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«Jetzt müssen die andern in die Hosen»

Stefan Kohler, Geschäftsführer der Branchenorganisation (BO) Milch, kontert die Kritik am neuen Branchenstandard für nachhaltige Milch und erklärt, wie sich der Standard weiterentwickeln könnte.

von Stephan Moser

«Wir verbessern das Tierwohl von einigen Tausend Milchkühen». Stefan Kohler, Geschäftsführer der BO Milch.

alimenta: Stefan Kohler, die BO Milch hat den neuen Branchenstandard für nachhaltige Milch als Beginn eines neuen Zeitalters angekündigt. Fakt ist: 88 Prozent aller Schweizer Milchbauern produzieren bereits heute nach den Anforderungen des Standards. Was ist denn so revolutionär am Branchenstandard?

Stefan Kohler: Die Milchbranche ist nicht gerade für familiäre Harmonie bekannt. Nur schon, dass sich die Branche auf einen gemeinsamen Standard geeinigt hat und auf einen Nachhaltigkeitszuschlag von 3 Rappen pro Kilogramm A-Molkereimilch, ist ein Erfolg. Dazu brauchte es harte Verhandlungen und lange Diskussionen.

Der Konsumentenschutz und der WWF kritisieren, dass die Anforderungen des Standards kaum über die bestehenden Gesetze und Vorgaben hinaus gehen.

Wir haben die Anforderungen bewusst tief gelegt, um möglichst viele Produzenten an Bord zu holen. Mehr lag im Moment nicht drin, sonst wären wir gescheitert. Aber wir sind erst am Start, noch nicht am Ziel. Bereits heute verbessern wir aber mit dem Standard das Tierwohl von einigen Tausend Milchkühen, indem wir eines der beiden Tierwohlprogramme Raus oder BTS garantieren. Auch der Schweizer Tierschutz steht hinter dem Standard und hat unsere Charta unterschrieben.

Schweizer Milch, die ab dem 1. September die Kennzeichnung «swissmilk green» trägt, ist aber nicht «grüner» als vorher.

Sie ist nicht grüner als vorher, aber sie war vorher schon grün. Nur haben wir zu lange zu wenig von den Mehrwerten der Schweizer Milch gesprochen. Die Kennzeichnung «swissmilk green» ist auch ein Kommunikationsinstrument, mit der wir bestehende Mehrwerte ausloben und garantieren können, etwa das hohe Tierwohl oder dass unsere Milchkühe kein Palmfett oder Soja aus problematischen Quellen zu fressen bekommen.

Wie geht es nun weiter?

In vier Jahren muss sämtliche Schweizer Milch nach dem Branchenstandard produziert werden. Milchbauern im Molkereisegment, die bis dahin die Anforderungen nicht erfüllen, werden Mühe haben, noch Abnehmer fürihre Milch zu finden. Einen Anreiz zur Produktionsumstellung bieten die drei Rappen Nachhaltigkeitszuschlag pro Kilogramm A-Molkereimilch.

Was bringen diese drei Rappen den Bauern konkret?

Das hängt natürlich von der Milchmenge und dem Anteil an A-Molkereimilch ab. Aber es macht schnell ein paar Tausend Franken pro Jahr aus. Wenn ein Bauer 150000 Kilogramm Milch produziert und davon zwei Drittel als A-Molkereimilch verkaufen kann, macht das 3000 Franken.

Die Branche hat sich in einer Charta verpflichtet, den Standard weiterzuentwickeln. In welche Richtung soll es gehen?

Konkrete Entscheide hat die BOM noch nicht gefällt. Aber zwei wichtige Themen, die uns beschäftigen werden, sind die Reduktion des Kraftfuttereinsatz und das Klima. Allerdings stehen wir da in einem Spannungsfeld: Wir wollen die Bedürfnisse der Gesellschaft aufnehmen und gleichzeitig die Interessen der Produzenten berücksichtigen. Der Konsumentenschutz etwa fordert, ganz auf Kraftfutter zu verzichten. Das geht aber schlicht nicht. Milchkühe mit der heutigen Genetik können nicht ohne Kraftfutter gehalten werden, das wäre Tierquälerei.

Und klimafreundliche Milch?

Beim Klimaschutz und Tierwohl gibt es einen klassischen Zielkonflikt. Ohne allzu technisch zu werden: Je natürlicher eine Kuh gehalten wird, desto grösser sind die Emmissionen. Ein Beispiel ist die Fütterung: Eine Kuh, die Gras frisst, rülpst mehr Methan in die Atmosphäre als eine Kuh, die sehr viel Kraftfutter frisst. Es gibt zwar Versuche, mit Futterzusätzen die Methanproduktion zu reduzieren. Ob das am Ende aber etwas bringt und wirtschaftlich und natürlich ist, ist eine andere Frage.

Nur einen Tag nach der Präsentation des Standards hat der Milchhändler Mooh einen eigenen Nachhaltigkeitstandard «Auslese» eingeführt, der über «swissmilk green» hinausgeht. Untergräbt das den Branchenstandard?

Zu den Kunden von Mooh gehören auch Verarbeiter wie etwa die Migros-Tocher Elsa, deren eigene Milch-Nachhaltigkeitsprogramme ein paar andere Punkte enthalten als der Branchenstandard. Dieses Kundenbedürfnis befriedigt Mooh mit dem Auslese-Standard. Das ist aber kein Problem für uns und auch keine Konkurrenz.

Was braucht es jetzt, damit der Standard durchstarten kann?

Wir haben den Boden gelegt und stellen mit «swissmilk green» eine Kennzeichnung zur Verfügung. Jetzt müssen die Marktakteure in die Hosen. Wir haben das Maximum gemacht, um die Kennzeichnung bekannt zu machen. Zudem werden die Schweizer Milchproduzenten SMP die neue Kennzeichnung swissmilk green in ihr Marketing einbauen. Vom Handel wünsche ich mir, dass ich ab dem 1. September möglichst viele Produkte mit dieser Kennzeichnung im Ladenregal sehe. Druck machen wir aber keinen.