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Ziel: Weniger Lebensmittelverluste

Die ZHAW-Lebensmitteltagung widmete sich den verschiedenen Aspekten der Kreislauf-Wirtschaft. Das Potenzial, um Ressourcen auf allen Wertschöpfungsstufen effizienter einzusetzen, ist gross.

«Food Waste reduzieren ist eine Geschäftsmöglichkeit»: Beatrice Petit-Condé vom Technologiekonzern Bühler. (Roland Wyss-Aerni)

Heute wird ein Drittel des globalen Energieverbrauchs verwendet, um Lebensmittel herzustellen. Von diesen Lebensmitteln wird wiederum ein Drittel weggeworfen. Mit der Frage, wie diese unakzeptable Situation verbessert werden kann, befasste sich die ZHAW- Lebensmitteltagung vom 1. September in Wädenswil.
Mit der Kreislaufwirtschaft können Rohstoffe reduziert werden, Nebenprodukte und Lebensmittelabfälle werden aufgewertet und zurück in die Lebensmittelproduktion geführt. Unverkaufte Lebensmittel und ihre Inhaltsstoffe können konsequent verwertet werden. Dabei sind von der Produktion bis zum Detailhandel und der Gastronomie alle Akteure gefragt.
Nebenströme aufwerten
Der Technologiekonzern Bühler hat es sich zum Ziel gesetzt, bei sich selber und bei den Kunden 50 Prozent weniger Energie und Wasser zu verwenden und 50 Prozent weniger Abfall zu produzieren. Ein wichtiger Teil dabei ist der neue Umgang mit Nebenströmen, wie Beatrice Condé-Petit, Food Science Officer bei Bühler, erklärte. Nebenströme aus der Verarbeitung von Getreide, Ölsaaten, Hülsenfrüchten, Kaffee oder Kakao machen 1 bis 20 Prozent des Rohmaterials aus, die Hälfte davon bietet aktuell keinen Mehrwert. Typischerweise werden sie als Futtermittel verwendet, das Problem ist aber teilweise, dass sie mit Mykotoxinen, Bakterien, Schwermetallen oder Pestiziden belastet sind. Sie enthalten aber wertvolle Inhaltsstoffe wie Proteine, Lipide, Stärken, Phenole, Antioxidantien, Oligosaccharide, Mineralstoffe, Lignin oder Zellulose.
Bühler ist an verschiedenen Fronten tätig. Mit der maschinellen Aussortierung von ungeeigneten Rohstoffen werde die Menge der Nebenströme verringert, das habe den grössten Effekt, sagte Condé-Petit. Bühler engagiert sich auch beim Start-up Legria, bei dem aus Biertreber eine neue Zutat mit hohem Protein- und Fasergehalt gewonnen wird, die in ganz unterschiedlichen Lebensmitteln verwendet werden kann. Tätig ist Bühler auch bei der Verwertung von Insekten für nachhaltiges Futtermittel für Geflügel und Fisch. Aufgewertete Seitenströme eignen sich auch als Zutaten für pflanzliche Fleischalternativen, bekanntermassen ein rasch wachsendes Segment.
Das Start-up Koa wertet die Kakaopulpe auf, die bei der Gewinnung von Kakao für Schokolade bisher kaum genutzt wird, und produziert daraus einen Saft und ein Pulverkonzentrat mit fruchtigem Geschmack. Die Produzenten im Ursprungsland Ghana profitieren von der höheren Wertschöpfung. Koa hat seine Zusammenarbeit mit dem Schwyzer Schokoladenhersteller Felchlin begonnen und kooperiert inzwischen mit Lindt (s. auch alimenta Nr. ? vom ?)
Anbieter und mögliche Abnehmer von Nebenströmen zusammenführen will das Start-up Rethink Resource. Die Idee: Nebenströme aus der Lebensmittelproduktion können Eigenschaften haben, die möglicherweise für Abnehmer aus ganz anderen Branchen interessant sind. Um potentielle Geschäftspartner zu «matchen», soll eine Datenbank erstellt werden, die Transparenz über das Angebot und die Eigenschaften von Nebenströmen schafft. «So entsteht nicht nur ein Ebay für Nebenströme, sondern ein Parship für Nebenströme», sagte Linda Grieder, Gründerin von Rethink Resource. Klar ist: Der Markt wird derzeit von den Abnehmern definiert, das Interesse, Nebenströme zu interessanten Konditionen loszuwerden, ist grösser als die Nachfrage. Allenfalls notwendige Upcycling-Kosten sollten möglichst niedrig bleiben. Auch die Regionalität spiele eine Rolle, sagte Grieder. «Transportkosten könnten die Wirtschaftlichkeit kaputt machen.»
Vertikaler Kräuteranbau
