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Strategien für die Verwertung von Nebenprodukten

Tierische und pflanzliche Rohstoffe bestehen nicht nur aus hochwertigen Komponenten, sondern auch aus mittel- und geringerwertigen. Deren Verwertung stellt besonders Metzgereien vor Herausforderungen.

Nicht erst seit Foodwaste zum Megathema geworden ist, sondern schon seit den Anfängen der industriellen Lebensmittelverarbeitung ist die Nebenprodukteverwertung ein Dauerproblem. Aber nun erhält sie eine ethische Dimension und die Konsumenten schenken der Nachhaltigkeit mehr Beachtung. Als Nebenprodukte (früher sprach man fälschlicherweise von Abfall) gelten Komponenten, wenn sie bei Gewinnung, Verarbeitung oder Zubereitung grosse Nachteile besitzen, wie hohe Kosten oder Arbeitsaufwand. Es gibt auch weitere Gründe wie sensorische Mängel. So etwa lauten Vorurteile: «Kleie schmeckt trocken und derb, Suppenhühner sind zäh.» Oder es sind Imageprobleme wie etwa gegenüber tierischen Fetten und Blut. Letzteres besteht aus wertvollen Proteinen, ist aber unbeliebt. Ferner gibt es kaum marktfähige Produkte aus Blut. Ein weiterer Grund sind Risikokomponenten wie Schlachtnebenprodukte des Zentralnervensystems, dies im Kontext von BSE. Besonders hoch sind die Herausforderungen in der Fleischbranche, obwohl gerade Metzgerei-Nebenprodukte oft aus hochwertigen Inhaltsstoffen bestehen. Die Branche zieht alle Register, um die Deklassierung von lebensmitteltauglichen Komponenten zu Tierfutter oder Biogas zu vermeiden. Weniger als die Hälfte eines geschlachteten Tieres landet auf unseren Tellern, aber es gibt eine ethische Pflicht, alle Teile sinnvoll zu verwerten. Der Anti-Foodwaste-Trend hilft hier: Nose to Tail, die möglichst vollständige Nutzung eines Tieres für die menschliche Ernährung, erlebt seit einigen Jahren ein Comeback und ist auch wirtschaftlich vorteilhaft. In wohlhabenden Ländern kommen heute vor allem einfach und schnell zubereitbare Edelfleischstücke auf den Teller. Hühnerhaut oder Schweineschwarte dagegen sind meistens unerwünscht. Füsse, Kopf, Fett, Blut und Innereien sind essbar, werden aber hierzulande oft verschmäht. Kalbsleber und -milken sind teure Delikatessen, aber die meisten Innereien zählen zu den währschaften Stücken wie z. B. Kutteln, Haxen und Zunge. Aus Innereien entsteht oft Haustierfutter, aus überschüssigem Blut Fischfutter oder Biogas. Immerhin: Metzgereien, einige Gastronomen und Supermärkte entdecken Nose to Tail als Nachhaltigkeitsstrategie. Kein Abfall, sondern Wertstoff Proviande, die Branchenorganisation der Schweizer Fleischwirtschaft, sowie das Verwertungsunternehmen Centravo fokussieren verstärkt auf die Nebenprodukteverwertung. Proviande lancierte vor vier Jahren das Projekt «Savoir-Faire», um die ganzheitliche Verwer tung tierischer Rohstoffe zu fördern (s. Interview auf S. 14). Und Centravo verwertet seit Langem Schlachtnebenprodukte, die sich im Detailhandel nicht verkaufen lassen. Die Firma sammelt davon 180 000 Tonnen pro Jahr ein. Zum Vergleich: Dieser Menge stehen rund 340 000 Tonnen Fleisch gegenüber. Nun wandelt sich Centravo vom Entsorgungs- zum Veredlungsbetrieb und baut das Geschäft mit lebensmitteltauglichen Schlachtprodukten aus