Gute Ideen haben viele Start-ups. Für Erfolg am Markt braucht es aber mehr, nämlich Geld, externe Expertise, die passenden Partner für Produktion, Verpackung und Vertrieb – sprich die richtigen Kontakte. Start-ups solche Kontakte zu vermitteln und die jungen Unternehmen damit weiterzubringen, das ist das erklärte Ziel des Agro Food Innovation Forums, das Ende August zum dritten Mal stattfand, organisiert von den drei Innovationsförderern Swiss Food Research, Cluster Food & Nutrition und dem Kompetenznetzwerk Ernährungswirtschaft. In der alten Maggi-Fabrik im zürcherischen Kemptthal brachte der Anlass Gründerinnen und Gründer, Expertinnen und Experten und Leute aus Industrie und Forschung zusammen.
Herzstück der Veranstaltung waren die Start-up-Pitches: eine Bühne, 16 Food-Start-ups und je fünf Minuten Zeit, um die eigene Geschäftsidee zu präsentieren. Von Insektenfarmen (lowimpactfood) über Plasmalampen für Gewächshäuser (Lumartix) bis zur nachhaltigen Kochrezept-Plattform (Gourmagine) reichte das Spektrum. Im Fokus standen bei vielen Start-ups pflanzliche Proteine, das Upcycling von Nebenströmen und Nachhaltigkeit bei Produktion und Konsum.
UpGrain: Protein aus Biertreber
Zum Beispiel bei UpGrain. Beim Bierbrauen fällt tonnenweise Biertreber an, der reich an Protein und Ballaststoffe ist. Das Start-up UpGrain verarbeitet den Biertreber zu einem Pulver und separiert dabei Proteine und Ballaststoffe; je nach Anwendung können die beiden Komponenten gemischt werden. Das erste industriell hergestellte Produkt von UpGrain sind extrudierte Gersten-Protein-Flakes, die mit einem Proteingehalt von 40 Prozent weltweit einzigartig seien, wie Gründer Vincent Vida sagte. Anders als andere pflanzliche Proteinquellen habe die Gerste ausserdem einen neutralen und angenehm malzigen Geschmack. Mit Mymuesli hat das Jungunternehmen für seine Flakes einen ersten grossen Kunden gefunden. Produziert wird in der Ostschweiz, der Biertreber stammt von der Appenzeller Brauerei Locher, die ihren Biertreber bereits auf vielfältige Weise upcycelt, etwa als Chips.
UpGrain tüftelt zusammen mit Schweizer Hochschulen bereits an weiteren Anwendungen, etwa an Pasta oder Milchersatzprodukten, aber auch Fleischalternativen liessen sich damit laut UpGrain herstellen. Biertreber sei günstig im Einkauf, deshalb sei das das daraus gewonnene Protein preislich vergleichbar mit Soja und anderen Proteinquellen, betonte Vincent Vida. Damit sei Biertreber sei eine nachhaltige, lokale und günstige Lösung für den steigenden Bedarf an pflanzlichen Proteinen. (www.upgrain.ch)
Knecker: Protein vom Bäcker
Als Ingenieurin baute Anne Richter früher Kraftwerke, heute will sie mit ihren Protein-Crackern «Knecker» Menschen zum nachhaltigen und gesunden Snacken verführen. Die Knecker werden mit Bio-Sojamehl aus Österreich in der Schweiz produziert. Mit über 30 Prozent hat Knecker einen ähnlich hohen Proteingehalt wie Fleisch, ist aber rein pflanzlich. Ölsaaten wie Sonnenblumen, Kürbiskerne, Sesam- und Leinsamen sorgen für einen hohen Anteil an ungesättigten Fettsäuren. Die Knecker werden wie Knäckebrot schonend gebacken und in einer geschützten Werkstatt in Solothurn verpackt, haltbar sind sie ein Jahr. Zu kaufen gibt es den Snack in drei Varianten – Bergsalz, Curry-Thymian und Rosmarin – in rund 50 Läden in der Schweiz, darunter in Unverpacktläden. Dort können die wiederverschliessbaren Beutel auch nachgefüllt werden; ein solches Refill kostet meist nur halb so viel wie ein neuer Beutel. Als Wandersnack verkaufe sich Knecker gut, sagte Anne Richter, die sättigenden Knecker seien perfekt geeignet für alle aktiven Geniesserinnen und Geniesser. (www.knecker.net)
fyn.food: Kichererbsen aus Zürich
Pflanzenbasierter Convenience-Food aus 100 Prozent Schweizer Zutaten, rückverfolgbar bis auf Feld: Das ist die Vision des Zürcher Start-ups fyn.food. Den Anfang machen vier Sorten Bio-Hummus-Dip, hergestellt aus Schweizer Kichererbsen. Vier Zürcher Bauern bauen für fyn.food auf 3,3 Hektaren Kichererbsen und Sonnenblumen an; deren Kerne ersetzen den Sesam, der sonst in einen Hummus kommt. Über einen QR-Code auf der Verpackung erfahren die Konsumentinnen und Konsumenten, von welchem Produzenten die einzelnen Zutaten stammen.
