06.11.2023


Urs Lüthy brennt vor Ideen
Aus Schweizer Zuckerrübenmelasse macht er seinen «andersRum», in seinen Fässern reift ein Whisky aus Tessiner Reis heran und er liebäugelt mit Gemüsebränden: Zu Besuch beim Brenner und Bauern Urs Lüthy.

«Die Fassreifung macht über die Hälfte des Whiskys aus», sagt Brenner Urs Lüthy.
Whisky machen inzwischen einige Schweizer Brenner, einen Whisky ausschliesslich aus Schweizer Zutaten hingegen, den macht bislang nur einer: der Brenner und Landwirt Urs Lüthy aus dem aargauischen Muhen. «100 Prozent Schweizer Rohstoffe, wenn möglich auf dem eigenen Hof angebaut», lautet seine Devise. Die Braugerste, den Mais und den Urdinkel für seinen Whisky produziert er auf seinem 10-Hektaren-Betrieb selber, den Roggen kauft er zu. Alles Getreide für seinen Whisky mälzt er selber auf seinem Hof. Die anderen Schweizer Whiskybrenner kaufen ausländisches Malz oder lassen ihre Gerste im Ausland mälzen. «Malz zu importieren wäre billiger als selber mälzen», sagt Lüthy, «aber es macht Spass, die hofeigenen Rohstoffe von A bis Z zu verarbeiten.» Auch Lehrgeld bezahlt 2005 brannte Urs Lüthy seinen ersten Whisky, seinen «Herr Lüthy Pure Swiss Single Malt». Was als Experiment und mit kleinen Mengen begann, ist längst zum wichtigsten Standbein seiner Bauernhofbrennerei geworden. Lüthys Single Malt wurde mehrfach ausgezeichnet, unter anderem als «Switzerland’s best Whisky». Zum Single Malt sind ein Bourbon (aus Mais) mit leichter Süsse, ein würziger Roggen- und ein intensiv getreidiger Urdinkel-Whisky hinzugekommen. Am Anfang habe er viel Lehrgeld zahlen müssen, erzählt Lüthy. Der Anbau der Braugerste habe zwar gut geklappt, «aber ich hatte Null Erfahrung im Mälzen». Eine moderne Trommelmälzerei konnte sich Lüthy nicht leisten, die kostet mehrere hunderttausend Franken. Also begann er mit der traditionellen Tennenmälzerei zu experimentieren. Dabei wird das Getreide zuerst ein bis zwei Tage gewässert und danach in einer 10 bis 15 Zentimeter hohen Schicht im Tenn auf dem Boden ausgebreitet. Damit das feuchte Getreide gleichmässig keimt, muss es zweimal täglich während mehrerer Tage mit der Schaufel umgewälzt werden. Hat das Getreide genug gekeimt, wird es gedarrt, also durch Hitze getrocknet. Beim Mälzen entstehen in den Körnern Enzyme, die nachher in der Maische die Stärke in Zucker umwandeln, den es zur Gärung braucht. 800 Kilogramm Malz produziert Lüthy in einem Umgang, daraus entsteht beim Brennen ein Barrique voll Alkohol (rund 225 Liter). Lüthy brennt in vier unterschiedlich grossen, dampfbeheizten Kesseln mit insgesamt 800 Liter Fassungsvermögen. Damit kann er gleichzeitig vier verschiedene Schnäpse brennen. Auf das Fass kommt es an Mindestens drei Jahre und ein Tag muss ein Whisky im Eichenfass reifen, damit er als Whisky verkauft werden darf. Für die Fassreifung verwendet Lüthy gebrauchte Weinfässer, Ex-Bourbonfässer und neue Eichenfässer, die er in der Schweiz küfern lässt. Erst im Fass erhält ein Whisky seine Farbe und einen Grossteil seiner Aromen. «Die Fassreifung macht über die Hälfte des fertigen Whiskys aus», sagt Lüthy. Wie ein Whisky am Ende schmecken wird, lasse sich nicht mit Bestimmtheit sagen. «Es gibt keine zwei gleichen Fässer auf der Welt.» Umso wichtiger sei es deshalb, den Whisky