wie Schweinefüssen, Innereien und Schlachtfetten, auf deren Verarbeitung die Tochter Nutriswiss spezialisiert ist. Das Ziel ist, Neben­produkte durch innovative Verfahren so hochstehend wie möglich zu nutzen. Dies hat einen wichtigen Nebeneffekt: Es verbessert den CO2-Fussabdruck der Branche. «Nebenprodukte sind kein Abfall», betont Centravo-Sprecher Georg Herriger. Abfall ist Rohstoff am falschen Ort. Wirklich von Abfall sprechen kann man nur, wenn ein Stoff nicht für einen sinnvollen Zweck aufbereitet werden kann und seine Entsorgung Kosten verursacht. Sogar altes Frittieröl kann als Biodiesel verwendet werden. «Oft sind nur Vorurteile das Hindernis für die Verwendung zur menschlichen Ernährung, so etwa beim Blut. Dieses stellt eine Quelle von Häm-Eisen dar und wird als Wurstzutat verwendet. Aber Blutplasma würde sich auch anstelle von Ei in Backwaren eignen», so Herriger. Der Konsum unserer Nebenprodukte kann auch in andern Ländern stattfinden. Centravo exportiert mit Erfolg hierzulande wenig goutierte Innereien und Gliedmassen, wie etwa Schweinsfüsse, in Länder wie China, wo sie beliebt sind. Veredlung heisst der Schlüssel Die wichtigste Strategie der Nebenprodukteverwertung ist wohl die Veredlung (Upgrading). Dazu braucht es meistens einen technologischen und einen marketingmässigen Aufwand. Folgende Beispiele beweisen, dass gute Erfolgschancen bestehen. Bei Steaks gibt es neben Premium Cuts (z. B. Entrecôte) auch Second Cuts bzw. Special Cuts (etwa Schlossbeindeckel, Schulterspitz, Lempen). Diese wurden in der Schweiz bisher zu Geschnetzeltem oder Schmorfleisch deklassiert, aber mit der richtigen Garmethode lassen sie sich zu Steaks aufwerten – fast so zart und oft aromatischer. Hierzu organisiert Proviande Kurse für Metzger und Köche. «Special Cuts sind unglaublich gut im Geschmack, in der Saftigkeit und der Textur», sagt Kursleiterin Marlene Halter. Ein weiteres Beispiel ist die Veredlung des Suppenhuhns, das als zäh gilt. Dieses Vorurteil stammt von früher, als Hühner noch so lange Eier legten, bis sie wirklich alt waren. Heutige Legehennen werden mit nur gerade 18 Monaten geschlachtet. Bei genügender Kochzeit wird das Fleisch butterzart. Trotzdem: Die Nachfrage nach ganzen Suppenhühnern reicht nicht aus, um alle als Lebensmittel zu verwerten. Die Veredlung gelingt besser, wenn man aus dem Fleisch ein Premiumprodukt herstellt wie etwa eine Geflügelwurst. Raffael Jenzer von der Arlesheimer Metzgerei Jenzer Fleisch & Feinkost entwickelte aus Suppenhuhnfleisch, Pouletleber und Poulethaut erfolgreich Coq-au-vin-Pasteten und erhielt dafür kürzlich bei der Qualitätsprämierung des Schweizer Fleischfachverbandes eine Goldmedaille. Eine besondere Krux sind die tierischen Fette. Nur ein kleiner Teil davon kann mangels Nachfrage derzeit als Lebensmittel verwendet werden. Früher waren sie begehrt, später verpönt und nun von der Wissenschaft wieder rehabilitiert. Sie müssen nicht mit hohem Aufwand raffiniert werden und sind sogar meistens schmackhafter als raffinierte Pflanzenöle. Der Aufwand liegt hier aber im Marketing, d. h. der Überzeugungsarbeit bei den Konsumenten und Konsumentinnen. redaktion@alimentaonline.ch

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