Luft, Bodenbearbeitung und Ernte, über die Lebensmittelverarbeitung bis zum Verkauf der Produkte im Detailhandel. Ein grosser Anteil am Fussabdruck der Ernährung ergibt sich dabei durch tierische Produkte, weil diese auch mit landwirtschaftlich angebauten Futterstoffen ernährt werden. Was sollte der Konsument tun und was die Food Industrie? Der Konsument könnte seine Ernährungsgewohnheiten ändern. Die Lebensmittelindustrie könnte attraktive Angebote schaffen, um eine Ernährung mit einer tieferen Umweltbelastung anzubieten. Was sind denn attraktive Lösungen? Zum Beispiel synthetisch hergestelltes Fleisch. Zudem kennt die orientalische und asiatische Küche viele gute Gerichte, zum Beispiel aus Hülsenfrüchten mit wertvollem pflanzlichem Protein. Werden denn überhaupt die regionalen Gegebenheiten in die Berechnungsmethoden der Umweltbelastungspunkte, einbezogen? In der Schweiz ist ja zum Beispiel in vielen Regionen, nur eine Graswirtschaft möglich, ausserdem ist eine Grasproduktion zur Gestaltung einer gesunden Fruchtfolge und der Böden wichtig. Die werden zumindest teilweise einbezogen. Ich bin aber nicht dafür, Milch und Fleisch zu verbieten. Es gibt Situationen und Regionen, wo eine tierische Lebensmittelproduktion sinnvoll ist. Problematisch ist der hohe Anteil an Kraftfutter, der oft aus dem Ausland kommt, in der Ration. Zum Beispiel beim Milchvieh, um den Ertrag zu steigern. Da muss man sich schon fragen, ob das wirklich sein muss. Und alles nur, weil wir nicht bereit sind, faire Preise für tierische Lebensmittel zu bezahlen. Wir haben bei dieser Produktion zudem viele Probleme mit der Massenhaltung von Tieren oder mit dem Antibiotika-Einsatz. Wie könnten sich denn die Konsumenten nachhaltiger ernähren? Wenn mehr Konsumenten vegan essen würden, ginge es sicher in eine gute Richtung. Da bin ich jedoch pragmatisch und würde nur eine Reduktion des Konsums von tierischen Produkten propagieren. Zudem ist es sinnvoll, vermehrt saisonale und regionale Produkte zu konsumieren und die Vielfallt der Jahreszeiten zu geniessen. Sind die Lebensmittel zu billig? Sicher. Meine Grossmutter sagte immer: Ein Drittel des Lohnes wird für das Wohnen, ein Drittel für Lebensmittel und das rest­liche Drittel wird für alles andere aufgewendet. Ungefähr 30 Prozent der Lebensmittel werden weggeworfen. Food Waste ist somit ein weiteres grosses Problem. Was können wir tun? Man muss sich bewusst sein, dass die Hälfte des gesamten Food Waste im Haushalt passiert. Somit müssen wir uns alle an der Nase nehmen. Aber auch die Verpackungsindustrie kann einen grossen Beitrag leisten, indem sie dazu beiträgt, dass die Lebensmittel länger haltbar sind, zum Beispiel durch entsprechende Verpackungen. Man kann diesbezüglich sagen, dass es aus Umweltsicht besser, ist die Umweltbelastungen der Lebensmittelverpackungen zu verdoppeln, wenn damit 10 Prozent Foodwaste reduziert werden könnte. Wie steht es mit anderen Faktoren, die eine grosse Auswirkung auf den Fussabdruck haben? Nach der Ernährung kommt die Raumwärme gefolgt von der Mobilität. Verpackungen kommen erst am Schluss. Das hohe Ziel ist die Kreislaufwirtschaft, die auch die EU in ihren Umweltzielen fordert. Ist dies überhaupt möglich? Bis anhin wurden aus Rohstoffen Güter produziert, diese wurden benützt und dann einfach weggeworfen. In jüngster Zeit entstand der Gedanke, dass man die Abfälle nicht einfach als Abfall anschaut, sondern als neue Rohstoffe. Dies gilt übrigens nicht nur für Rohstoffe, sondern auch für Energien, wo beispielsweise Abwärme wieder genutzt wird. Dies ist grundsätzlich sinnvoll; ob die Ziele erreicht werden, wird die Zukunft zeigen. In Anbetracht dessen, dass die drei relevantes­ten Ursachen der Umweltbelastungen nicht rezykliert werden können, ist die Frage vielmehr, ob es nicht wirkungsvollere Ziele gäbe. Wird heute die Diskussion über das Klima zu stark in den Vordergrund gestellt? Klima ist ein wichtiges Thema und daher ist eine Fokussierung sinnvoll, aber man darf dabei nicht vergessen, dass wir noch ganz andere Probleme haben. Ein zu starker Fokus auf das Klima kann dazu führen, dass wir neue Probleme schaffen. Ein Beispiel sind biogene Treibstoffe, über welche man vor zehn Jahren viel diskutierte. Tatsächlich bringen diese eine gewisse Reduktion in der Klimabilanz. Doch tatsächlich verursachen sie in Bezug auf Boden und Wasser, grössere Probleme. Man verschiebt einfach ein Problem auf ein anderes. Dann sollte man auch bioabbaubare Verpackungen abschaffen? Wenn der Rohstoff aus intensivem landwirtschaftlichem Anbau