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Food Fraud – Eine globale Herausforderung

Das Phänomen Food Fraud verbreitet sich immer mehr. Fälschungen oder Veränderungen von Lebensmitteln können mit den geeigneten Analysemethoden aufgedeckt werden.

Lebensmittel bestimmter Herkunft oder Produktionsweise erfreuen sich steigender Beliebtheit. Kaltgepresstes Kalamata Olivenöl, Rindfleisch aus Argentinien, Parmigiano Reggiano, jamaikanischer Blue Mountain Kaffee, Manuka­honig aus Neuseeland oder Cabernet Sauvignon aus Südafrika sind einige Beispiele. Findet sich auf dem Etikett noch ein Biosiegel, können zudem höhere Premiumpreise erzielt werden. Internationale Operationen wie OPSON haben wiederholt aufgezeigt, dass Premium- und auch Massenprodukte in grossem Umfang gefälscht und auf den Markt gebracht werden. Häufig machen sich Verfälscher die komplexen, internationalen Liefernetze zunutze, wie beispielsweise beim Pferdefleischskandal im Jahr 2013 aufgezeigt wurde. Verfälschung ist dabei nicht gleich Verfälschung, sie kann verschiedene Gesichter tragen. Was ist Food Fraud? Als allgemein anerkannt gilt die Beschreibung von Lebensmittelbetrug, beziehungsweise «neudeutsch» Food Fraud, als ein ab­­sichtlicher Verstoss gegen das Lebensmittelgesetz, wobei ein wirtschaftlicher Gewinn durch Verbrauchertäuschung erzielt wird. Es müssen vier Schlüsselkriterien zutreffen:

  • Verstoss gegen das Lebensmittel­recht Vorsätzlichkeit der Tat Wirtschaftlicher Vorteil Täuschung des Verbrauchers
Im Mittelpunkt steht die Gelegenheit zum Betrug. Ein Verfälscher erkennt diese, wägt die Hindernisse ab, die beispielsweise in Form von Gesetzen, Kontrollen (Stichwort: Entdeckungswahrscheinlichkeit) und möglichen Strafen auftreten und maximiert seinen eigenen Vorteil, welcher schliesslich zum Nachteil des Opfers führt. Ein Verfälscher muss dabei nicht unbedingt eine Einzelperson sein. In der Vergangenheit wurde deutlich, dass hinter Lebensmittelbetrug häufig bandenmässige Kriminalität steckt. Auch beim Opfer muss es sich nicht um eine Einzelperson, zum Beispiel Konsumenten, handeln. Auch hier kann eine Firma zum Opfer werden, wenn diese unwissentlich verfälschte Ware einkauft und in ihren Produkten verarbeitet. International unterscheiden sich die Begriffe zum Teil. Das, was in der Schweiz und Europa unter «Food Fraud» verstanden wird, nennt man beispielsweise in den USA «Economically Motivated Adulteration (EMA)» und ist zu unterscheiden von der «Intentional Adulteration (IA)», also der absichtlichen Verfälschung. Unter letztere fallen zum Beispiel auch Antibiotikarückstände, da diese dem Tier ja absichtlich («intentional») verabreicht wurden. Dieser Umstand bietet natürlich reichlich Potenzial für Verwirrungen bei der Kommunikation über den grossen Teich. Zum besseren Verständnis des Sachverhalts ist es zudem sinnvoll, den Begriff Lebensmittel­betrug von anderen Verstössen gegen das Lebensmittelgesetz ab­­zugrenzen. Diese lassen sich in die vier Kategorien Food Quality, Food Defense, Food Safety und Food Fraud unterteilen (Abb. 1: Food Risk Matrix, Spink, et al., 2011). Verstösse in den verschiedenen Kategorien unterscheiden sich hinsichtlich der Motivation des Akteurs sowie seiner Intention.
  •  Lebensmittelqualität: Die Pro­fitmaximierung ist die Motivation, eine hohe Lebensmittelqualität zu erzielen. Verstösse in diesem Bereich sind entsprechend unbeabsichtigt.
  • Lebensmittelsicherheit: In diesem Fall besteht die Motivation daraus, insbesondere eine gesundheitliche Schädigung des Verbrauchers zu vermeiden. Da Verstösse für den Inverkehrbringer einen wirtschaftlichen Verlust darstellen, sind Fälle in dieser Kategorie ebenfalls unbeabsichtigt.
