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Glutenfrei und begehrt

Mit ihrer glutenfreien Bäckerei in Bern hat Jovana Beslac einen Nerv getroffen. Das breite Sortiment mit «Frische-Faktor» begeistert die Kunden.

Jovana Beslac führt seit Anfang 2021 die eigene glutenfreie Bäckerei im Westen von Bern. (Roland Wyss-Aerni)

Jovana Beslac leidet seit ihrer Kindheit an Zöliakie – und damit auch ein wenig unter dem glutenfreien Backwarensortiment, das in der Schweiz vorhanden ist. «Es kann nicht sein, dass das Angebot für Zölis nicht besser ist», sagt sie. «Ich bin durch die Welt gereist und habe in vielen Ländern feine glutenfreie Produkte gefunden. Deshalb habe ich mir gedacht, das muss auch in der Schweiz möglich sein.» Gesagt, getan, heute ist Beslac stolze Inhaberin und Geschäftsführerin von «Jovi’s glutenfreie Bäckerei» im Westen von Bern.
Ganz so rasch und reibungslos ging es natürlich nicht. Vielmehr rutschte die 26-jährige Jovana Beslac während ihres Betriebswirtschaftstudiums an der Berner Fachhochschule nach und nach in das Thema hinein. Als es darum ging, einen Businessplan zu erstellen, beschloss sie, dies für eine fiktive glutenfreie Bäckerei zu tun. Später drehte sich ihr Studium um Themen wie Marketing, Projektmanagament oder Personalmanagement – sie spielte alles anhand ihrer fiktiven Bäckerei durch und schrieb schliesslich ihre Bachelorarbeit darüber. «Es sah in allen Bereichen viel versprechend aus, deshalb begann ich mir die Realisierung einer glutenfreien Bäckerei ernsthaft zu überlegen.»
Pröbeln in der Küche
Der erste wichtige Schritt: Sie musste einen Bäcker finden. Jovana Beslac lernte Anfang 2020 Salvatore Cinà kennen, einen ausgebildeten Bäcker. Mit ihm zusammen begann sie in der eigenen Küche Rezepturen zu entwickeln, Vorbilder gab es keine. «Ich wollte wissen, ob es möglich ist, nur mit einer glutenfreien Mehlmischung, Salz und Wasser gutes Brot zu machen, das nach gutem Brot riecht», sagt sie. Die üblichen Produkte aus der Industrie hätten einen süsslichen, blumigen Geschmack und viele Zusatzstoffe, die aus ihrer Sicht nicht rein gehören.
Die Ergebnisse seien am Anfang «himmeltraurig» gewesen, lacht Beslac, aber nach etwa einem halben Jahr habe man einen Grundstock an guten Rezepturen bereit gehabt. Dann kam der Markttest: In einem Pop-up-Laden bei der Äss-Bar im Länggass-Quartier begann sie die Produkte zu verkaufen – das sprach sich rasch herum und die Schlange vor ihrem temporären Laden wurde jeden Sonntag grösser.
Um die steigende Nachfrage zu decken, konnten Beslac und Cinà eine Zeitlang in der Bäckerei Zingg in Uettligen produzieren, die auch glutenfreie Brote bäckt. Es musste aber ein Ladenlokal oder noch besser eine Bäckerei gefunden werden – idealerweise in Stadtnähe.
Eine eigene Bäckerei
Beslac hatte grosses Glück: Dank Kontakten zum Schweizerischen Bäcker-Confiseurmeister-Verband SBC erfuhr sie früh, dass per Ende 2020 im Berner Brunnmattquartier eine Bäckerei schliessen würde. Sie kontaktierte den Inhaber und konnte so schliesslich die Miete von drei Etagen und die Produktionsanlagen übernehmen.
Der Betrieb produzierte früher für drei Filialen, entsprechend grosszügig sind die Räume. Im ersten Untergeschoss befindet sich die Konditorei, im 2. UG die Bäckerei und im Erdgeschosse eine Küche, ein Büro und das Ladenlokal.
Das Sortiment von «Jovi’s glutenfreier Bäckerei» ist erstaunlich breit. Es umfasst verschiedene Brote wie Körnerbrot, Nussbrot, Focaccia oder Baguette, Rüeblibrot oder Marronibrot, aber auch Gipfeli, Brezeln, Bagel oder Zöpfli. An Süssgebäcken gibt es Linzertörtli, Brownies, Birnenweggen, Nussschnecken, Russenzopf, Schoggibrötli, Studentenschnitten, Amaretti und verschiedene Guetzli. Dazu kommen Käseküchlein, Sandwiches und weitere Produkte. Alles aus Eigenproduktion, wie Beslac betont. Damit beliefert sie auch andere Bäckereien in Bern und einzelne Restaurants.
Spüren, was ein Teig will
