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Rezepte als Schaufenster für Lebensmittel-KMU

Einfache Rezepte mit saisonalen Zutaten von lokalen Geschäften und Herstellern: Die Rezeptplattform Gourmagine will Lebensmittelproduzenten die Möglichkeit geben, ihre Produkte in Szene zu setzen.

von mos

Ein Lokal-Indikator zeigt für jedes Rezept an, wie lokal die Zutaten sind. (zVg)
Thomas Bürki.
Poulet-Lauch-Wähe, Apfel-Pastinaken-Suppe oder Pilze und Rüebli in Sauerrahm: Gourmagine.ch sieht zwar aus wie eine beliebige Rezeptwebsite. Auf den zweiten Klick steckt allerdings mehr dahinter: Ein Schweizerfähnchen kennzeichnet alle Zutaten, die lokal hergestellt werden können und aktuell in der Schweiz Saison haben. Ein «Lokal-Indikator» zeigt zudem an, wie hoch der Prozentsatz von lokalen Zutaten gemessen an allen Zutaten eines Rezepts ist, basierend auf dem Gewicht. Ein weiterer Klick, und die Website listet Geschäfte und Märkte in der Nähe auf, wo man die benötigten Zutaten einkaufen kann.
Auch Avocado ist nicht tabu
«Wir wollen den Menschen helfen, nachhaltiger einzukaufen, zu kochen und zu essen – indem wir transparent machen, welche Zutaten Saison haben und wo man sie lokal einkaufen kann», sagt Thomas Bürki, der die Entwicklung der Plattform vor rund zwei Jahren zusammen mit Samuel Werder gestartet hat. In den Supermärkten gebe es gewisse Gemüse praktisch das ganze Jahr im Angebot. «Viele wissen gar nicht, wann welche Lebensmittel in der Schweiz Saison haben.»
Dogmatisch ist Gourmagine dabei nicht. So gibt es auf der Plattform auch ein Rezept für einen Avocado-Randen-Salat, obwohl Avocado in der Schweiz nie Saison hat. Entsprechend beträgt der Lokal-Indikator des Rezepts allerdings auch nur 49 Prozent. Und die Blumenkohlsuppe lässt sich zwar auch im März zubereiten, hat dann aber einen tieferen Wert als vom Mai bis November, wenn das Gemüse bei uns Saison hat. «Wir wollen niemanden zwingen, gewisse Sachen zu essen oder nicht», erklärt Bürki. Es gehe darum, das breite Publikum für Nachhaltigkeit zu sensibilisieren (siehe Kasten).
«Je spannender, desto besser»
Das zweite Ziel von Gourmagine ist es, kleinen Lebensmittelproduzenten zu helfen, über einfache und authentische Kochrezepte ihre Produkte möglichst vielen Konsumentinnen und Konsumenten näher zu bringen. Dazu können die Firmen auf Gourmagine.ch eigene Rezeptkanäle (sozusagen ein Online-Schaufenster) einrichten, die Website zeigt auch, wo die Produkte gekauft werden können. Das Start-up Chipeño gehört zu den ersten Unternehmen, die Gourmagine fürs Marketing nutzen. Die Luzerner Firma produziert aus getrockneten und geräucherten Jalapeño-Chilis aus Mexiko Saucen, die zu Fleischgerichten, Fajitas oder Kartoffeln passen. Auf Gourmagine hat Chipeño einen eigenen Kanal mit sechs verschiedenen Rezepten, etwa für Gemüseplätzchen mit Chipeño und Reis.
Für Firmen wie Chipeño, die ein neuartiges Produkt im Angebot hätten, sei Gourmagine ideal, sagt Bürki. «Mit den Rezepten können die Firmen den Leuten aufzeigen, wozu man ihre Produkte überhaupt verwenden kann.» Ausserdem könnten die Lebensmittelhersteller die Rezepte schnell und einfach in den sozialen Medien publizieren oder als Flyer oder Rezeptbroschüre fürs Marketing nutzen.
Mitmachen bei Gourmagine könnten im Prinzip alle Lebensmittelhersteller, deren Produkt man in einem Rezept verwenden könne, sagt Bürki. «Je lokaler, nachhaltiger und spannender, desto besser.» Der Basisauftritt mit weniger als zehn Rezepten ist für die Unternehmen gratis. Für grössere Auftritte bietet Gourmagine Abo-Modelle ab 120 Franken im Jahr an, abhängig von der Menge der Rezepte oder Zusatzaufwand. «Auf Wunsch können wir auch Rezepte rund um gewisse Produkte kreieren», gibt Bürki ein Beispiel. Dazu arbeite man mit Foodbloggern und Rezeptautoren zusammen.
Ziel sind 100 Produzenten
Noch steckt Gourmagine in den Kinderschuhen. 30 bis 100 Besucher verzeichnet die Website aktuell pro Woche. Mit 75 Rezepten ist die Auswahl recht übersichtlich. Neben dem Saucenhersteller Chipeño hat erst der Online-Lebensmittelshop Genuss.Kompass einen eigenen Rezeptkanal. Und Adressen fürs lokale Einkaufen spuckt die Website im Moment ausschliesslich für den Raum Basel und Zürich aus. Nächstes Jahr will Thomas Bürki mit Gourmagine aber richtig Gas geben und die Plattform schweizweit etablieren. «Wir wollen 100 Produzenten mit einem eigenen Rezeptkanal mit mindestens fünf Rezepten – pro Kanton im Schnitt vier Produzenten.» Auch die Zahl der eingebundenen lokalen Geschäfte soll deutlich wachsen, etwa durch die Aufnahme von Hofläden.
Pilotprojekt Kochbox
Im Januar startet Gourmagine ausserdem im Raum Basel ein Pilotprojekt mit lokalen Partnern: Rezeptboxen mit lokalen Zutaten, direkt zu den Kunden nach Hause geliefert. Dass schon viele Kochboxen-Projekte in der Schweiz gescheitert sind, entmutigt Bürki nicht. «Wir wollen das flexibel handhaben», sagt er, ohne Abo-Modell und mit limitierter Verfügbarkeit für gewisse Rezepte in gewissen Regionen, je nach lokalem und saisonalem Angebot. Profitieren würden davon die beteiligten Läden und Produzenten: «Das gibt unseren Partnern ganz konkret Umsatz.»