  • Produktschutz: Der Produkt­schutz befasst sich u. a. mit dem Schutz vor gesundheitlicher und wirtschaftlicher Schädigung. Im Gegensatz zur Lebensmittelsicherheit wird hier aber von einer absichtlichen Handlung ausgegangen, wie sie erpresserischen oder terroristischen Akten zugrunde liegen.
  • Lebensmittelbetrug: Hier ist die Motivation die Maximierung des Profits, allerdings nicht durch gleichzeitige Maximierung der Produktqualität, sondern durch unlautere Mittel. Es liegt also eine absichtliche Handlung vor, die in finanziellem Schaden der Betrogenen resultiert. Meist bewirken Fälle dieser Kategorie ausschliesslich monetären Schaden, in einigen Fällen kann aber durchaus auch die Lebensmittelsicherheit zum Thema werden, wie z. B. bei der Verfälschung von Säuglingsnahrung mit Melamin vor einigen Jahren in China.
Welche Matrizes sind betroffen? Wo immer sich eine Gelegenheit bietet, den Profit zu erhöhen bei gleichzeitig niedriger Wahrscheinlichkeit, entdeckt zu werden, ist mit Verfälschungen in der einen oder anderen Form zu rechnen. Die «Hitlisten» unterscheiden sich geringfügig, je nachdem, welche Datenbank zugrunde gelegt wird. Für Abbildung 2 wurden Daten aus der Food Fraud Datenbank der USP (mittlerweile Decernis) herangezogen. Am häufigsten handelt es sich um eine Verfälschung durch Austausch einer wertgebenden Zutat. Beispiele hierfür sind Sirup in Honig oder Fremdöle in Olivenöl. Auch eine Verschleierung von Defekten auf frischen Früchten mittels (u. U. gesundheitsschädlichen) Farbstoffen ist eine Art der Verfälschung. Weitere Beispiele für Verfälschungen sind:
  • Die bewusste Falschkennzeichnung, wie die Änderung des Mindesthaltbarkeitsdatums oder auch Bio-Kennzeichnung auf konventionell erzeugten Produkten.
  • Der Verkauf von überschüssiger Ware auf inoffiziellen Wegen (z. B. bei Überschreitung einer Fischfangquote).
  • Künstliche Änderung qualitätsbestimmender Parameter mit z. T. gesundheitsschädlichen Substanzen, wie beim Melamin-Skandal vor einigen Jahren.
  • Fälschung eines bekannten Premium-Produktes, häufig mit geschützter Ursprungs­bezeichnung oder Angabe der geografischen Herkunft, mit minderwertigen Rohstoffen bzw. Rohstoffen anderer Herkünfte.
Eine umfangreiche Übersicht über Food Fraud und Definitionen in diesem Bereich gibt das CEN Workshop Agreement (CWA) 17369:2019. Wie kann ich mich schützen? Die Palette verfälschter Produkte ist sehr breit. Häufig sind vergleichsweise hochpreisige Produkte betroffen, dennoch darf man Produkte aus der Massenproduktion nicht ausser Acht lassen. Zunächst muss man sich die aktuelle Lage in objektiver Weise be­­wusst machen. Dies geschieht am besten durch eine Schwachstellenanalyse (VACCP, Vulner­ability Assessment Critical Con­-trol Point). Betriebe, die nach IFS, BRC oder vergleichbaren Standards zertifiziert sind, müssen dies ohnehin durchführen, da dies von den Le­­bensmittelstandards gefordert wird. Bei der Schwachstellenanalyse werden verschiedene Schritte der Lieferkette und auch interne Prozesse begutachtet und hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit des Auftretens einer Verfälschung bewertet. Auf diese Weise können Schwachstellen identifiziert werden, für die anschliessend eine Vermeidungsstrategie entwickelt und umgesetzt wird. Diese kann z. B. eine erhöhte Anzahl von Audits bei den Lieferanten vorsehen oder auch die Prüfung der Produkte durch Laboranalytik. Im Rahmen einer Schwachstellenanalyse werden u. a. Produkte hinsichtlich einer möglichen Wahrscheinlichkeit der Verfälschung bewertet. Hilfreich ist hier der Einsatz von Datenbanken, die bekannte Fälle von Food Fraud und auch andere Informationen enthalten können. Zum Teil sind diese Datenbanken jedoch kostenpflichtig (z. B. Decernis Food Fraud Database, Horizon­Scan), es gibt aber auch frei verfügbare Quellen (RASFF, monatlich veröffentlichte JRC Food Fraud Reports, Food Fraud Risk Information von foodfraudadvisors.com). Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass eine Schwachstellenanalyse keine einmalige Sache ist, sondern vielmehr regelmässig durchgeführt werden muss. Wie kann die Analytik unterstützen? Der analytische Nachweis der Authentizität bzw. einer Verfälschung ist meist sehr anspruchsvoll, da in vielen Fällen nicht bekannt ist, wie und womit das Produkt verfälscht wurde. Plumpe Verfälschungen können z. T. sogar schon mit sensorischen Mitteln, also z. B. Geruch und Geschmack, erkannt werden. Meist ist dies jedoch deutlich schwieriger. Das TCF² verfügt über ein globales Netzwerk an Tentamus­laboren, die über die neueste Technologie und das notwendige Knowhow verfügen, um Fragestellungen im Bereich Food Fraud mittels modernster Analytik zu beantworten. Dabei kommen verschiedene Techniken zum Einsatz:
  • -Isotopen-Verhältnis-Massenspektrometrie (IRMS): Mit dieser Technik werden die Verhältnisse verschiedener Isotopen zueinander ermittelt. Meist kommen hierfür die Isotopen des Kohlenstoffs (13C/12C), Wasserstoffs (2H/1H), Stickstoffs (15N/14N), Sauerstoffs (18O/16O) sowie Schwefels (34S/32S) zum Einsatz. Der Vergleich mit Referenzproben ermöglicht dann die Unterscheidung geographischer Herkünfte zum Beispiel von Gemüse. Ferner ist es möglich, Bio-Ware von konventionell erzeugten Produkten zu unterscheiden (z. B. Schweinefleisch, Rindfleisch, Gemüse). Das Kohlenstoffisotopenverhältnis lässt Rückschlüsse auf Ver­fälschung von Honig mit Mais- oder Zuckerrohrsirup zu. Auch die Unterscheidung von natürlichem Vanillin aus der Vanille-Schote von biotechnologisch oder synthetisch produziertem Vanillin ist hiermit möglich.
  • Hochauflösende Massenspektrometrie (HRMS): Die hochauflösende Massenspektrometrie, meist gekoppelt an die Flüssigchromatographie (LC), ermöglicht ebenfalls die Analyse einer Vielzahl verschiedener Substanzen, die einen «Fingerabdruck» der Probe ergeben. Ein Vergleich mit Referenzmustern ergibt Aufschluss über mögliche Verfälschungen des Produktes. Ausserdem ist es möglich, mittels HRMS Verfälschungsmarker zu identifizieren, die dann anschliessend in die klassische Triple-Quadrupol-Massenspektrometrie (LC-MS/MS) portiert werden können. Aktuell wird die HRMS vorwiegend bei Honig angewendet, ist jedoch auch für Obst und Öle denkbar.
  • Fourier-Transform-Infrarotspektroskopie (FT-IR): Auch diese Technik kann zur Erstellung eines «Fingerabdrucks» herangezogen werden. Zum Vergleich dient eine Datenbasis verschiedener authentischer Referenzproben. Abweichungen von den Referenzproben deuten, je nach Fragestellung, auf eine Verfälschung hin. Ferner ist es möglich, identifizierte Substanzen zu quantifizieren. FT-IR wird z. B. in der Analytik von Milch eingesetzt.
  • Next Generation Sequencing (NGS): Diese molekularbiologische Methode ermöglicht es, in Gemischen die vorhandene DNS zu analysieren und mittels Ab­­gleich mit einer Datenbank die Art bzw. die Arten zu bestimmen, aus denen die DNS stammt. Dies funktioniert sowohl für Produkte von Wirbeltieren als auch für Landpflanzen. Ein Anwendungsbeispiel wäre die Prüfung von Oregano auf Verfälschung mit Fremdpflanzen (Olivenblätter, Sumach, usw.). Sie kommt auch bei komplexen Matrices wie Gewürz- und Teemischungen, sowie Fleischzubereitungen zum Einsatz.
