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Nur noch fossilfrei produzierte Tomaten

Die Migros will in der Schweiz künftig nur noch Gemüse aus fossilfrei beheizten Gewächshäusern abnehmen. Deshalb suchen die Gemüsegärtner eifrig nach alternativen Energieträgern für ihre Gewächshausheizungen.

Das Jahr 2018 war in der Schweiz das wärmste überhaupt, seit Wetterdaten aufgezeichnet werden. Es war kein Ausrutscher, sondern ist Teil der Temperatur-Entwicklung, wie sie in den letzten 150 Jahren kontinuierlich zu beobachten ist. Der Physiker Christoph Raible vom Oeschger-Zentrum für Klimaforschung (OCCR) der Universität Bern errechnete anhand von 21 Simulationen ein Modell, wie sich das Klima in den nächsten Jahrzehnten entwickeln wird, wenn keine Klimaschutz-Massnahmen getroffen werden. Die Durchschnittstemperatur würde bis Mitte Jahrhundert um zwei Grad steigen.

Fast noch wichtiger seien aber die zu erwartenden Niederschlagsereignisse, sagte der Klimaforscher in seinem Referat an einer Unterglas-Gemüsebautagung in Posieux. Auch hier sprächen die vorhandenen Daten der letzten Jahrzehnte eine deutliche Sprache: «Alle Wetterstationen zeigen eine deutliche Zunahme von Extremniederschlägen.» Im Zukunftsszenario nehmen Wetterextreme wie Starkniederschläge, Hitzetage oder Anzahl aufeinanderfolgende Trockentage deutlich zu. Selbst wenn man die Klimaziele von Paris mit der errechneten Temperaturerhöhung von «nur» 1,5 Grad erreichen würde, hätte das Konsequenzen für die Landwirtschaft. Allerdings wenigstens nur in abgeschwächter Form, wie der Klimaforscher sagte. Deshalb würden sich Klimaschutzmassnahmen wie die Reduktion des CO2-Ausstosses lohnen, sagte er.

Spitzenlast als Krux

Der grosse Detailhändler Migros schlug Anfang 2019 einen ersten Pflock ein, als er bekanntgab, ab 2025 nur noch Schweizer Gemüse und Früchte aus fossilfrei beheizter Gewächshausproduktion abzunehmen. Seither herrscht in der Schweizer Gewächshausbranche ein emsiges Treiben auf der Suche nach CO2-neutralen Alternativen zu den Gas- und Ölheizungen. Relativ einfach liesse sich beispielsweise der Wärmebedarf für eine Grundlast mit Holz abdecken. Die Krux an der Geschichte ist aber die Abdeckung der Spitzenlast, also die Energie, die nur während einer kurzen Zeit in sehr hohen Mengen benötigt wird. Beispielsweise, wenn es draussen plötzlich sehr kalt wird. Diese "letzten" Prozente sind teuer. Mit Holz könne eine Grundlast von zwischen 75 bis zu 90 Prozent abgedeckt werden, sagte der Energieexperte Martin Steiger von der DM Energieberatung AG. Die Höhe des Wertes ist abhängig von der Grösse von Speichern.

Hohe Investitionskosten

Deutlich geringer ist die Grundlast, die mit einer Grundwasser-Wärmepumpe abgedeckt werden könnte. Die Investitionskosten im Vergleich zu den bisherigen fossilen Heizungen sind in beiden Fällen aber viel höher. Steiger sprach bei einer Gewächshausgrösse von vier Hektaren von zusätzlich umgerechnet 2 Mio. Euro für eine Holz- respektive 1,6 Mio. Euro bei einer Wärmepumpenlösung. Und das bei einer Abdeckung von «nur» 80 Prozent fossilfreier Grundlast. Bei einer 100 Prozent Abdeckung nur mit Holzenergie wären die Zusatzkosten für die Bereitstellung der Spitzenlast exorbitant hoch - Die Wärmegestehungskosten würden sich pro Kilowattstunde von 10 auf 20 Rappen verdoppeln. «Das wäre wirtschaftlich ein Unsinn», wie Steiger es ausdrückte.

Wie also könnte die Spitzenlast trotzdem vernünftig abgedeckt werden? Mit Biogas beispielsweise, das aber teuer ist. Zudem muss ein Anschluss vorhanden sein. Importieren macht keinen Sinn, weil dieses in der Schweiz nicht als CO2-neutral angerechnet werden kann. «Bioheizöl» FAME (Fatty-Acid-Methyl-Esther) wäre eine weitere Option und könnte im bestehenden Ölkessel verbrannt werden. Auch diese Lösung ist aber relativ teuer und müsste mehrheitlich importiert werden.

Eine weitere Möglichkeit wäre die Nutzung von Fernwärme, sofern eine Anschlussmöglichkeit an eine Leitung in der Nähe besteht. Schon heute beziehen einzelne Gewächshäuser aus der Schweiz Wärme beispielsweise von Kehrichtverbrennungsanlagen, die ebenfalls als CO2-neutral gewertet wird. Nur besteht auch hier eine Unsicherheit, weil niemand weiss, ob diese Energie auch künftig weiterhin als CO2-neutral gelten wird.

