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Zuckerfabriken: «Dopplet oder nüt»

Eine neue Studie zur Zuckerbranche empfiehlt, entweder beide Zucker­fabriken gut auszulasten oder die Zuckerproduktion ganz einzustellen. Die Meinungen dazu sind in der Branche unterschiedlich.

Für den Schweizer Zucker sieht es aktuell gar nicht so schlecht aus. Die Rübenerträge liegen über den Erwartungen, die beiden Zuckerfabriken werden bis nach Weihnachten ausgelastet sein. In der EU sinkt die Zuckermenge um fünf Prozent, die Zuckerpreise steigen deshalb an. Steigende EU-Preise bedeuten steigende Schweizer Preise, denn die Preisniveaus sind mit dem sogenannten Doppel-Null-Abkommen gekoppelt, das die Schweiz mit der EU abgeschlossen hat. Mittel- und langfristig allerdings sieht es für den Schweizer Zucker düster aus. Eine betriebswirtschaftliche Studie zur Zuckerbranche kommt zum Schluss, dass die durchschnittlichen Produktionskosten derzeit weder bei den Rübenbauern noch bei der Schweizer Zucker AG ganz gedeckt werden können. Und dies, obwohl der Staat die Branche im letzten Jahr mit knapp 35 Millionen Franken unterstützte – und in diesem Jahr voraussichtlich sogar mit knapp 40 Millionen. Die gesunkenen Rübenpreise und schwierige Anbaubedingungen der letzten Jahre führten dazu, dass immer mehr Rübenbauern aus der Produktion ausstiegen. Es wurden weniger Rüben produziert, die Auslastung der beiden Zuckerfabriken sank und konnte nur teilweise mit Rüben aus Deutschland erhöht werden. Eine tiefere Auslastung bedeutet höhere Kosten pro Tonne Zucker, die aber nicht auf den Verkaufspreis überwälzt werden können. Denn der Schweizer Zuckerpreis wird – siehe oben – wegen dem Doppel-Null-Abkommen auf EU-Preisniveau gehalten. In Auftrag gegeben wurde die Studie vom Schweizerischen Verband der Zuckerrübenpflanzer SVZ, in einem Lenkungsausschuss vertreten sind auch die Schweizer Zucker AG, das Bundesamt für Landwirtschaft und der Schweizer Bauernverband. Bei schwierigen agrarpolitischen Diskussionen wird üblicherweise gerne ein Mittelweg beschritten, der alle etwa gleich unzufrieden lässt. Ein solcher Mittelweg könnte für die Zuckerbranche heissen, dass von den zwei Zuckerfabriken in Aarberg und Frauenfeld nur noch eine aufrechterhalten wird. Doch dies wäre für die Zuckerbranche eine «strategische Sackgasse», wie die Studienautoren schreiben. Denn die Zentralisierung brächte zwar Vorteile für eine effiziente Verarbeitung, nicht aber für das aufwendige und teure Einsammeln der Rüben. Die Rübenlogistikkosten würden weiterhin zu hohen Verlusten führen, bei einer insgesamt stark geschrumpften Branche. Verluste allenthalben In der Studie wurden drei Szenarien durchgerechnet: Ein Basisszenario mit Fortsetzung der bisherigen Strukturen, ein Optimierungsszenario, bei dem Produktionskosten auf Pflanzer- und Verarbeitungsstufe möglichst gesenkt würden, und eben das «1-Werk-Szenario», bei dem eine der beiden Fabriken geschlossen würde. Die Studie kommt zum Schluss, dass sich beim Basisszenario die Verluste beim Anbau (18 Mio. Franken) und bei der Verarbeitung (12 Mio. Franken) zu einem Betrag von 30 Millionen aufsummieren. Wenn 100 000 zusätzliche Tonnen Rüben importiert werden, reduziert sich der Verlust um 3  Mio. auf 27 Mio. Franken. Beim Optimierungsszenario gehen die Studienautoren davon aus, dass sowohl Direktkosten (zum Beispiel Saatgut oder Pflanzenschutz) im Anbau wie auch Gemeinkosten (zum Beispiel Maschinen oder Gebäude) durch eine Professionalisiserung, etwa durch verstärkten überbetrieblichem Maschineneinsatz, noch um zehn Prozent gesenkt werden können. Bei den Zuckerfabriken wären laut Studie mit Produktivitätsverbesserungen 2,5 Prozent Einsparungen beim Personal und 2,5 Prozent bei betrieblichen Aufwendungen möglich. Beim Optimierungsszenario resultiert laut Studie immer noch ein Verlust von 5,4  Mio. Franken auf Stufe Anbau, unter der Voraussetzung, dass die Direktzahlungen auf einer Höhe von rund 40 Mio. Franken bleiben. Auf Stufe Logistik und Verarbeitung entsteht ein Verlust von 11 Mio. Franken, was insgesamt zu einem Verlust von gut 16 Mio. Franken führt. Wenn 100 000 zusätzliche Tonnen Rüben importiert werden, reduziert sich der Verlust um 3 Mio. Franken auf 13 Mio. Franken. Die Studienautoren geben in der Studie acht Empfehlungen für die Zuckerbranche ab (s. Kasten). Unangenehmes Ergebnis Josef Meyer, der Präsident des Verbandes, sagt, er sei unangenehm überrascht gewesen über das Resultat «Alles oder nichts». «Es wird ein politischer Entscheid sein, ob man in der Schweiz die Zuckerproduktion aufrechterhalten will, oder ob man aussteigt.» Er hoffe, dass man gemeinsam eine gute Lösung finde, es sei aber klar, dass eine Lösung nicht einfach vom Bund kommen könne. «Wir müssen selber eine