In Frankreich, Belgien und Luxemburg kam es in den letzten Wochen zu Rückrufen von Hunderten von Lebensmitteln. Betroffen waren Produkte mit Johannisbrotkernmehl aus der Türkei, das nach Warnungen der spanischen Lebensmittelbehörden mit Ethylenoxid-Rückständen belastet war. Johannisbrotkernmehl ist ein Verdickungsmittel und in vielen Produkten wie Cremen, Saucen oder Glace enthalten.
In Deutschland ist man sich über die Gefahr uneinig, zu Rückrufen ist es abgesehen von einigen Glaceprodukten von Mars nicht gekommen, wie LZ-net schreibt. Das Begasungsmittel Ethylenoxid verflüchtigt sich, was zurückbleibt, ist das Abbauprodukt 2-Chlorethanol. Hierzu sei die Datenlage «widersprüchlich und teilweise unvollständig», wie das Bundesinstitut für Risikobewertung festhielt. Das BfR empfiehlt aber, das Abbauprodukt gleich zu bewerten wie Ehylenoxid.
Der Glace-Hersteller Froneri verzichtet gemäss LZ-net auf einen Rückruf, die betreffende Zutat sei nur «in äusserst geringen Mengen» verwendet worden, in den fertigen Produkten sei eine Belastung nicht mehr existent. Auch Unilever erklärt, alle Eisprodukte, die verkauft würden seien sicher für den Verzehr.
Der deutsche Lebensmittelrechtsexperte Alfred Hagen Meyer sieht angesichts der grossen Verbreitung Johannisbrotkernmehl zwar ein «Problem gigantischen Ausmasses», Rückrufe seien aber völlig unnötig. Gemäss Einschätzungen des EU-Lebensmittelausschusses SCF und der US-Behörde EPA sei das Abbauprodukt 2-Chlorethanol weder krebserregend noch genverändernd.
Beim Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen BLV heisst es, es sei nicht bekannt, ob und in welchen Mengen in der Schweiz auch kontaminiertes Johannisbrotkernmehl verarbeitet wurde. In ganz Europa seien Produkte festgestellt worden, welche mit Ethylenoxid belastetes Johannisbrotkernmehl enthalten. Von einigen Produkten habe es auch Lieferungen in die Schweiz gegeben. «Den kantonalen Lebensmittelvollzugsbehörden wurde für einen harmonisierten Vollzug empfohlen, gegenüber den Importeuren und Lebensmittelunternehmen Massnahmen entsprechend
Weisung 2020/3 zu ergreifen», sagt Doris Schneeberger, Sprecherin des BLV. Die Weisung betraf Ethylenoxid in Sesamsamen aus Indien und verlangte, dass Sesamimporte aus Indien sicherzustellen seien und freigegeben werden könnten, wenn der Importeur nachweisen könne, dass der Rückstandsgehalt von 0,05 mg/kg nicht überschritten wird. Bei Überschreitung muss der Inverkehrbringer alle Produkte vom Markt nehmen.
Auch die Unternehmen seien im Rahmen der Selbstkontrolle sensibilisiert und aktiv und würden entsprechende Massnahmen treffen. «Es ist daher möglich, dass es analog zu Ethylenoxid in Sesamsamen zu Rückrufen kommen wird.»