Der Anbau von Kichererbsen steckt in der Schweiz noch in den Kinderschuhen, dieses Jahr vermieste ausserdem die Nässe die Ernte, weshalb fyn.food teilweise Bio-Kichererbsen aus Italien einkaufen musste. Auch das wird über den QR-Code transparent gemacht. Trotz der Rückschläge glaubt Co-Gründerin und ETH-Agronomin Anik Thaler an Kichererbsen aus der Schweiz. Die Hülsenfrucht brauche wenig Wasser, komme auch mit mageren Böden zurecht und könne Stickstoff direkt aus der Luft binden. Angesichts der Klimaerwärmung seien Kichererbsen eine «Zukunftskultur» für die Schweiz. Das Start-up will es allerdings nicht bei Kichererbsen belassen. Geplant ist ein Burger aus Schweizer Ackerbohnen. Zu kaufen gibt es den Zürcher Hummus in Bioläden, Ende Jahr nimmt ihn Alnatura ins Sortiment auf. (www.fynfoods.ch)
Nectariss: Das Geheimnis des Trüffelaromas
Der Biologe Richard Splivallo hat sich jahrelang mit Trüffeln beschäftigt. Eine seiner Erkenntnisse: Für das Trüffelaroma ist zu einem grossen Teil das Mikrobiom verantwortlich, also die Gemeinschaft von Mikroorganismen wie Bakterien oder Hefen, die die Knollen besiedeln. Das macht sich Splivallo mit seinem Aroma-Start-up Nectariss zunutze. Er hat ein patentiertes Fermentationsverfahren entwickelt, mit dem er aus echten Trüffeln natürliches Trüffelaroma im industriellen Massstab herstellen kann. Zielpublikum sind Lebensmittelhersteller, neben Trüffel-Aroma-Konzentrat produziert Nectariss auch Single-Origin-Trüffelöle mit weissen Trüffeln aus Italien, Ungarn und Kroatien. Weltweit gebe es gegen 200 verschiedene Trüffelsorten, schwärmte Splivallo, da gebe es noch viele Aromen zu entdecken und für den Markt zu erschliessen. (www.nectariss.com)
Wheycation: fermentierte Molke
Fermentation ist auch ein Thema für Doris Erne, die ihr Start-up kürzlich von Wood & Field in Wheycation umbenannt hat. Sie stellt aus Molke, die bei der Käseproduktion anfällt, proteinreiche Shakes her (s. alimenta 4/2020), neuerdings auch Shakepulver, weitere Molkeprodukte sind geplant. Dazu experimentiert Erne mit der Fermentation, gemeinsam mit Forschenden von Agroscope und der Berner Fachhochschule, die sie an einer früheren Ausgabe des Agro Food Innovation Forums kennen gelernt hat. «Mittels Fermentation kann man den unerwünschten Offtaste der Molke wegbringen und auf natürliche Weise neue Aromen und mehr Vitamine ins Produkt bringen», erklärte Doris Erne die Vorteile der Fermentation. (www.woodandfield.ch)
Haelixa: Rückverfolgbar dank DNA-Marker
Eine spezielle Methode für die Rückverfolgbarkeit von Gütern hat das 2016 gegründete ETH-Spin-off Haelixa entwickelt: ein unsichtbarer DNA-Marker, der auf das Rohmaterial oder Zwischenprodukte aufgesprüht wird, harmlos für Mensch und Umwelt und robust genug, dass er auch industrielle Verarbeitung übersteht. Das erlaubt es, während der ganzen Lieferkette mit Schnelltests die Herkunft und Authentizität der Ware zu prüfen. «Wir machen das Produkt selbst zum Informationsträger», sagte Emma Cavalli von Haelixa. Anders als Etiketten oder Formulare könne der DNA-Marker nicht gefälscht oder verändert werden. Bisher kam der Haelixa-Marker vor allem bei Gold, Edelsteinen und Textilien zum Einsatz, er sei aber auch bei Lebensmitteln verwendbar, so Cavalli. (www.haelixa.com)
Potiio: 40% weniger Zucker, gleicher Geschmack
Süssgetränke sind oft wahre Zuckerbomben, Zuckerreduktion für die Getränkebranche ein wichtiges, aber schwieriges Thema. Der Materialwissenschaftler Cédric Sax hat einen Weg gefunden, wie sich der Zuckergehalt in Getränken massiv reduzieren lässt, ohne dass der Geschmack darunter leidet. Seine Lösung ist eine neu designte Trinkflasche. In deren Trinköffnung ist ein kleines Röhrchen angebracht, das hochkonzentrierten Zuckersirup mit Aroma enthält. Der Rest der Flasche kann mit Leitungswasser oder Sprudelwasser gefüllt werden. Trinkt man aus der Flasche, gelangt bei jedem Schluck zuerst ein kleiner Schuss des supersüssen Sirups in den Mund, danach erst das Wasser. «Tastings haben gezeigt, dass sich damit der Zuckergehalt um 40 Prozent reduzieren lässt, ohne dass die Tester es merken», sagte Sax. Die neue Flasche existiert erst als Prototyp, die Getränkebranche habe aber bereits Interesse gezeigt, so Sax. Die Trinkflasche ist als wiederverwertbare Mehrwegflasche geplant, neu kaufen müssten die Konsumentinnen und Konsumenten lediglich die kleinen Röhrchen mit dem Limo-Konzentrat. (www.potiio.ch)