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Integriertes Pest Management mit den Profis

Ein erfolgreiches IPM braucht gut geschulte und motivierte Mitarbeitende im Lebensmittelbetrieb und die partnerschaftliche Zusammenarbeit mit dem Experten für Schädlingsregulierung – auch bei Produktionsstillstand.

von Bettina Landau, Desinfecta AG/pd

Reismehlkäfer im Mehlsilo einer Industriebäckerei. Die Reismehlkäfer entwickeln und vermehren sich ungestört und werden mit dem Mehl unbemerkt in andere Produktionsan­lagen der Bäckerei verschleppt. (Bild zvg)
Wärmebehandlung in einer Mühle. Die Hitze treibt verschleppte Schädlinge wie z. B. Reismehlkäfer aus den Anlagen und tötet alle Entwicklungsstadien ab. Nach der Hitzebehandlung ist der Befall in den behandelten Produktionsräumlichkeiten und -anlagen auf null gesenkt.

Fall 1: In der Produktion stehen die Maschinen still, Kurzarbeit ist angesagt. Die Mitarbeiten­den ar­beiten nicht mehr rund um die Uhr in der Produktion. Die Rohwaren sind länger im Lager. Auch Reinigungsarbeiten werden weniger durchgeführt. Fall 2: Eine Produktionsanlage wurde vor sechs Monaten stillgelegt. Sie steht noch in den Produktionsräumlichkeiten, keiner fand Zeit, sie auseinanderzubauen oder sie zu reinigen. In beiden Fällen sind Produktereste im Inneren und unter den Maschinen zu finden. Motten flattern aus dem Lager und es krabbelt in den Maschinen.
Diese Szenarien könnten in abgewandelter Form durchaus vorkommen. Produktereste in An­lagen sind ein Nährboden für Reismehlkäfer & Co. Länger gelagerte Rohwaren – wie zum Beispiel Mehl, Nüsse, Kakao, etc. – sind ein Paradies für Motten. Wenn Motten, Reismehlkäfer und Konsorten sich dort ungestört paaren und ihre Larven unbemerkt schlüpfen und sich entwickeln, droht eine explosionsartige Vermehrung.
Gefahr durch Schädlinge droht immer dann, wenn mangelnde Hygiene in Produktion und Lager unerkannt bleiben und länger an­-
dauern – z. B. wenn wenig Überwachung und Monitoring stattfinden – oder wenn dringende bauliche und organisatorische Massnahmen im Lebensmittelbetrieb nur schleppend durchgeführt werden.

Integrated Pest Management

Die technische Lösung des Problems ist einfach. Sie lautet IPM – Integrated Pest Management. Das Prinzip von IPM ist leicht zu ­verstehen: Vorbeugung – Über­wachung – Bekämpfung. Vorbeugung und Überwachung haben Vorrang gegenüber einer Bekämpfung. Nur bei nachgewiesenem und akutem Schädlingsbefall wird bekämpft. Damit es nicht so weit kommt, braucht es eine konsequente Prävention und Überwachung – erst recht in Zeiten von Produktionsstillstand und bei ausgemusterten Anlagen. Schliesslich machen Schädlinge keine Produktionspausen und vermehren sich weiter.

Präventive Möglichkeiten – wie z. B. die regelmässige Tiefen­reinigung der Maschinen und Lager, die Eingangskontrollen der Roh­waren, dichtschliessende und engmaschige Insektengitter – sind den Lebensmittelbetrieben bekannt. Technische Lösungen für die Umsetzung von Monitoring und Bekämpfung im IPM sind alle auf dem Markt: Digitale Systeme für die Mottendetektion, ­Hitzebehandlungen zur Zyklus­unterbrechung, Mottenverwirrtechnik und Nützlinge zur Regulation der Mottenpopulation, etc. Was also läuft in den geschilderten Szenarien falsch?

