Fabio Andrea Cella: «Wir benennen die Inhaltsstoffe»
Der weltweit zweitgrösste Milchkonzern ist auch der grösste Produzent für pflanzliche Alternativprodukte. Fabio Andrea Cella, Chef von Danone Schweiz, findet, pflanzliche Alternativen sollten auch so benannt werden.

alimenta: Sie sind seit einem Jahr neuer Geschäftsführer bei Danone für die Schweiz, Österreich und Slowenien, aber schon seit 2006 bei Danone im Marketing aktiv. Welches waren die grundlegendsten Umstellungen für Sie?
Fabio Andrea Cella: Mein erstes Jahr als Country Manager war das aufregendste meiner Karriere. Ich bin auf ein talentiertes Team gestossen, was mir erlaubt hat, mich auf das Wachstum unserer starken Marken zu fokussieren. Nach mehreren Jahren mit Einbussen im einstelligen Bereich, gelang es dem Schweizer Team bereits 2019, das EDP-Business zu stabilisieren. Dieses Jahr hat sich unser Geschäft beschleunigt, haben in der Schweiz den Turnaround geschafft und verzeichnen ein sehr gutes Wachstum.
Warum sind gerade die Märkte Schweiz, Österreich und Slowenien unter einem Dach vereint?
Dies sind kleine Länder mit sozio-demografischen Gemeinsamkeiten. Dieses von uns als «CHAT» bezeichnete «Cluster», bietet somit für uns die besten Voraussetzungen für das bestmögliche, nachhaltige Wachstum. Das Team dieser drei Märkte arbeitet unter einer Führung ausgezeichnet zusammen.
Die aktuelle Corona-Krise hinterlässt Spuren im Geschäft von Danone. Wie beurteilen Sie die Situation für Ihre Region?
Danone hat in den ersten neun Monaten leicht an Umsatz verloren. Die Lockdowns und Reisebeschränkungen in vielen Ländern wirkten sich auf das Out-of-Home-Business der Danone-Wassersparte aus. Bei den Milchprodukten hingegen hatten wir ein Wachstum, besonders in den USA und in Europa. In der Schweiz sind wir bei Danone Essential Dairy & Plant-Based (EDP) gewachsen. Dies auch, weil in der Schweiz die Grenzen geschlossen waren und somit vermehrt im Inland konsumiert wurde. Einige Brands, zum Beispiel Actimel oder die Activia Jogurts, haben sich während der Covid-Krise sogar positiv entwickelt. In der Westschweiz sind auch die Verkäufe beim Dessert Danette gestiegen und in Österreich konnte die Marke Obstgarten zulegen.
Danone hat die amerikanische WhiteWave mit der in Europa bekannten Marke Alpro übernommen und ist von einem Milchkonzern zu einem Unternehmen mit Pflanzenfood geworden. Wie läuft das Wachstum?
Wir sind global der grösste Hersteller von pflanzlichen Produkten und unser Wachstum damit ist im Jahr 2020 zweistellig. Es gibt aber regionale Unterschiede. So ist in Österreich zum Beispiel der pflanzenbasierte Nahrungsmittelmarkt grösser als in der Schweiz. Weltweit gesehen sind die USA, Japan oder auch Korea stark in pflanzenbasierten Food-Trends. Wir wollen den Umsatz mit pflanzenbasierten Produkten bis 2025 weltweit auf rund 5 Milliarden Euro erhöhen im Vergleich zu rund 2 Milliarden im 2019.
Welchen Ausgangs-Rohstoffen für pflanzlichen Food geben sie die grössten Chancen?
Soja ist immer noch das meistverwendete Ausgangsmaterial für pflanzliche Lebensmittel. Bei Milch-Alternativen spielen Mandeln die grösste Rolle, jedoch holen Hafer-basierte Getränke stark auf. Eigentlich spielen jedoch die Ausgangsstoffe keine grosse Rolle. Wichtig ist für eine nachhaltige Ernährung, dass die Leute vermehrt auf pflanzenbasierte Produkte umschwenken, also zu Flexitariern werden.
Viele Anbieter, auch namhafte Konzerne wie Nestlé oder Unilever, wollten in der EU den Bezeichnungsschutz für Milch lockern. Wie steht Danone dazu?
Die aktuellen gesetzlichen Bestimmungen reichen aus. Wir wollen, dass die Konsumenten wissen, welche Inhaltsstoffe in unseren Produkten sind. So nennen wir zum Beispiel die im September neu lancierten Activia-Varianten «Activia 100% Pflanzlich» und «fermentiertes Sojaprodukt».
Das EU-Parlament stimmte kürzlich für strengere Regeln bei der Namensgebung für pflanzliche Produkte. Hat es Danone gar nicht nötig, Bezeichnungen, die sich an Milch anlehnen, für pflanzliche Produkte zu verwenden?
Unsere Marke Alpro wächst beispielsweise, ohne dass die Bezeichnung Milch oder Joghurt auf den Verpackungen steht. Diese Marke stand immer für pflanzliche Lebensmittel.
Ist der Grund dafür auch darin zu sehen, dass Danone bekannte Marken führt?
