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Warum Butterimporte die Emotionen hochkochen lassen

Per Juli 2020 werden 1000 Tonnen Butter in die Schweiz importiert. Gleichzeitig steigt der Butterpreis in den Läden und der Vorwurf steht im Raum, dass der Milchpreis sinkt. Da den Überblick zu behalten, ist nicht ganz einfach. Ein Versuch, etwas Ordnung in die komplexe Milchbüechli-Rechnung zu bringen.

«SMP und BO Milch lassen unsere Milchproduzenten im Stich!», schreiben die Bauernverbände Nidwalden, Obwalden und Uri in einem offenen Brief an die beiden Organisationen. Die ZMP senkt den Milchpreis auf den 1. Juli: Für die drei Innerschweizer Bauernverbände schlicht nicht nachvollziehbar. Schliesslich ist Schweizer Milch aktuell ein knappes Gut. «Millionen, die eigentlich für die Butterexporte bestimmt wären, werden zur Eiweissstützung umgelagert und freigegeben», schreiben die Verbände weiter und gehen auch mit dem Detailhandel hart ins Gericht: «In der gleichen Zeitspanne werden von unseren Detaillisten Butteraktionen durchgeführt». Dabei wäre doch eine Anhebung des Butterpreises aufgrund der aktuellen Marktsituation angemessener. Es könne doch nicht sein, dass die Dachorganisation, die Schweizer Milchproduzenten (SMP), Forderungen und Auflagen stelle («Grüner Teppich», siehe Box) und auf der anderen Seite Importe von Butter und weiteren Produkten fast ohne Auflagen zulasse. Stimmen die Vorwürfe? Was ist gemeint mit Eiweissstützungen und fehlenden Auflagen? Um diese Fragen beantworten zu können, gilt es zuerst die zentralen Abläufe, Ströme und Mechanismen der Milch-Wertschöpfungskette in der Schweiz zu verstehen. Milchseen sind längst passé In der Schweiz gibt es zwar grundsätzlich genügend Milch, doch fällt seit einiger Zeit kein oder kaum Überschuss mehr an. Dieser floss jeweils in das sogenannte C-Segment (siehe Grafik Milchpreise), was heisst, dass diese Milch zu Butter und Milchpulver verarbeitet wird. Diese Produkte werden anschliessend exportiert. Für diese C-Segmentmilch erhalten Milchbauern nur sehr wenig Geld, nur etwas über 20 Rappen pro Kilogramm. Da aber aktuell in der Schweiz keine Milch übrigbleibt, um diesen Kanal zu bedienen, fällt dieses Segment weg. Milch fliesst also einerseits ins A-Segment, was bedeutet, dass aus dieser Milch Produkte mit hoher Wertschöpfung entstehen, die vom Bund geschützt oder gestützt werden. Der Rest der Milch andererseits fliesst in die Produktgruppen des B-Segments und wird zu Milchprodukten mit eingeschränkter Wertschöpfung verarbeitet oder wird als Industriemilch verkäst, beispielsweise zu Raclette-Käse. 2019 flossen etwa 70% der Molkereimilch ins A-Segment, knapp 30% ins B-Segment. Aktuell sind aufgrund des wegfallenden C-Segmentes also nur die Milchpreise der beiden Segmente A und B für die Milchbauern ausschlaggebend. Der Milchpreis-Richtpreis im A-Segment liegt schon seit September 2019 stabil bei 71 Rp/kg. Dieser Preis wird jeweils quartalsmässig aufgrund der bisherigen Preisentwicklung und der zukünftigen Markteinschätzung festgelegt und gibt wenig Anlass zu Diskussionen. Bei diesem Segment sind bei der Einhaltung der Auflagen durch den «grünen Teppich» (Box) pro Kilogramm Milch 3 Rappen für den Produzenten mitenthalten. Unumgängliche Milchpreissenkung Zu reden gibt also vor allem der B-Segment-Milchpreis. Dieser ist auch Auslöser für eine Milchpreissenkung per 1. Juli wie die drei Anfangs erwähnten Bauernverbände ihn erwähnen. Die Produzentenorganisation dieser Region ist die Genossenschaft Zentralschweizer Milchproduzenten ZMP, welche den Milcheinkauf und den Milchverkauf für ihre Mitglieder wahrnimmt. «Rund ein Drittel der ZMP-Milch fliesst ins B-Segment. Der Preis dieses Segments ist direkt an die internationale Preisentwicklung gekoppelt», sagt Carol Aschwanden, Kommunikationsleiterin und Mitglied der Geschäftsleitung bei der ZMP. Und diese zeigt schon eine ganze Weile gegen unten. Gründe dafür sind eine international tiefere Milchnachfrage aufgrund der Covid-19-Pandemie, stark gesunkene Preise beim Magermilchpulver sowie ein gesunkener «Kieler Rohstoffwert», ein Frühindikator für die Milchpreisentwicklung in Deutschland. So war ein sogenannter «Corona-Knick» bei diesem Indikator bereits im Februar erkennbar. Darauf hat die BOM in der Schweiz im März reagiert: der Richtpreis im B-Segment sank. Andere Milchverarbeiter hätten den Milchpreis bereits vor einigen Wochen gesenkt, sagt Aschwanden, die ZMP habe damit noch zugewartet, weil insbesondere die Gebiete der Urkantone grossen saisonalen Schwankungen der Milchmenge unterliegen. «Eine Milchpreissenkung im April oder Mai wie sie andere Milchverarbeiter vorgenommen haben, wäre zwar aufgrund der Unterdeckung im Milchgeschäft angezeigt gewesen, sie hätte aber die Milchproduzenten in dieser Region zusätzlich zu den saisonalen Abzügen geschmerzt», sagt Aschwanden. «Die Marktprognose der BO Milch zeigt bei den Milchpreisen wieder nach oben. Unsere Preissenkung war eine verzögerte Senkung», ergänzt sie. Die ZMP würden davon ausgehen, dass die Preise bald wieder erhöht werden können, wenn nicht noch etwas Unvorhergesehenes auf den Märkten passiere. Milchfett statt Palmöl An Butterimporten hätten die ZMP grundsätzlich ebenfalls keine Freude, sagt Carol Aschwanden. Doch sei der Milchfettverbrauch in den letzten Monaten stark angestiegen. Dies, weil mehr Käse produziert worden sei und die Industrie immer häufiger Milchfett statt Palmöl beispielsweise bei der Glacé-Produktion einsetzen würde. Milchfett ist also ein begehrtes und knappes Gut, die Butterlager in der Schweiz werden allem Anschein nach im Herbst leer sein (siehe Grafik Butterlager). Das hat die BO Butter dazu bewogen den Butterpreis im Detailhandel um 50 Rappen anzuheben. Heisst für die Milchproduzenten: Sie erhalten 0,6 bis 1 Rappen pro Kilogramm Milch mehr. Durch diese Mehreinnahmen fallen insgesamt etwa CHF 18,5 Mio. an, welche – so die Vereinbarung in der BOM – zu den Produzenten weiterfliessen sollen. Jetzt ist das mit der Transparenz im Milchmarkt so eine Sache und viele fragen sich: Wird dieses Geld wirklich an die Milchbauern weitergegeben? Warum sinkt dann der Milchpreis per 1. Juli? «Der Anstieg beim Butterpreis hat bei den Landwirten hohe Erwartungen geweckt», sagt Stefan Kohler, Geschäftsführer der BOM. Wie bereits erwähnt, ist der Milchpreis auf den europäischen Märkten aufgrund der Covid-Pandemie gesunken, so, dass die Preissenkung die Preiserhöhung des Butterpreises oft übersteigt. «Die Mehreinnahmen bei der Butter gehen nur an die Milchproduzenten, deren Milch in die Butterproduktion einfliesst», sagt Reto Burkhardt, Leiter Kommunikation bei den SMP. Wenn ein Landwirt also eine gewisse Milchmenge beim Verarbeiter abliefert und davon nur 20 Prozent in die Butterproduktion fliessen, erhält er auch nur auf diesen 20 Prozent einen höheren Preis. Der Rest ist dem gesunkenen Milchpreis unterworfen. Das erweckt auf den ersten Blick eine Art Unlogik, da Milch ein gefragtes Gut ist und Butter noch mehr. Trotzdem haben die Milchbauern am Schluss weniger Geld in der Tasche, unter anderem, weil aufgrund der Covid-19-Pandemie der Käseexport – letztlich ein Luxusgut – gelitten hat. Daran ist gut erkennbar wie komplex dieser Markt funktioniert. Undurchsichtige Abzüge Die drei Bauernverbände, die sich erbost an BOM und SMP gewandt haben, schreiben, dass für Butterexporte bestimmtes Geld zur Eiweissstützung umgelagert und freigegeben würde. Was bedeutet dieser Vorwurf genau und stimmt er? Seit dem 1.1.2019 ist die Nachfolgeregelung für das «Schoggigesetz» in Kraft (siehe Infografik). Heisst: Der Bund zahlt den Landwirten 4,5 Rappen/Kilogramm Milch. Dieses Geld zieht die BOM zu unterschiedlichen Anteilen für ihre beiden Fonds ein. So fliessen 80 Prozent davon (3,6 Rp/kg) in den Fonds «Rohstoffverbilligung» und die restlichen 20 Prozent normalerweise (ca. 0,9 Rp/kg) in den Fonds «Regulierung». «Dieser zweite Fonds ist seit September 2019 voll. Das Geld bleibt also seither bei den Landwirten», sagt Stefan Kohler von der BOM. Der andere Fonds dient der sogenannten «Rohstoffverbilligung für die Nahrungsmittelindustrie». Damit beispielsweise