  • Kernspinresonanzspektroskopie (NMR): Zu Beginn in erster Linie zur Identifizierung chemischer Reinsubstanzen genutzt, fand diese Technik vor einigen Jahren Einzug in die Lebensmittelanalytik. Es wird eine Vielzahl unterschiedlichster Substanzen gleichzeitig erfasst, die einen umfassenden «Fingerabdruck» der Probe ergeben. Durch den Vergleich mit Referenzproben können Abweichungen ausfindig gemacht werden, die, je nach Fragestellung, dazu verwendet werden können, eine Verfälschung hinsichtlich der Inhaltsstoffe oder auch der geographischen oder botanischen Herkunft nachzu­weisen. Das Honey-Profiling™, das massgeblich durch die QSI GmbH, Bremen, in Kooperation mit dem Gerätehersteller Bruker GmbH, Rheinstetten, entwickelt wurde, nutzt die NMR-Techno­logie und ermöglicht die Erkennung von Verfälschungen von Honig mit Zuckersirupen und liefert auch Informationen zur geographischen und botanischen Herkunft des Honigs. Ausserdem eignet sich NMR zum Vergleich unterschiedlicher Batches des gleichen Produktes oder auch zum Vergleich eines Vormusters aus dem Ursprungsland eines Produktes mit der gelieferten Ware am Zielort.
  • «Klassische» Massenspektrometrie (GC-MS, LC-MS): Diese Technik ist bereits in der Analytik von Rückständen und Kontaminanten etabliert, wie z. B. Pestiziden, Antibiotika und Pyrrolizidinalkaloiden. Sie eignet sich hervorragend u. a. dafür, Verfälschungsmarker, die zuvor mittels eines nicht-zielgerichteten Ansatzes, wie z. B. HRMS, ermittelt wurden, mit hoher Empfindlichkeit bei hohem Probendurchsatz zu erfassen. So gibt es verschiedene Parameter, die in Olivenöl mit dieser Technik zielgerichtet gemessen werden können und deren Anwesenheit oder Über- bzw. Unterschreitung eines definierten Wertes auf eine Verfälschung hinweist. In Zimt liefert der Parameter Cumarin einen Hinweis auf die Herkunft. Ferner werden auch Marker für Zuckersirup-Zumischungen zu Honig analysiert, die charakteristisch z. B. Reis- oder Rübenzuckersirup sind. Diese Liste ist natürlich nicht vollständig. Es kommen, je nach Produkt, noch weitere Methoden zum Einsatz. Dafür werden viele verschiedene weitere Technologien eingesetzt.
  • BlockchainGerne wird im Zusammenhang mit Food Fraud auch der Begriff «Blockchain» genannt. Gleich vorweg: hierbei handelt es sich NICHT um die ultimative Lösung des Problems Food Fraud. Die Blockchain ist eine gemeinsam genutzte Datenbank, bei der Verbraucher und Lieferant einer Transaktion direkt miteinander verknüpft werden. Die Blockchain ist eine Kette aus verschiedenen «Transaktionsblöcken», also eine Art digitales Register, das Trans­aktionen zwischen zwei Parteien aufzeichnet. Der Vorteil der Blockchain liegt in ihrer extrem hohen Fälschungssicherheit. Einmal eingetragene Daten können praktisch nicht wieder geändert werden. Ausserdem ist jeder Eingriff in die Blockchain rückverfolgbar. Eine Blockchain allein kann jedoch nicht sicherstellen, dass die in ihr enthaltenen Daten alle integer sind. Hier ist nach wie vor der Mensch zuständig, der dafür Sorge tragen muss, dass alle in der Blockchain gespeicherten Daten korrekt sind und diese auch korrekt eingetragen werden. Ist dies der Fall, sind die Daten jedoch nahezu fälschungssicher. Derzeit ist zu beobachten, dass immer mehr Lebensmittelunternehmen Blockchain-Projekte in Angriff nehmen. Walmart war hier Vorreiter mit einer Blockchain für Mangos. In diesem Pilotprojekt wurde es Konsumenten ermöglicht, durch einlesen eines auf dem Produktetikett gedruckten QR-Codes mit dem Mobiltelefon Einsicht in die Lieferkette bis hin zum Produzenten zu erlangen. Den Möglichkeiten sind hier kaum Grenzen gesetzt. Wer sich intensiver mit der Blockchain-Technologie be­­fasst, stösst früher oder später auch auf den Begriff «Smart Contract». Gemeint ist die automatische Prüfung des Eintretens zuvor zwischen zwei Parteien ausgehandelter (juristisch bindender) Konditionen. Zum Beispiel kann eine Lieferung zunächst durch Labortests hinsichtlich vertraglich vereinbarter Spezifikationen überprüft werden, die Laborergebnisse werden anschliessend automatisch überprüft, die Lieferung automatisch freigegeben und die Zahlung der Lieferung automatisch durchgeführt. Im Hinblick fortschreitender Automation und Industrie 4.0 ist es sicherlich nicht verkehrt, dieses Thema im Auge zu behalten.
  • *Autor: Arne Dübecke, Leiter Tentamus Center for Food Fraud info.ch@tentamus.com

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