Bei Danone Schweiz vertrauen wir auf unsere starken Marken. Wir können zum Beispiel unsere Liebhaber des Activia-Jogurts, welche die Bifidus-Kulturen schätzen, zum pflanzlichen Segment hinziehen. Gleichzeitig können wir aber auch bisherige Käufer von pflanzlichen Produkten für unsere bekannten Marken begeistern.
Milch steht als Klimakiller in der Kritik. Danone ist weltweit immer noch der zweitgrösste Milchverarbeiter. Was wird in Sachen Treibhausgasreduktion in der Milchviehhaltung gemacht?
Auch die Danone Gruppe hat sich Emissionsziele gesetzt, nämlich Netto-Null bis 2050. Das schliesst natürlich die Milchwirtschaft mit ein. Unsere Spezialisten arbeiten in 13 Ländern seit rund vier Jahren mit dem Cool Farm Tool und in Frankreich mit Cap2Er. Damit kann der CO2-Fussabdruck gemessen werden. Die Milchviehbetriebe erhalten dann einen Überblick über ihre Ergebnisse, und können nachverfolgen, wo die grössten Emissionen auf ihrem Bauernhof erzeugt werden. Zudem können die Resultate mit anderen Betrieben verglichen werden.
Danone hat den Nutri-Score in Frankreich schon 2017 eingeführt. Warum ist für Danone der Nutri-Score so wichtig?
Der Nutri-Score ist ein einfach verständliches System, das schnell Klarheit über das Nährwertprofil des Produkts gibt. Die einfache Buchstaben- und Farbskala ist die beste Option, um Konsumenten zu zeigen, ob ein Produkt ein gutes oder weniger gutes Nährwertprofil hat.
Was sagen Sie zum Beispiel zum Apfelsaft, der schlecht bewertet wird, aber eigentlich sehr gesund ist? Oder Hartkäse, der schlecht abschneidet?
Es ist für die Unternehmen freiwillig, Nutri-Score zu verwenden. Ich kann Produzenten verstehen, wenn sie den Nutri-Score nicht übernehmen möchten. Das Label zeigt, welche Produkte täglich gegessen und welche weniger oft konsumiert werden sollten. So zeigen wir unseren Konsumenten, dass es in Ordnung ist, jeden Tag ein Activia (A oder B) zu essen. Hingegen sollte ein Danette Pudding (C) oder Mousse (D) gelegentlich und nicht täglich konsumiert werden. So haben wir seit der Lancierung der Kennzeichnung 2019 in der Schweiz, einige Milchprodukte neu gelistet, aber auch einige zurückgezogen.
Der Nutri-Score hilft also, das Sortiment zu gestalten?
Die Kennzeichnung ist auch intern ein Instrument, um kontinuierlich die Nähwertprofile der Produkte zu verbessern. Wir haben beschlossen, dass die Mehrheit der Produkte einen Nutri-Score A oder B, niemals aber ein E haben. Gerade auch unsere pflanzenbasierten Produkte haben einen guten Nutri-Score.
Bioverarbeiter wollen den Nutri-Score ebenfalls nicht. Sie wollen ein ganzheitlicheres System, wo auch ökologische Aspekte einfliessen. Könnte dieses Anliegen überhaupt realisierbar sein?
Diese Kennzeichnung bedeutet einen grossen Fortschritt in Bezug auf eine gesündere Lebensmittelauswahl, was mehrere Studien zeigen. Bezüglich ökologischen Aspekten, beginnt Danone auf DACH-Ebene nächstes Jahr mit der B Corp Zertifizierung. Diese wird von der unabhängigen gemeinnützigen Organisation B Lab vergeben. B Lab zertifiziert Unternehmen als B Corp, welche die höchsten Standards für Sozial- und Umweltverträglichkeit, Unternehmensverantwortung und -transparenz erfüllen.
Viel diskutiert wird auch eine Zuckersteuer. Denken Sie, dass diese kommt?
Seit den 1980er haben wir bei den Danonino den Gehalt an Fett um mehr als 60% und jenen an Zucker um fast 40% reduziert. Dazu brauchten wir keine Zuckersteuer. Zudem haben wir auch die Erklärung von Mailand unterzeichnet und sind Mitglied bei SwissPledge. Unsere Produkte mit weniger Zucker laufen gut, beispielsweise die Danonino «weniger süss» oder die Activia Joghurts «ohne zugesetzten Zucker». Diese machen schon 10 Prozent des Activia-Portfolios aus.
Heute existiert eine Vielzahl von Konsumententrends. Können Sie eine allgemeine Aussage darüber machen, wie Danone diese abdeckt?
Wir haben ein tiefes Verständnis für Konsumententrends in Bezug auf eine gesunde Ernährung. Darum glauben wir an eine «flexitarische» Zukunft, die für ein nachhaltigeres Foodsystem steht. Dies jedoch, ohne bisherige Produktegruppen aufzugeben. Deshalb arbeiten wir an unserem Produktemix, mit Milch- aber auch mit pflanzenbasierten Produkten. Der Grundsatz bei Trends und unserem Innovationsmodell lautet aber: Weniger ist mehr.