Informationsfluss, Expertise, schnelle Reaktionszeiten

IPM wird durch Menschen geplant und durchgeführt. Meistens sind die Mitarbeitenden im Lebensmittelbetrieb verantwortlich für die Prävention, die Mitarbeitenden des Schädlingsbekämpfungsunternehmens für die Bekämpfung. Idealerweise überwachen sie ge­meinsam die Befallssituation im Betrieb: Die Mitarbeitenden des Lebensmittelbetriebs, indem sie gesichtete Schädlinge dem Ex­perten für Schädlingsregulierung (kurz ESR) melden, der ESR, in dem er die Monitoringfallen und visuellen Kontrollpunkte prüft
und den Lebensmittelbetrieb über die Befallssituation informiert. Zu­dem empfiehlt der ESR Nachbesserungen in der Hygiene und bauliche Massnahmen im Lebensmittelbetrieb, um die Prävention zu stärken. Falls notwendig, schlägt er Behandlungsmassnahmen vor.
In den zwei geschilderten Fällen wurden die Hygiene und die Überwachung bzw. das Monitoring vernachlässigt. Das Zusammenspiel zwischen Lebensmittelbetrieb und ESR passte nicht optimal. Jedoch sind gerade eine schnelle und transparente Kommunikation und die partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen den beiden Parteien entscheidend.

Ferner braucht es eine clevere Kombination von technischen Lösungen, die an die Situation im Lebensmittelbetrieb angepasst sind. Die erfolgreiche Schädlingsregulierung basiert selten auf der Anwendung einer einzigen Technologie, sondern kombiniert die richtigen Präventionsmöglichkeiten mit umfassendem Monitoring und – wenn nötig – mit einer wirkstoffarmen, rückstandsfreien und möglichst giftfreien Schädlingsbekämpfung.

Last but not least: Kurze und schnelle Reaktionszeiten sind unabdingbar – sowohl beim Schä­dlingsbekämpfungsunternehmen als auch beim Lebensmittelbetrieb. Ansonsten ist der Wettlauf mit dem Schädling verloren!

Der Mensch ist entscheidend
Das technische IPM braucht flankierende Massnahmen, damit es von den Menschen auch wirksam umgesetzt werden kann.
■ Gut geschulte, sensibilisierte Mit­arbeitende im Lebensmittelbetrieb in Sachen Schädlingsregulierung bringen mehr Verständnis für die empfohlenen Mass­nahmen auf und können besser bei der Schädlingsüberwachung mitmachen. Dadurch werden die Prävention und die Befallsüberwachung verbessert, so dass die Verschleppung der Schädlinge im Betrieb geringer ist.
■ Das Training effektiver Reinigung der Produktionsanlagen sorgt für Erfolgsmomente bei den Produktionsmitarbeitenden. Wer arbeitet schon gern mit Schaben zusammen?
■ In Besprechungen des QS-Beauftragten mit dem ESR können gemeinsam Massnahmen zwecks Verbesserung der Prävention vereinbart und verfolgt werden. Das fördert die Zusammenarbeit und damit die konsequente Umsetzung der Massnahmen seitens der Mitarbeitenden des Lebensmittelbetriebs.
■ Ein digitales Kundenportal un­terstützt die transparente Dokumentation der Dienstleistung und die Rückverfolgbarkeit der Massnahmenumsetzung.

Natürlich ist auch die Bereitschaft des Auftraggebers, finanzielle Mittel zur Präventionsverbesserung im eigenen Betrieb bereitzustellen, fundamental für ein erfolgreiches Zusammenspiel vom Lebensmittelbetrieb und dem ESR. Ansonsten bleibt es nur bei den guten Absichten.

Fazit

Die konsequente Umsetzung von IPM, gut geschulte, motivierte Mitarbeiter und die partnerschaftliche Zusammenarbeit mit dem beauftragten ESR lohnen sich qualitativ und finanziell. Die Befallssituation verbessert sich nachhaltig durch die professionelle Unterstützung und Begleitung über die gesamte Produktionskette von der Lagerung, über die Produktion, bis zum Vertrieb. Das führt zu reduzierten Bekämpfungsmassnahmen, zu tieferen Produktverlusten und weniger Reklamationen.