stammt, dann schon. Denn alle von uns untersuchten bioabbaubaren Kunststoffe haben einen höheren Impact auf die Umwelt als erdölbasierte Rohstoffe. Welche Materialien sind aus Ihrer Sicht, diejenigen welche die tiefsten Umweltbelastungspunkte aufweisen? Grundsätzlich gilt, dass die ökologischste Verpackung diejenige ist, welche mit der tiefsten Umweltbelastung den höchsten Nutzen, zum Beispiel die beste Schutzfunktion liefert. Es gibt nicht die Verpackung, sondern es hängt vom Produkt ab. Wenn es nur aus Sicht des Recyclings angeschaut wird, dann sind es Materialien, welche immer wieder rezykliert werden können, wie Metalle oder bei den Kunststoffen zum Beispiel PET. Dabei ist jedoch zu beachten, dass in der gesamtökologischen Sicht eine nicht rezyklierbare Leichtverpackung besser sein kann, als eine Verpackung, die recycelt wird. In der letzten Zeit häufen sich die Anstrengungen des Detailhandels und der Industrie. Zum Beispiel Flaschen aus Rezyklaten anzubieten. (Migros/Lidl) ist dies reine PR-Arbeit oder ist es wirklich sinnvoll? Dies ist der richtige Weg. Denn das Recyclieren ist nur dann sinnvoll, wenn die Rezyklate auch wirklich eingesetzt werden. Gilt die Schweiz wirklich als Musterland, wenn es ums Recycling geht? Das kommt darauf an, ob es um die Quantität oder die Qualität geht. Denn wir haben in der Schweiz eine etwas andere Philosophie als zum Beispiel in Deutschland. So sammeln wir mengenmässig weniger Material, doch viel spezifischer und mit einer hohen Qualität. Das ist der richtige Weg, aber auch wir haben noch Optimierungspotenzial. In Bilten wurde kürzlich die weltweit beste Aufbereitungsanlage für PET eingeweiht. Braucht es diese Vorzeigeprojekte? Ja. PET-Recycling hat einen hohen ökologischen Nutzen im Vergleich zu anderem Recycling. Der Zusatznutzen besteht darin, dass man aus Food Verpackungen wiederum eine Food Verpackung machen kann. Damit erhöht sich der Nutzen, indem das Produkt im Kreislauf verbleibt. Also ist es auch sinnvoll, dass in Rezyklat-PET in der Schweiz höchstens 0,04 Prozent Non-Food-Pet eingearbeitet werden darf, im Gegensatz zur EU, wo 5 Prozent erlaubt sind? Es braucht gewisse Grenzwerte. Wenn zum Beispiel in einem Non-Food-PET ein Maschinenöl oder ein Waschmittel mit einem Duftstoff gewesen ist und danach wieder ein Mineralwasser, dann kann es problematisch werden. Ob nun der Grenzwert so streng sein muss, kann ich nicht beurteilen. Reicht es, wenn die Konsumenten Abfalltrennung betreiben, oder braucht es grössere Anstrengungen, um die «Welt zu retten»? Die Wahrnehmung der Konsumenten ist die, dass er das Gefühl hat, wenn etwas recyclierbar ist, es auch besser für die Umwelt sei, was in den meisten Fällen auch richtig ist Doch dabei wird der Nutzen des Recyclings oft überschätzt. Für die drei wichtigsten Umweltauswirkungen – Ernährung, Transport und Energie – können nur teilweise Leistungen wieder in den Kreislauf zurückgebracht werden. Das heisst, Essen kann man schlecht recyclieren. Aus einem Steak kann nicht noch einmal ein Steak gemacht werden. Dort kann man höchstens die Fäkalien und die Essensreste in der Biogasanlage verwerten. Autofahren, das Fliegen oder die Raumwärme können nicht recycelt werden. Und wie kann dann dort die Umweltbelastung reduziert werden? Der Impact kann nur mit einer Reduktion vermindert werden, denn der Kreislauf kann nicht geschlossen werden. Somit reicht es sicher nicht, wenn man sich nur auf das Recycling fokussiert. So kann in der gesamtökologischen Sicht eine Leichtverpackung, welche nicht recycelbar ist, besser sein, als eine Verpackung, die recycelt wird. Man könnte die Mehrkosten für das Recycling besser anderswo einsetzen. Wo kann das Geld besser eingesetzt werden? Mit diesem Geld würde man bei der Förderung von nachhaltigen Transportsystemen oder Energieeffizienz mehr erreichen. Apropos Geld: Kommen im Hinblick auf Umweltabgaben höhere Steuern und Abgaben auf die Verbraucher und Unternehmen zu? Man kann die Fragen auch umdrehen: Wie teuer wird es, wenn wir nichts machen? Schon vor zehn Jahren zeigte zum Beispiel der Ex-Weltbankchef Nicolas Stern auf, dass wir es uns ökonomisch nicht leisten können, nichts zu machen. Die Frage greift zu kurz, wenn man einfach sagt, ökologische Massnahmen seien teuer. Wenn man die Spitäler oder die Feuerwehr abschaffen würde, dann könnten innert kürzester Zeit ebenfalls Kosten gespart werden. hanspeter.schneider@rubmedia.ch

Milchwirtschaftliches Museum

Ähnliche Beiträge

Wichtige Nachricht verpasst?

Nicht wenn Du den kostenlosen Newsletter abonniert hast.