14.03.2024
Food Fraud – Eine globale Herausforderung
Das Phänomen Food Fraud verbreitet sich immer mehr. Fälschungen oder Veränderungen von Lebensmitteln können mit den geeigneten Analysemethoden aufgedeckt werden.
Lebensmittel bestimmter Herkunft oder Produktionsweise erfreuen sich steigender Beliebtheit. Kaltgepresstes Kalamata Olivenöl, Rindfleisch aus Argentinien, Parmigiano Reggiano, jamaikanischer Blue Mountain Kaffee, Manukahonig aus Neuseeland oder Cabernet Sauvignon aus Südafrika sind einige Beispiele. Findet sich auf dem Etikett noch ein Biosiegel, können zudem höhere Premiumpreise erzielt werden. Internationale Operationen wie OPSON haben wiederholt aufgezeigt, dass Premium- und auch Massenprodukte in grossem Umfang gefälscht und auf den Markt gebracht werden. Häufig machen sich Verfälscher die komplexen, internationalen Liefernetze zunutze, wie beispielsweise beim Pferdefleischskandal im Jahr 2013 aufgezeigt wurde. Verfälschung ist dabei nicht gleich Verfälschung, sie kann verschiedene Gesichter tragen. Was ist Food Fraud? Als allgemein anerkannt gilt die Beschreibung von Lebensmittelbetrug, beziehungsweise «neudeutsch» Food Fraud, als ein absichtlicher Verstoss gegen das Lebensmittelgesetz, wobei ein wirtschaftlicher Gewinn durch Verbrauchertäuschung erzielt wird. Es müssen vier Schlüsselkriterien zutreffen:
- Verstoss gegen das Lebensmittelrecht Vorsätzlichkeit der Tat Wirtschaftlicher Vorteil Täuschung des Verbrauchers
- Lebensmittelqualität: Die Profitmaximierung ist die Motivation, eine hohe Lebensmittelqualität zu erzielen. Verstösse in diesem Bereich sind entsprechend unbeabsichtigt.
- Lebensmittelsicherheit: In diesem Fall besteht die Motivation daraus, insbesondere eine gesundheitliche Schädigung des Verbrauchers zu vermeiden. Da Verstösse für den Inverkehrbringer einen wirtschaftlichen Verlust darstellen, sind Fälle in dieser Kategorie ebenfalls unbeabsichtigt.
- Produktschutz: Der Produktschutz befasst sich u. a. mit dem Schutz vor gesundheitlicher und wirtschaftlicher Schädigung. Im Gegensatz zur Lebensmittelsicherheit wird hier aber von einer absichtlichen Handlung ausgegangen, wie sie erpresserischen oder terroristischen Akten zugrunde liegen.
- Lebensmittelbetrug: Hier ist die Motivation die Maximierung des Profits, allerdings nicht durch gleichzeitige Maximierung der Produktqualität, sondern durch unlautere Mittel. Es liegt also eine absichtliche Handlung vor, die in finanziellem Schaden der Betrogenen resultiert. Meist bewirken Fälle dieser Kategorie ausschliesslich monetären Schaden, in einigen Fällen kann aber durchaus auch die Lebensmittelsicherheit zum Thema werden, wie z. B. bei der Verfälschung von Säuglingsnahrung mit Melamin vor einigen Jahren in China.
- Die bewusste Falschkennzeichnung, wie die Änderung des Mindesthaltbarkeitsdatums oder auch Bio-Kennzeichnung auf konventionell erzeugten Produkten.
- Der Verkauf von überschüssiger Ware auf inoffiziellen Wegen (z. B. bei Überschreitung einer Fischfangquote).
- Künstliche Änderung qualitätsbestimmender Parameter mit z. T. gesundheitsschädlichen Substanzen, wie beim Melamin-Skandal vor einigen Jahren.
- Fälschung eines bekannten Premium-Produktes, häufig mit geschützter Ursprungsbezeichnung oder Angabe der geografischen Herkunft, mit minderwertigen Rohstoffen bzw. Rohstoffen anderer Herkünfte.