Leistung erbringen und noch ökologischer und noch rationeller produzieren.» Adrian Aebi, Vizedirektor im Bundesamt für Landwirtschaft, sagt, das BLW präferiere klar, die Zuckerproduktion in der Schweiz zu erhalten. «Der Bund kann aber nur Rahmenbedingungen festlegen, und zwar so, dass auch die Interessen der zuckerverarbeitenden Industrie berücksichtig werden.» Die Politik werde letztlich entscheiden müssen, wie hoch die Stützung der inländischen Rübenproduktion sein dürfe. Der Bund hat vor einem Jahr bereits beschlossen, die Stützung zu erhöhen: Per Anfang 2019 wurde der Mindestzoll von 20 auf 70 Franken pro Tonne erhöht, die Direktzahlungen von 1800 auf 2100 Franken pro Hektare, allerdings befristet auf drei Jahre. Das BLW prüfe derzeit den Spielraum für diese Direktzahlungen im Rahmen der geltenden Gesetze, sagt Aebi. Für Guido Stäger, den Direktor der Schweizer Zucker AG, ist klar: «Wir müssen alles dafür tun, um die Anbaufläche hochzuhalten.» Wenn dies nicht gelinge, habe man Kostennachteile, die im Extremfall sogar Richtung Ausstieg gehen könnten. Die Nachteile eines Ausstiegs seien in der Studie aber nicht bewertet worden: Da geht es auch um Nachhaltigkeit, Swissness und Selbstversorgung. Grundsätzliche Kritik an der Studie kommt von den Zuckerverarbeitern. Bevor man wie von den Autoren vorgeschlagen Entscheide im Stil von «Alles oder nichts» fälle, müssten noch ein paar Fragen geklärt werden, sagt Urs Furrer, Direktor der Verbände Chocosuisse und Biscosuisse. «Wenn die Rechnung der Zuckerfabrik mit dem Import von 100 000 Tonnen Rüben um 3 Millionen Franken entlastet werden kann, müsste man prüfen, ob nicht höhere Importe sinnvoll wären», sagt er. Zudem sei es offenbar so, dass bei den Produktionskosten im Anbau ein grosses Sparpotenzial bestehe, das aber immer noch unklar sei. Tatsächlich sind die Produktionskosten ein kontroverses Thema. Die Studie stützt sich auf die «Zentrale Auswertung der Buchhaltungdaten» der Forschungsanstalt Agroscope, wo ein Durchschnittswert von 90 Franken pro Tonne angegeben wird. Die Studienautoren schreiben, falls diese Zahlen korrekt wären, würden sich angesicht der jährlichen Verluste «Tausende von Pflanzern unökonomisch verhalten … und trotz tiefer Ausstiegshürden dem Rübenanbau nicht den Rücken zukehren.» Gleichzeitig gebe es Aussagen von Brancheninsidern, wonach der Zuckerrübenanbau finanziell immer noch attraktiver sei als andere Ackerkulturen. Rübenpflanzer-Präsident Meyer sagt dazu, die Produktionskosten seien eben von Betrieb zu Betrieb sehr unterschiedlich. In der Branche sei man sich aber einig, dass bei den Agroscope-Zahlen zu hohe Gemeinkosten gerechnet würden, die tatsächlichen Produktionskosten seien im Schnitt sicher tiefer. Vertragsanbau oder mehr Importe Eine der Empfehlungen der Studie lautet «Rückwärtsintegration», gemeint ist damit Vertragsanbau. Als Vorbild wird die Produktion von Verarbeitungsgemüse genannt, wo die Anbauplanung und die Risiken mehrheitlich von den Verarbeitern übernommen werden. Meyer kann dem nichts abgewinnen: «Wir Bauern sind Unternehmer, die Verantwortung an die Fabrik abzugeben, kann doch keine Perspektive sein!» Stäger hingegen will – gemeinsam mit dem Rübenpflanzerverband – engere Vertragsmodelle in Pilotprojekten prüfen, um Erfahrungen zu sammeln. Skeptisch ist er gegenüber der Fial-Forderung, den Mehrimport von Rüben zu prüfen. Man habe schon heute Mühe, die Rüben aus Süd- und Norddeutschland am Personenverkehr vorbei in die Schweiz zu bringen. Deutlich höhere Mengen wären aus logistischen Gründen «eher unrealistisch». Auf Lösungssuche Josef Meyer sagt, man werde nun mit allen Beteiligten mögliche Zukunftsvarianten diskutieren, mit Chocosuisse sei im Dezember eine Besprechung geplant. Meyer hat die Hoffnung auf einen Mittelweg noch nicht aufgegeben. «In der Studie wurde nur die Rentabilität betrachtet. Aus volkswirtschaftlichen Überlegungen zur Selbstversorgung könnte man zum Schluss kommen, dass zum Beispiel eine Anbaufläche von 10 000 Hektaren sinnvoll wäre.» Stäger bleibt optimistisch, zwei Werke aufrechterhalten zu können. Eine Verlängerung der derzeit befristeten Bundesmassnahmen - Direktzahlungen und Mindestzoll - zum Beispiel würde schon helfen, meinte er. Mit einem Zuckerpreis von knapp 600 Franken pro Tonne, also rund 12 Prozent mehr als der eher tief gerechnete Modellpreis der Studie, sei die Fabrik selbsttragend. Dann könne man auch mit Schwankungen am Markt umgehen. Eine Verlängerung oder Erhöhung der Direktzahlungen würde die Schokoladen- und Biscuithersteller nicht betreffen. Der Mindestzoll betrifft sie sehr wohl und hätte aus ihrer Sicht gar nie eingeführt worden dürfen, wie Urs Furrer findet. roland.wyss@rubmedia.ch

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