Datum: Branche:

Wie geht nachhaltige Milch?

Welchen Einfluss hat die Nachhaltigkeitsdebatte auf die Wertschöpfungskette der Milch? Diese Frage wurde am Milchforum der Schweizer Milchproduzenten SMP diskutiert.

von wy

Urs Riedener, CEO Emmi.
Thomas Kretz, Präsident Luzerner Bäuerinnen- und Bauernverband.
Priska Birrer-Heimo, Präsidentin Stiftung für Konsumentenschutz.
vlnr: Josef Scherer, Chefredaktor BauernZeitung Zentralschweiz, Hanspeter Kern, Urs Niggli, Priska Birrer-Heimo, Urs Riedener, Thomas Grüter, ZMP-Präsident.
Dass die Kuh pauschal als Klimakillerin bezeichnet wird, ist in immer weiteren Kreisen salonfähig. Umso wichtiger ist es, dass die Milchbranche hier auch mal gegensteuert und richtigstellt. Darüber war man sich am Milchforum der Schweizer Milchproduzenten vom 26. November in Luzern weitgehend einig. Trotzdem bot das Thema genug Stoff für Kontroversen.
Die Milchproduzenten hätten in Bezug auf Nachhaltigkeit schon vieles gemacht, fand SMP-Präsident Hanspeter Kern im Eröffnungsreferat. Das müsse auch mal kommuniziert werden und mit der neuen SMP-Werbekampagne mache man dies. Beispielsweise dürften die Methan-Emissionen der Milchkuh nicht mit fossilen Emissionen gleichgesetzt werden, denn erstere seien seit je her Teil eines natürlichen Kreislaufes.
Urs Niggli, prominenter Bioforscher im Unruhestand, präsentierte seine Vorstellungen einer nachhaltigen und klimafreundliche Ernährungswirtschaft. Er stärkte damit den Milchproduzenten den Rücken – zumindest teilweise. «Das Bild der Kuh als Klimakiller entsteht, wenn man die Kuh ins Labor stellt und nur schaut, was vorne reingeht und hinten rauskommt», sagte er. Wenn man die Kuh als Teil eines Systems betrachte, sehe es anders aus. So sei klar, dass die Bewirtschaftung von Grasland mit der Produktion von Milch und Fleisch auch in Zukunft zur Sicherstellung der Ernährungssicherheit notwendig sei. Ganze zwei Drittel der weltweiten Agrarfläche seien Grasland. Fleisch habe auch eine sehr hohe Proteindichte, die mit pflanzlichen Rohstoffen nicht zu erreichen sei. Ferner habe man gigantische Mengen von Nebenprodukten aus dem Getreidebau, die auch für die Fütterung von Wiederkäuern und darüber hinaus von Schweinen und Hühnern verwendet würden.
«Vegane Ernährung ist ein Teil der Lösung», stellte Niggli klar. Er sei froh um jeden Menschen, der sich vegan ernähre. Aber die Veganer würden häufig missionieren und teilweise mit falschen Argumenten hantieren. Die Menschen müssten sich insgesamt anders ernähren, vielleicht müsse man auch mal darüber reden, Geld aus dem Umweltschutzbereich in nachhaltige Landwirtschaft zu investieren. «Man muss das ganze System korrigieren.»
Zurückschreien
«Die Veganer haben lange geschrien, jetzt schreien wir mal zurück», sagte Urs Riedener, CEO von Emmi. Er betonte, dass Nachhaltigkeit mehr sei als nur Treibhausgase reduzieren. Bei der Verarbeitung von Milch gehe es in der Schweiz immerhin auch um etwa 100’000 Arbeitsplätze und letztlich um dezentrale Besiedlung. Hafermilch dagegen könne mit ein paar wenigen Mitarbeitenden an einem Standort produziert werden. Dass Emmi unter der Marke Beleaf dennoch Milchalternativen aus Hafer anbiete, sei nicht «gegen die Milch», sondern «für die Schweizer Antwort», denn das Bedürfnis nach Milchalternativen sei nun mal da. Und es sei immer noch so, dass die Verkäufe von Caffé Latte in der Schweiz höher seien als der gesamte Schweizer Markt für alternative Milchprodukte.
«Nachhaltigkeit kostet und erhöht die Komplexität», sagte Riedener, aber es führe kein Weg daran vorbei. Emmi selber hat sich das Ziel gesetzt, bis 2027 die Treibhausgasemissionen um 60 Prozent zu reduzieren und auch international Milch von Lieferanten zu beziehen, die lokale Nachhaltigkeitsstandards erfüllen. Das Thema habe das Potenzial, die Reputation der Milchbranche zu gefährden, betonte Riedener. Deshalb sei es wichtig, dass die Branche die momentane Ruhe am Markt nutze, um vorauszudenken und gemeinsam den Standard «grüner Teppich» weiterzuentwickeln. Es sei auch klar, dass Zielkonflikte dabei unvermeidbar seien.
Weniger Treibhausgase oder weniger Nahrungsmittelkonkurrenz?
Wie sich Zielkonflikte konkret auf einem Milchproduktionsbetrieb zeigen, illustrierte Markus Kretz, Präsident des Luzerner Bäuerinnen- und Bauernverbandes und Milchproduzent in einer Betriebsgemeinschaft im luzernischen Schongau. Kretz ist heute mit 878 Gramm Co2-Äquivalenten pro Kilogramm Milch schon auf einem eher tiefen Wert, wie er sagte. Bezüglich des Kriteriums «Nahrungsmittelkonkurrenz», der Frage also, ob Tierfutter verwendet wird, das auch für die menschliche Ernährung verwendet werden könnte, stehe er weniger gut da, sagte Kretz: Pro Kilogramm Milch werden 710 Gramm menschlich verwertbares Pflanzenprotein benötigt.
In einem Projekt mit der HAFL Zollikofen liess er berechnen, ob künftig eine High-Input-Strategie mit hohem Kraftfuttereinsatz oder eine Low-Input-Strategie mit viel Wiesenfutter nachhaltiger wäre. Das Fazit: Eine High-Input-Strategie wäre gut in Bezug auf die Treibhausgas-Emissionen, eine Low-Input-Strategie liesse ihn bei der Nahrungsmittelkonkurrenz besser dastehen. Sein Fazit: Als Talbetrieb wolle er die Standortvorteile ausnützen, eher auf Leistung gehen und Treibhausgase sparen. Bioforscher Niggli fand dann doch, aus übergeordneter Sicht wäre ihm die Grasland-Strategie lieber.