alle drei bis vier Monate zu prüfen. Gehe die Entwicklung nicht in die gewünschte Richtung, könne man den Whisky in ein anderes Fass umfüllen. Den Reiswhisky gibts frühestens 2021 Für seine neuste Whiskykreation hat sich Lüthy auf Neuland gewagt: ein Single Malt aus gemälztem Reis. «Reiswhisky ist extrem selten, den gibts höchstens in Japan und Thailand, wobei er in Thailand zur Hauptsache aus Zuckerrohrmelasse statt Reis hergestellt wird», erklärt Lüthy. Als Rohstoff kam für ihn nur Schweizer Reis in Frage, er bezieht ihn aus dem Tessiner Maggiadelta. Dazu benötige er nicht den polierten Reis, wie er in der Küche verwendet wird, sondern ungeschliffenen Reis mit Silberhäutchen. «Sonst wäre der Keim verletzt und der Reis könnte nicht gemälzt werden.» Der Schweizer Reis-Whisky reift zurzeit noch in den Fässern heran, frühestens 2021 ist er verkaufsbereit. «Ich bin gespannt, wie er bei den Leuten ankommt», sagt Lüthy. Auch den Reis-Whisky kontrolliert er regelmässig. «Wir sind auf gutem Weg», ist Lüthy überzeugt. Zuckerrüben statt Zuckerrohr Lüthy ist bekannt für seinen Whisky, aber er experimentiert auch gerne. Ein Bekannter setzte ihm den Floh ins Ohr, es doch mal mit Rum zu probieren. «Rum wird aus Zuckerrohr hergestellt, aber ich wollte einen Schweizer Rohstoff verwenden.» So kam er auf die Idee, statt der Melasse aus Zuckerrohr jene aus Zuckerrüben zu verwenden. Die Melasse fällt als Nebenprodukt bei der Zuckerproduktion an und endet häufig als Tierfutter. 2013 fing er an, zu experimentieren. Für die Gärung der Melasse habe er 20 verschiedene Hefen ausprobieren müssen, sagt Lüthy. Doch am Schluss hatte er einen Schnaps, der wie Rum schmeckte. Da laut Lebensmittelverordnung nur Schnaps aus Zuckerrohr Rum heissen darf, hat Lüthy seinen Brand kurzerhand «andersRum» genannt. Anders als bei einem weissen Rum üblich, hat Lüthy seinen Zuckerrüben-«Rum» vier Jahre lang im Barrique gelagert. Die Mühen haben sich gelohnt. Bei der nationalen Spirituosenprämierung 2019 hat Lüthy mit seinem «andersRum» eine Goldmedaille geholt. «Dass ich mich mit einem Rum aus Schweizer Rohstoffen gegen Rum aus Zuckerrohr behaupten konnte, macht mich sehr stolz.» Ein Schnaps aus Randen? Ein «paar wenige Tausend Liter» Alkohol produziert Lüthy heute pro Jahr. «Genug, um über die Runden zu kommen», wie er sagt. Seine Schnäpse verkauft er zum grössten Teil im eigenen Hofladen oder verschickt sie auf Bestellung per Post. Ausserdem haben ein paar Whiskyläden seine Whiskys im Angebot. Dieses Jahr will Lüthy auf seiner Website einen Webshop aufschalten, der das Bestellen einfacher machen soll. Die Produktion möchte er weiter steigern und auch weitere Wiederverkäufer finden. Lüthy wälzt auch bereits Ideen für neue Schnäpse. «Gemüsebrände wären interessant», sagt er. Gemüsebrände? Tomaten, Randen, Rüebli, Zwiebeln – alle zuckerhaltigen Gemüse eigneten sich zum Brennen, erklärt er. Die Gemüsebrände seien dabei nicht in erster Linie als Trinkschnäpse gedacht, sondern zum Aromatisieren von Speisen in der gehobenen Gastronomie. «Mit dem Zerstäuber ein paar Spritzer Randenschnaps auf den Salat und man hat das volle Randenaroma – und kann nachher trotzdem noch getrost mit dem Auto nach Hause fahren.» www.brennerei-luethy.ch stephan.moser@rubmedia.ch