Kaum Geothermie

Die in holländischen Gewächshäusern bereits relativ weitverbreitete Nutzung der Geothermie ist in der Schweizer Gemüsebranche noch kein ernsthaftes Thema. Zwar experimentiert die Familie Grob auf ihrem Gemüsebaubetrieb in Schlattingen seit bald zehn Jahren mit Wärme aus einem 1500 Meter tiefen Loch. Doch seither folgten dort vor allem Rückschläge. Ob die Gewächshäuser der Grobs irgendeinmal mit der Wärme aus der Tiefe beheizt werden können, wird sich zeigen. Der Untergrund in der Schweiz sei zu heterogen und zudem nicht kartiert, weshalb die finanziellen Risiken für Bohrungen sehr hoch seien, sagte der Geothermie-Experte Karl-Heinz Schädle in Posieux. Er sieht kurzfristig allenfalls eine Chance in der oberflächennahen Geothermie mit Erdwärmesondenfeldern zur saisonalen Speicherung von Wärme zur Abdeckung der Grundlast.

Nicht zu hohe Temperaturen

Biogemüsegärtner Stefan Müller aus Steinmaur benutzt bei seinem Gewächshaus bereits seit 15 Jahren eine Holzheizung mit einer Unterschubfeuerung. Das heisst, dass das Holz mit einer Förderschnecke von unten in die Feuermulde geschoben wird. Das verlange eine gute Holzqualität, sagte er in seinem Erfahrungsbericht zu den rund 70 angemeldeten Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Zurzeit verheizt Müller Holzschnitzel aus einer benachbarten Schreinerei, die zu 65 bis 70 Prozent getrocknet sind. "Trockeneres Holz führt sonst zu Überhitzung und beschädigt die Schamottsteine, die dann teuer repariert werden müssen", erklärte er. Der 100 000 Liter Wärmespeicher hilft ihm, einen hohen Anteil des Wärmebedarfs permanent sicherzustellen. Aber auch er hat als Absicherung eine Ölheizung, wenn es schneit oder draussen die Temperaturen stark sinken. Potentielle Neueinsteiger wies er darauf hin, dass die Beschaffung des Rohstoffs zunehmend schwieriger werde, weil das Interesse am Holz für Heizungen steige. Er riet zu langfristigen Lieferverträgen, was letztlich auch bei den Kosten eine gewisse Planungssicherheit biete.

Holz kombiniert mit Erdgas wäre optimal

Jeremy Rolle von der Fachhochschule Westschweiz in Fribourg stellte das Projekt Innoserre vor, das seit 2017 innovative und klimafreundliche Lösungen für die Energieversorgung bei Gewächshauspflanzen untersucht. Dabei wurden verschiedene Kombinationen mit Holz, Erdgas und Biogas verglichen. Eine zentrale Rolle spielt dabei die CO2-Düngung im Gewächshaus. Mit den konventionellen Gas-Heizungen wurde das bisher relativ elegant gelöst, in dem man das bei der Verbrennung von Erdgas anfallende CO2 im Gewächshaus als Dünger einsetzte, bei Biogas ist der Anteil viel tiefer. Bei Holzheizungen, Wärmepumpen oder Fernwärme fehlt es ganz und muss teuer als industrielles CO2 zugekauft werden. In einem Vergleich an einem Fallbeispiel schnitt die Kombination Holz und Erdgas bei gleichzeitiger Betrachtung der Treibhausgasreduktion und der Kosten am besten ab. Betrachtet man nur das Kriterium der Treibhausgasreduktion, wäre die Lösung mit dem industriellen CO2 herausragend. Dieses wird übrigens in der Ökobilanz nicht als klimawirksames CO2 angerechnet, weil es bei einem industriellen Prozess abgefangen und dort so verhindert wird, dass es in die Umwelt gelangt. Allerdings würden bei diesem Verfahren auch die Produktionskosten für beispielsweise Tomaten deutlich ansteigen. Er frage sich, ob die Abnehmer diesen Mehrpreis bezahlen würden, sagte Rolle berechtigterweise.

Wärmeverbund im Seeland

Wenn alles gut geht, sollen mehrere Gemüsebaubetriebe im in der Gewächshauzone in Ried bei Kerzers ab 2021 Wärme über eine Leitung eines neuen Wärmeverbundes beziehen können. Das Bauprojekt für den Wärmeverbund Ried-Kerzers-Fräschels besteht aus einer Heizzentrale mit zwei Holzkesseln mit einer totalen Leistung von 4800 kW für die Abdeckung der Grundlast sowie einem 2500 kW-Gaskessel. Dazu kommen bereits bestehende Speicherkapazitäten in den Gewächshäusern von 1800 m3. Neben den Gewächshäusern werden auch andere Wohn- und Industriegebäude in der Region ans Netz angeschlossen werden.

Mit der dadurch möglichen Leistung sei es deshalb denkbar, die Gewächshäuser möglicherweise sogar in der Spitzenlast mit Holzenergie zu versorgen. Die Beschaffung des Holzes sei übrigens kein Problem, sagte Daniel Meier von DM Energieberatung AG, der das Projekt betreut. Nicht nur im Kanton Fribourg, sondern in der ganzen Schweiz wächst immer noch mehr Wald nach, als geerntet wird. Im europäischen Vergleich hat die Schweiz sogar einen der höchsten Holzvorräte. Die jährlich beim Wärmeverbund eingesparten 6000 Tonnen CO2 entsprechen 1300 beheizten Wohnungen, 620 Hektaren aufgeforsteter Wald oder - fünf vollbesetzen Flugzeugen von Zürich nach New York und retour. Letzterer Vergleich gab einigen Veranstaltungsteilnehmern zu denken und möglicherweise stellten sie sich die Frage, ob solche Investitionen wirklich verhältnismässig sind.

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