24.10.2022
«Wir müssen mit unsäglichen Tiefpreisangeboten aufhören»
Konsumentinnen und Konsumenten haben zahlreiche Vorstellungen, wie die Landwirtschaft sein sollte. Beim Kaufentscheid im Laden verhalten sie sich dann oft anders, sagt SBV-Direktor Martin Rufer.
Martin Rufer. (Bild: SBV)
«Die Bäuerinnen und Bauern wären bereit, über Nacht die Labelproduktion hochzufahren»Der Schweizer Tierschutz hat kürzlich eine Studie publiziert, gemäss deren die Margen und damit die Preise für Labelfleisch zu hoch seien. Müssten diese Produkte billiger werden? Wir müssen in erster Linie mit den unsäglichen Tiefpreisangeboten aufhören. Im Fleischbereich haben wir jede Woche irgendwo 30 bis 40 Prozent Rabatt. Oder Rindshackfleisch ist fast das ganze Jahr über irgendwo in Aktion. Das verleitet die Konsumentinnen und Konsumenten natürlich dazu, dort zuzugreifen und konkurriert die Labelprodukte. Denn die Leute essen ja nicht zweimal.
«Wir brauchen eine glaubwürdige Ernährungspolitik»Die Landwirtschaft steht seit letztem Jahr und dem Start der «Agrarlobby»-Kampagne im Schussfeld gewisser NGO. Ist das ein Zeichen grundsätzlich verhärteter Fronten oder ein Vorspiel zum Abstimmungskampf? Diese Kampagne startete, weil es sehr viele agrarpolitische Dossiers gab und gibt. Die Agrarpolitik 22+, der Absenkpfad und die Abstimmungen von nächstem Juni. Das Vorgehen zeigt das Auftreten der NGO klar auf. Es geht rein um eine Diffamierungskampagne, bei der der Inhalt keine Rolle spielt. Und auch wenn die Organisationen immer betonen, es gehe nicht gegen die Landwirtschaft, sondern gegen die Agrarlobby, so stehen am Schluss dennoch die Betriebe im Fokus. Sie halten die Tiere, sie betreiben die Landwirtschaft. Diese Behauptung der Umweltverbände stimmt deshalb so nicht. Und wie reagiert der Bauernverband? Wir müssen auf unsere eigenen Aktivitäten setzen. Etwa mit der laufenden Informationskampagne, aber auch mit der Abstimmungskampagne, die ab dem 9. März startet. So können wir ein Gegengewicht geben. Wir haben den Umweltverbänden aber auch gesagt, dass die Abkehr von Kooperation in Richtung Konfrontation sicher nicht im Sinne von Lösungen und nicht im Sinne der Umwelt ist. Wir sind nach wie vor dialogbereit. Voraussetzung dafür ist, dass sie diese konfrontative Kampagne stoppen.
«Wir sind dialogbereit. Voraussetzung ist, dass die konfrontative Kampagne gestoppt wird.»Der SBV bezeichnet beide Initiativen als Importförderungs-Initiativen. Ihrer Meinung nach wäre das Importverbot, wie es die Future3-Initiativevorsieht, nicht haltbar? Das ist leider zu befürchten, weil das Importverbot gegen WTO-Recht verstösst. Das schreibt der Bundesrat in seiner Botschaft. Wir haben damit Erfahrungen: So darf Hormonfleisch weiterhin importiert werden, ebenso Eier aus Käfighaltung. Wir befürchten deshalb, dass aufgrund von WTO-Bestimmungen das Verbot synthetischer Pestizide schlussendlich nur für die Inlandproduktion gelten würde, nicht aber für Importprodukte. Und wie sieht es bezüglich Einkaufstourismus aus? Wir hätten natürlich steigende Preise durch die beiden Initiativen. Konsumentinnen und Konsumenten wären direkt davon betroffen. Es würden noch mehr zum Einkaufen ins Ausland fahren und damit den Preiskampf im Detailhandel anheizen.
«Es würden noch mehr zum Einkaufen ins Ausland fahren»Gerade die Coronakrise zeigt aber, dass die Konsumentinnen und Konsumenten trotz Umweltdiskussionen stark auf Schweizer Lebensmittel - auch direkt vom Hof - vertrauen. Gibt das Hoffnung für die Zukunft? Absolut. Viele Schweizer Konsumentinnen und Konsumenten sind recht treu und setzen auf Schweizer Lebensmittel. Der Absatz ist ja aktuell auch gut. Es gibt sicher auch Hoffnung, dass trotz der politischen Diskussionen Umfragen zeigen, dass die Wertschätzung für die Landwirtschaft breit getragen ist. Diese positiven Aspekte kann die Landwirtschaft nutzen, auch wenn aktuell die Situation von politischen Diskussionen belastet ist und in den Medien oft das Negative hervorgehoben wird.
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