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«Unsere Kommandozentrale sitzt im Bauch»

Wie ernähren wir die Welt von morgen gesund und nachhaltig? Und welche Rolle spielt dabei unser Mikrobiom? Diesen Fragen geht der neue Food-Trend-Report des Gottlieb Duttweiler Instituts nach.

GDI-Trendforscherin Christine Schäfer. (GDI Gottlieb Duttweiler Institute/Sandra Blaser)

Wir sind mehr, als wir denken: Billionen von Mikroben bevölkern unseren Körper, die meisten dieser Bakterien und Pilzen leben in unserem Darm. Ein komplexes Ökosystem, dessen vielfältige Wechselwirkungen mit unserer Ernährung und unserer Gesundheit die Forschung erst im Ansatz begriffen hat.
Klar ist: Die Mikroben im Menschen helfen nicht nur bei der Verdauung oder bei der Immunabwehr, sie produzieren auch Neurotransmitter, also biochemische Botenstoffe. Damit haben sie direkten Einfluss auf unsere Stimmung, unsere Motivation oder unser Gedächtnis. «Wir sind stolz auf unser Gehirn, aber manchmal sitzt die Kommandozentrale nicht im Kopf, sondern im Bauch», bringt es Christine Schäfer auf den Punkt. Sie ist Trendforscherin am Gottlieb Duttweiler Institut (GDI) und Co-Autorin des «European Food Trends Report 2021» des GDI. Schäfer stellte die Studie am Montagabend in Zürich vor.
Artensterben im Darm
Das Mikrobiom nimmt im aktuellen Report, den das GDI alle zwei Jahre vorlegt, viel Raum ein. Denn unsere Mikroben seien ein wichtiger Schlüssel für unsere Gesundheit und unser Wohlergehen, sagte Schäfer bei der Präsentation. Ein gestörtes oder verarmtes Mikrobiom sei laut vielen Mikrobiologen verantwortlich für Krankheiten wie Diabetes, MS oder Adipositas, ausserdem lasse sich auch ein Zusammenhang mit neurologischen und psychischen Erkrankungen wie Autismus, Depressionen oder Parkinson herstellen. Fakt ist: Ungesunde Ernährung, Umwelteinflüsse und Medikamente haben unser Mikrobiom verarmen lassen. Heute besitzen Menschen in industrialisierten Gegenden nur noch halb so viele Mikrobenarten wie Menschen, die kaum mit der westlichen Zivilisation in Berührung gekommen sind.
Hier Gegensteuer zu geben könnte für die Lebensmittelindustrie zur wichtigen Aufgabe und Chance werden. Allerdings ist die Forschung noch weit davon entfernt, bestimmte Bakterien-Cocktails für verschiedene Krankheiten bereitzustellen, hält der Report fest, nicht zuletzt deshalb, weil jeder Mensch ein ganz individuelles Mikrobiom besitzt, «fast wie ein Fingerabdruck», sagte Schäfer.
Neue Technologien, neue Bescheidenheit
Einen zweiten Fokus legt der GDI-Report auf die Frage, wie wir die Welt von morgen gesund und nachhaltig ernähren können. Klimawandel, Krisen, Kriege, Migration - die Herausforderungen seien gross, sagte Christine Schäfer bei der Präsentation des Trendreports. Es gehe in Zukunft darum, «mit weniger mehr zu produzieren», weil vor allem im Süden fruchtbare Böden verloren gehen dürften.
Eine Lösung könnten neue Technologien sein, von denen Schäfer und ihre Co-Autoren einige in ihrem Report skizzieren: Angefangen bei der smarten Landwirtschaft, die mit Sensoren, Drohnen, Big Data und vernetzten Geräten ressourcenschonender und effizienter produziert, über die zelluläre Landwirtschaft (Laborfleisch) und die Präzisionsfermentierung, die etwa mit speziellen Hefen tierische Eiweisse im Gärtank produziert, bis zum Vertical Farming in den Grossstädten.
Neue Technologien allein reichten aber nicht aus, betonen die GDI-Forscher in ihrem Bericht. Wir müssten auch unser Verhalten ändern, denn wir ässen tendenziell zu viel vom Falschen und zu wenig vom Guten und würden zu viele Lebensmittel wegwerfen. Künstliche Intelligenz könnte hier den Konsumentinnen und Konsumenten z.B. in Form von Apps helfen, ihre Einkäufe umweltbewusster und ihre Ernährung gesünder zu gestalten.
Drei Szenarien für das Ernährungssystem der Zukunft
Im letzten Teil des 50-seitigen Trendreports entwerfen die GDI-Trendforscherinnen und -Trendforscher drei Szenarien die beschreiben, wie eine mögliche Zukunft des Ernährungssystems aussehen könnte:
Stubborn Optimism: Das Foodsystem verändert sich im Kern nicht, alle Stufen des Wertschöpfungsnetzwerks werden jedoch smarter, effizienter und produktiver. Mit der richtigen Technologie sind alle Probleme lösbar, so das vorherrschende Narrativ.
Radical Regeneration: Die Deglobalisierung des Foodsystems steht im Zentrum. Ziel ist nicht die Ernährungssicherung sondern die Ernährungssouveränität. Es wird nur angebaut und produziert, was unter den gegebenen Bedingungen Sinn ergibt und den Bedürfnissen der regionalen Bevölkerung entspricht.
Hard Regulations: Die Leitlinien für das gesamte Wertschöpfungsnetzwerk werden von einer zentralen Kontrollstelle vorgegeben. Dies kann ein Staat, eine Organisation, ein privates Unternehmen oder eine künstliche Intelligenz sein, die das Foodsystem und damit auch den Speisezettel und die Gesundheit ihrer Bevölkerung kontrolliert.
Fazit
Verständlich geschrieben gibt der neue GDI-Report auf 50 Seiten Einblick in das spannende Ökosystem des Mikrobioms, das für Forschung und Lebensmittelproduktion in den nächsten Jahren sicher zu einem wichtigen Thema werden wird. Ausserdem gibt der Report einen guten - wenn auch längst nicht vollständigen - Überblick über neue Technologien und deren Möglichkeiten und Grenzen in der Lebensmittelproduktion für die Welt von morgen. Der Bericht basiert auf Fachliteratur und Interviews mit internationalen Expertinnen und Experten, u.a. mit Urs Niggli, dem ehemaligen langjährigen Direktor des Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL).

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