- -Isotopen-Verhältnis-Massenspektrometrie (IRMS): Mit dieser Technik werden die Verhältnisse verschiedener Isotopen zueinander ermittelt. Meist kommen hierfür die Isotopen des Kohlenstoffs (13C/12C), Wasserstoffs (2H/1H), Stickstoffs (15N/14N), Sauerstoffs (18O/16O) sowie Schwefels (34S/32S) zum Einsatz. Der Vergleich mit Referenzproben ermöglicht dann die Unterscheidung geographischer Herkünfte zum Beispiel von Gemüse. Ferner ist es möglich, Bio-Ware von konventionell erzeugten Produkten zu unterscheiden (z. B. Schweinefleisch, Rindfleisch, Gemüse). Das Kohlenstoffisotopenverhältnis lässt Rückschlüsse auf Verfälschung von Honig mit Mais- oder Zuckerrohrsirup zu. Auch die Unterscheidung von natürlichem Vanillin aus der Vanille-Schote von biotechnologisch oder synthetisch produziertem Vanillin ist hiermit möglich.
- Hochauflösende Massenspektrometrie (HRMS): Die hochauflösende Massenspektrometrie, meist gekoppelt an die Flüssigchromatographie (LC), ermöglicht ebenfalls die Analyse einer Vielzahl verschiedener Substanzen, die einen «Fingerabdruck» der Probe ergeben. Ein Vergleich mit Referenzmustern ergibt Aufschluss über mögliche Verfälschungen des Produktes. Ausserdem ist es möglich, mittels HRMS Verfälschungsmarker zu identifizieren, die dann anschliessend in die klassische Triple-Quadrupol-Massenspektrometrie (LC-MS/MS) portiert werden können. Aktuell wird die HRMS vorwiegend bei Honig angewendet, ist jedoch auch für Obst und Öle denkbar.
- Fourier-Transform-Infrarotspektroskopie (FT-IR): Auch diese Technik kann zur Erstellung eines «Fingerabdrucks» herangezogen werden. Zum Vergleich dient eine Datenbasis verschiedener authentischer Referenzproben. Abweichungen von den Referenzproben deuten, je nach Fragestellung, auf eine Verfälschung hin. Ferner ist es möglich, identifizierte Substanzen zu quantifizieren. FT-IR wird z. B. in der Analytik von Milch eingesetzt.
- Next Generation Sequencing (NGS): Diese molekularbiologische Methode ermöglicht es, in Gemischen die vorhandene DNS zu analysieren und mittels Abgleich mit einer Datenbank die Art bzw. die Arten zu bestimmen, aus denen die DNS stammt. Dies funktioniert sowohl für Produkte von Wirbeltieren als auch für Landpflanzen. Ein Anwendungsbeispiel wäre die Prüfung von Oregano auf Verfälschung mit Fremdpflanzen (Olivenblätter, Sumach, usw.). Sie kommt auch bei komplexen Matrices wie Gewürz- und Teemischungen, sowie Fleischzubereitungen zum Einsatz.
- Kernspinresonanzspektroskopie (NMR): Zu Beginn in erster Linie zur Identifizierung chemischer Reinsubstanzen genutzt, fand diese Technik vor einigen Jahren Einzug in die Lebensmittelanalytik. Es wird eine Vielzahl unterschiedlichster Substanzen gleichzeitig erfasst, die einen umfassenden «Fingerabdruck» der Probe ergeben. Durch den Vergleich mit Referenzproben können Abweichungen ausfindig gemacht werden, die, je nach Fragestellung, dazu verwendet werden können, eine Verfälschung hinsichtlich der Inhaltsstoffe oder auch der geographischen oder botanischen Herkunft nachzuweisen. Das Honey-Profiling™, das massgeblich durch die QSI GmbH, Bremen, in Kooperation mit dem Gerätehersteller Bruker GmbH, Rheinstetten, entwickelt wurde, nutzt die NMR-Technologie und ermöglicht die Erkennung von Verfälschungen von Honig mit Zuckersirupen und liefert auch Informationen zur geographischen und botanischen Herkunft des Honigs. Ausserdem eignet sich NMR zum Vergleich unterschiedlicher Batches des gleichen Produktes oder auch zum Vergleich eines Vormusters aus dem Ursprungsland eines Produktes mit der gelieferten Ware am Zielort.