Biscuit-Hersteller wie Kambly oder Hug die Butter für ihre exportierten Produkte in der Schweiz beziehen, wird ihnen aus diesem Fonds ein Preisausgleich gegenüber der ausländischen Butter bezahlt. Dieser Betrag wird von der BOM monatlich neu berechnet. «Dieser Betrag reicht jedoch nicht, um den gesamten Preisausgleich abzudecken». Der Rest wird unter den Biscuitherstellern, den Butterlieferanten und den Milchproduzenten ausgehandelt», sagt Kohler. Der Betrag, den die Milchbauern bezahlen, erscheint dann auf der monatlichen Milchabrechnung als «Abzüge». Diese Abzüge werden in der Fachsprache als vertikale Finanzierung bezeichnet. Für die Landwirte, die nur die Bezeichnung «Abzüge» sehen, ist es oft schwierig einzuschätzen, was damit genau gemeint ist und, ob die Abzüge gerechtfertigt sind. Das führt zu viel Misstrauen. Daher rührt auch die Vermutung der innerschweizerischen Bauernverbände, dass «Millionen, die eigentlich für die Butterexporte bestimmt wären, zur Eiweissstützung umgelagert und freigegeben würden». Ein Vorwurf, der laut Kohler jedoch nicht der Realität entspricht. «Es gibt zwar Überlegungen, die 0,9 Rappen/Kilogramm Milch, die aktuell bei den Landwirten bleiben, für eine Eiweissstützung umzulagern», sagt Kohler. Damit würde man den Butterherstellern und ihren Milchlieferanten bessere Bedingungen für die einheimische Butterherstellung schaffen und damit einen Beitrag leisten, die Selbstversorgung mit Schweizer Butter zu verbessern. «Doch sind wir von der Realisierbarkeit diese Idee noch weit entfernt. Weitere Butterimporte könnten folgen Weiter lautet der Vorwurf, es könne doch nicht sein, dass die Dachorganisation SMP Forderungen und Auflagen stelle und auf der anderen Seite Butterimporte fast ohne Auflagen zulasse. «Zu Beginn der Verhandlungen um die Butterimporte stand eine Menge von 3000 bis 4000 Tonnen zur Diskussion», sagt Reto Burkhardt von den SMP. «Dagegen haben wir uns gewehrt. Wir fanden auch 1000 Tonnen zu viel und haben stattdessen für einen ersten Schritt 500 Tonnen vorgeschlagen», sagt er. Denn aus Sicht der SMP solle zwar in den Läden Butter zum Kauf in den Regalen liegen, aber ein Überschuss an Importbutter sei zwingend zu vermeiden. Da die gesamte Situation aktuell vor allem auch aufgrund der Covid-Pandemie schwierig einzuschätzen sei, hätten sich die SMP für eine tiefere Importmenge eingesetzt. «Wir haben uns letztlich mit der geforderten Menge von 1000 Tonnen einverstanden erklärt. Aber nur unter der Bedingung, dass das Geld, das durch den höheren Butterpreis zusammenkommt, an die Produzenten fliesst», betont Burkhardt. «Die 1000 Tonnen Importbutter werden nicht ausreichen. Wir sind jedenfalls bereits in der Vorbereitung weiterer Gesuche ans BLW», sagt Stefan Kohler. Im Übrigen seien Butterimporte nicht per se etwas Negatives, solange man höherwertige Produkte exportiere. «Butter war schon immer ein Regulierprodukt auf dem Schweizer Milchmarkt», sagt Stefan Kohler. Schon immer habe man die Exportbutter für das Austarieren der Preis-Segmentierung genutzt. Doch geht das im schwer durchschaubaren Schweizer Milchmarkt nicht klar hervor. Und genau hier liegt ein weiterer Hund begraben. Denn wie kann in einem intransparenten Markt wie dem Schweizer Milchmarkt sichergestellt werden, dass die Butterhersteller – vor allem also Emmi, Cremo, Züger und Fuchs – diese CHF 18,5 Mio. auch wirklich an die Milchproduzenten weitergeben? «Das werden wir erst im Nachhinein mit Sicherheit sagen können», sagt Reto Burkhardt. Die SMP betreiben mit monatlichen Milchgeldabrechnungen aller Erstmilchkäufer ein systematisches Preismonitoring. So versucht die Dachorganisation zumindest etwas Transparenz zu schaffen. Dieses Preismonitoring ist immer erst mit einem bis zwei Monaten Verzögerung möglich. Da das Geld ab dem 1. Juli an die Produzenten weiterfliessen sollte, wird sich also erst Ende August, Anfang September zeigen, ob sich die Butterhersteller als faire Akteure gezeigt haben. Hier geht es zur Molkereimilch-Infografik als PDF. 

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