Die Teige sind Mischungen aus verschiedenen Mehlen: Reismehl, Linsenmehl, Buchweizenmehl, Leinsamenmehl oder auch Teffmehl (Zwerghirsenmehl). Das verkompliziert einiges: «Unsere Teige sind Ultra-Divas», lacht Jovana Beslac. «Sie reagieren völlig anders als es ein Bäcker von herkömmlichen Teigen gewohnt ist. Wir lernen jeden Tag dazu.» Bäcker Salvi Cinà sei zum Glück unglaublich kreativ und probiere alles Mögliche aus. Die Teigruhe ist viel weniger lang als bei «normalen» Broten, die Teige werden rasch und mit möglichst wenig Handgriffen verarbeitet. «Wir müssen spüren, was ein Teig von uns will», sagt Jovana Beslac. Die Luftfeuchtigkeit spiele eine grosse Rolle, wichtig sei etwa auch, wann genau ein Produkt bepinselt werde.
Die grösste Herausforderung sei es, die Feuchtigkeit und die Struktur richtig hinzubekommen, sagt Beslac. «Ich wollte keine Fladenbrote und keine Kastenbrote.» Ein Teil der Lösung sind Flohsamenschalen und Johannisbrotkernmehl. «Wir arbeiten auch noch mit Xanthan, zum Beispiel bei den Gipfeli. Vielleicht können wir darauf auch irgendwann verzichten.»
Man habe auch bald gemerkt, dass viele Maschinen, die vom früheren Bäckerei-Inhaber übernommen worden waren, für die Verarbeitung von glutenfreien Teigen untauglich waren. «Wir haben die Maschinen verkauft, vieles ist heute Handarbeit.» Geblieben sind vor allem der Ofen, eine Knetmaschine, welche die Teige aber bloss mischt, nicht knetet, und eine Ausrollmaschine für Mürbeteige.
Beslac ist stolz auf ihre Produkte. «Den Frische-Effekt und die grosse Auswahl gibt es sonst nirgends», sagt sie selbstbewusst. Sie erhalte viele begeisterte Reaktionen von Kundinnen und Kunden, auch Gedichte oder Briefe von Menschen, die dankbar seien, bei ihr ein feines glutenfreies Brötchen oder Sandwich holen zu können.
Keine überrissenen Preise
Glutenfreie Produkte sind – logischerweise – teurer als herkömmliche Backwaren. Wie setzt Jovana Beslac die Preise fest? «Wir haben höhere Rohstoffkosten, diese müssen wir decken», sagt sie. «Als selber von Zöliakie Betroffene möchte ich aber nicht möglichst viel verlangen, sondern einen fairen Preis.» Sie sieht die eigenen Produkte preislich im Mittelfeld.
«Die Kalkulationsbasis hat sich im Verlauf des ersten Jahres stark verändert», sagt Jovana. «Wir haben über zehn Mitarbeitende angestellt, die Rohstoffe wurden teurer. Deshalb mussten wir im Herbst die Preise erhöhen und haben das unseren Kunden transparent erklärt.»
Wachsen in der Produktion ist im bestehenden Betrieb kein Problem. Die Frage ist: Wie kommt man möglichst nahe an möglichst viele Kundinnen und Kunden? Jovana Beslac hat testweise in Zürich und Luzern Pop-up-Läden eröffnet, auch dort waren die «Zölis» begeistert. Die Schwierigkeit ist allerdings, ein permanentes Ladenlokal zu finden, das an guter Lage und gleichzeitig bezahlbar ist. Das sei bisher nicht gelungen, sagt Beslac, deshalb sei für 2022 das nächste Ziel, möglichst viele Partnerschaften mit Läden und Gastronomiebetrieben aufzubauen.
Auch online ein Erfolg
Und schliesslich hat sie im August 2021 einen Online-Shop lanciert, dessen Umsätze sich stark entwickeln. «Das haben wir unterschätzt», sagt Jovana Beslac. «Wir arbeiten mit der Post zusammen und können die ganze Schweiz beliefern.» Die Produkte werden zu drei Vierteln gebacken, eingeschweisst und ausgeliefert und sind am nächsten Tag beim Kunden. Dieser kann sie noch fünf Tage aufbewahren oder tiefkühlen.
Jovana Beslac hat auf ihrem bisherigen Weg viel Unterstützung von Berufskollegen und anderen Start-up-Gründern erhalten und ist dankbar dafür. Für konventionelle Bäckereien ist sie keine Konkurrenz: «Zölis gehen in keine Bäckerei.» So konnte sie etwa von früh an auf die Unterstützung von Patrick Bohnenblust von der Berner Bäckerei Bread-à-Porter zählen. «Er hat mir mit Vielem geholfen und mir Inputs aus Bäckersicht gegeben.» Sie ist auch Mitglied im SBC und ist dort in einer Erfahrungsgruppe, in der sie von den anderen lernt – und die anderen, die «gewöhnlichen» Bäcker, von ihr.

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