- «Klassische» Massenspektrometrie (GC-MS, LC-MS): Diese Technik ist bereits in der Analytik von Rückständen und Kontaminanten etabliert, wie z. B. Pestiziden, Antibiotika und Pyrrolizidinalkaloiden. Sie eignet sich hervorragend u. a. dafür, Verfälschungsmarker, die zuvor mittels eines nicht-zielgerichteten Ansatzes, wie z. B. HRMS, ermittelt wurden, mit hoher Empfindlichkeit bei hohem Probendurchsatz zu erfassen. So gibt es verschiedene Parameter, die in Olivenöl mit dieser Technik zielgerichtet gemessen werden können und deren Anwesenheit oder Über- bzw. Unterschreitung eines definierten Wertes auf eine Verfälschung hinweist. In Zimt liefert der Parameter Cumarin einen Hinweis auf die Herkunft. Ferner werden auch Marker für Zuckersirup-Zumischungen zu Honig analysiert, die charakteristisch z. B. Reis- oder Rübenzuckersirup sind. Diese Liste ist natürlich nicht vollständig. Es kommen, je nach Produkt, noch weitere Methoden zum Einsatz. Dafür werden viele verschiedene weitere Technologien eingesetzt.
- BlockchainGerne wird im Zusammenhang mit Food Fraud auch der Begriff «Blockchain» genannt. Gleich vorweg: hierbei handelt es sich NICHT um die ultimative Lösung des Problems Food Fraud. Die Blockchain ist eine gemeinsam genutzte Datenbank, bei der Verbraucher und Lieferant einer Transaktion direkt miteinander verknüpft werden. Die Blockchain ist eine Kette aus verschiedenen «Transaktionsblöcken», also eine Art digitales Register, das Transaktionen zwischen zwei Parteien aufzeichnet. Der Vorteil der Blockchain liegt in ihrer extrem hohen Fälschungssicherheit. Einmal eingetragene Daten können praktisch nicht wieder geändert werden. Ausserdem ist jeder Eingriff in die Blockchain rückverfolgbar. Eine Blockchain allein kann jedoch nicht sicherstellen, dass die in ihr enthaltenen Daten alle integer sind. Hier ist nach wie vor der Mensch zuständig, der dafür Sorge tragen muss, dass alle in der Blockchain gespeicherten Daten korrekt sind und diese auch korrekt eingetragen werden. Ist dies der Fall, sind die Daten jedoch nahezu fälschungssicher. Derzeit ist zu beobachten, dass immer mehr Lebensmittelunternehmen Blockchain-Projekte in Angriff nehmen. Walmart war hier Vorreiter mit einer Blockchain für Mangos. In diesem Pilotprojekt wurde es Konsumenten ermöglicht, durch einlesen eines auf dem Produktetikett gedruckten QR-Codes mit dem Mobiltelefon Einsicht in die Lieferkette bis hin zum Produzenten zu erlangen. Den Möglichkeiten sind hier kaum Grenzen gesetzt. Wer sich intensiver mit der Blockchain-Technologie befasst, stösst früher oder später auch auf den Begriff «Smart Contract». Gemeint ist die automatische Prüfung des Eintretens zuvor zwischen zwei Parteien ausgehandelter (juristisch bindender) Konditionen. Zum Beispiel kann eine Lieferung zunächst durch Labortests hinsichtlich vertraglich vereinbarter Spezifikationen überprüft werden, die Laborergebnisse werden anschliessend automatisch überprüft, die Lieferung automatisch freigegeben und die Zahlung der Lieferung automatisch durchgeführt. Im Hinblick fortschreitender Automation und Industrie 4.0 ist es sicherlich nicht verkehrt, dieses Thema im Auge zu behalten.
- *Autor: Arne Dübecke, Leiter Tentamus Center for Food Fraud info.ch@tentamus.com