Vorgestellt wurde in Wädenswill auch das Start-up Yasai, das sich mit Vertical Farming befasst, also mit dem bodenunabhängigen Anbau von Kräutern. Im zürcherischen Adliswil entsteht auf 585 Quadratmetern eine Pilotfarm mit einem geplanten Produktionsvolumen von 20 Tonnen pro Jahr. Diese ermöglicht eine Produktion mit stark reduzierten Einsatz von Wasser und Pflanzenschutzmitteln, die Herausforderungen bleiben der hohe Energieverbrauch und die Wirtschaftlichkeit. Yasai will statt Mineraldünger biologischen Dünger aus Biomasse, Fischzuchten oder gar aus Abwasserströmen verwenden. Anstelle von Steinwolle oder Kokosfaser als Substrate sollen biologisch abbaubare Schaumstoffe verwendet werden.
Die Non-Profit-Organisation MassChallenge unterstützt Start-ups aus den unterschiedlichsten Bereichen, durch die Vernetzung mit etablierten Firmen und Experten. Dabei sind es ganze 28 Start-ups aus dem Bereich der Kreislaufwirtschaft, die bei MassChallenge dabei sind, wie Nicolas Meneses erklärte. Bei vielen spielten digitale Technologien und Künstliche Intelligenz eine zentrale Rolle. Das US-Startup Not Co rühmt sich, mit der Produktion der Milchalternative NotMilk 92 Prozent weniger Wasser und 74 Prozent weniger Energie zu verwenden sowie 74 Prozent weniger CO2 zu verursachen als herkömmliche Milch. Die Rezeptur stammt von einer künstlichen Intelligenz namens Giuseppe und enthält neben Wasser, Erbsenprotein und Sonnenblumenöl überraschende Zutaten wie Ananassaftkonzentrat oder Kohlsaftkonzentrat. Agri Marketplace aus Portugal hat das Ziel, E-Commerce und Rückverfolgbarkeit per Blockchain zu kombinieren und so einen effizienteren und transparenteren Handel mit Agrarrohstoffen zu erreichen. Das US-Startup TeleSense bietet umfassendes Monitoring von Getreidelagern mit verschiedenen Sensoren, um eine automatisierte optimale Lagerung für hohe Getreidequalität zu ermöglichen.
Nachhaltigkeit messbar machen
Claudio Beretta, Nachhaltigkeitsexperte an der ZHAW, stellte sein Sustainable Food Chain Model vor, das es ermöglicht, die Nachhaltigkeit von ganzen Wertschöpfungsketten quantitativ zu bewerten. Dabei werden alle Massenflüsse und alle Energieflüsse miteinbezogen und mit Ökobilanzdaten aus etablierten Datenbanken verknüpft. Bewertet werden können dann Auswirkungen auf Klima, auf Biodiversität, auf einzelne Ökosysteme oder auf die menschliche Gesundheit. Berettas Beispiele zeigten, dass beispielsweise bei Food Waste von Frischgemüse, Fleisch oder Käse relativ hohe CO2-Emissionen entstehen, verglichen mit Pasta, Reis, Kartoffeln oder Früchten. Als wichtige Hebel für eine nachhaltigere Produktion sieht Beretta nicht-fossile Antriebsformen in der Landwirtschaft und Massnahmen gegen den Methanausstoss bei Wiederkäuern. Es brauche auch ein Umdenken bei den Konsumenten in Richtung Suffizienz.
Eine luftige Zukunft
Die britische Zukunftsforscherin Morgaine Gaye bot zum Abschluss einen bunten Strauss von Thesen und Bildern zur Zukunft der Ernährung. Diese könne man nicht getrennt von Trends und Entwicklungen bei Mode, Design, Inneneinrichtung oder Verpackungen betrachten, sagte sie, alles fliesse ineinander. Drei Megatrends würden relevant: Selbstversorgung, Wasser und Luft. Das bedeute zum Beispiel, dass Lebensmittel künftig häufiger luftige, schaumartige oder schwammartige Texturen hätten, dass vermehrt raffinierte 3D-Drucke von Lebensmitteln es ermöglichen würden, dass mit gleichem Mundgefühl weniger Kalorien gegessen würden. Klar sei auch, dass in Zukunft weniger Alkohol getrunken werde, dass dafür Wasser in allen Varianten und Qualitäten eine wichtige Rolle spielen werde. Dabei gehe es auch darum, Wasser nachhaltig zu verpacken und dafür nicht massenweise Plastik zu verwenden, sondern beispielsweise flexible Bubbles, die auch noch essbar seien. «Jede Marke, die in Zukunft bestehen will, wird sich von Plastik wegbewegen müssen», sagte Gaye. Plastik sei zwar immer noch das billigste Verpackungsmaterial, und auch der Preis für Lebensmittel sei noch ein Thema, aber nicht mehr lange. Die Menschen würden immer mehr verstehen, was alles mit dem Essen verknüpft sei, und seien sich nach der Corona-Pandemie auch immer mehr bewusst, was wirklich zähle im Leben: Die Familie, Freunde und Netzwerke mit Gleichgesinnten.

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