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Klimaschutz beim Rindvieh? Diese Massnahmen bringen am meisten

Die Schweizer Milch- und Fleischbranche will die Rindviehhaltung klimafreundlicher machen. Eine neue Studie zeigt, welche Massnahmen am meisten Erfolg versprechen - und wo es Zielkonflikte gibt.

von mos

(Pixabay)
Das Optimierungspotenzial in der Rindviehwirtschaft. (Agridea)
Aktuell laufen in der Schweiz verschiedene Projekte, um die Milch- und Rindfleischproduktion klimafreundlicher zu machen. Doch welche Massnahmen reduzieren die Klimagase am effektivsten? Das wollten die beiden Branchenorganisationen Proviande und BO Milch wissen. Sie haben die landwirtschaftliche Beratungsorganisation Agridea vor einem Jahr mit einer entsprechenden Studie beauftragt.
«Die Landwirtschaft ist für 14 Prozent der Treibhausgasemissionen der Schweiz verantwortlich, drei Viertel davon gehen aufs Konto der Rindviehwirtschaft», sagte Stefan Kohler, Geschäftsführer der BO Milch, bei der Präsentation der Studie am Donnerstag vor den Medien. Hauptgrund sei das potente Klimagas Methan, das die Kühe bei der Verdauung produzieren. Die Milch- und Fleischbranche fühle sich in der Verantwortung, die Klimagasemissionen zu reduzieren, so Kohler weiter. «Diese Studie zeigt nun, welche Massnahmen sinnvoll sind und tatsächlich etwas bringen.»
Methanhemmer im Futter und höhere Effizienz
Laut der Studie von Agridea gibt es vier grosse Hebel, um die Treibhausgase in der Rindviehwirtschaft effektiv zu reduzieren – ohne dass dadurch die produzierte Menge Milch und Fleisch zurückgehen würde. Da sind erstens Futtermittelzusätze, die den Methanausstoss der Tiere reduzieren. «Diese haben grosses Potenzial und sind einfach anwendbar», sagte Studienautorin Bettina Koster. In der Schweiz bereits im Einsatz ist der Zusatz Agolin.
Ein zweiter wichtiger Hebel ist die Effizienzsteigerung in der Rindviehhaltung. Dazu gehört eine Leistungssteigerung bei den Milchkühen und eine verlängerte Nutzungsdauer der Milch- und Mutterkühe. Kann die Milchleistung einer Kuh gesteigert werden, etwa in dem sie mehr Kraftfutter zu fressen bekommt, braucht es insgesamt weniger Kühe, um die selbe Menge Milch zu produzieren, was sich positiv aufs Klima auswirkt. Auch eine längere Lebenszeit ist klimafreundlich. Der Grund: Die ersten rund zweieinhalb Jahre ihres Lebens gibt eine Kuh keine Milch, stösst aber dennoch Methan aus. Lässt man Milchkühe länger leben, sinkt der Methanausstoss pro Kilogramm Milch. Der Effekt der längeren Lebenszeit ist laut der Studie jedoch geringer als die Wirkung der Leistungssteigerung. «Beim Herdenmanagement muss man bei jedem Betrieb einzeln schauen, was der Landwirt verbessern kann, das ist sehr beratungsintensiv», sagte Bettina Koster.
Neue Züchtungen und Biogas
Namhaftes Reduktionspotenzial hat auch die Züchtung des Rindviehs auf eine hohe Futtereffizienz bei gleichzeitig tiefen Methanemissionen. Züchtungen bräuchten jedoch Zeit, das Potenziel lasse sich deshalb erst langfristig ausschöpfen, sagte Agridea-Forscherin Koster.
Einen letzten grossen Hebel sieht die Studie in einem verbesserten Hofdüngermanagement. Dazu gehören etwa das Abdecken von Güllegruben, wodurch weniger Klimagase entweichen könnten, oder die Reduktion von mineralischem Dünger. Besonders wirkungsvoll wäre es, wenn Mist und Gülle vor dem Ausbringen aufs Feld angesäuert oder in einer Biogasanlage vergärt würden. Bei der Gülleansäuerung wird die Gülle zum Beispiel mit Milchsäurebakterien angesäuert. Das reduziert die Ammoniakemissionen. Aktuell gebe es in der Schweiz aber erst zwei Pilotanlagen zur Ansäuerung, sagte Koster, viele Fragen seien noch offen. Breitflächig umsetzbar sei diese Methode deshalb noch nicht. Weiter verbreitet sind Biogasanlagen, bei denen das klimaschädliche Methan nicht in die Atmosphäre gelangt, sondern zur Energieerzeugung genutzt wird. Die Kosten sowie die Politik seien hier aktuell aber noch limitierende Faktoren, heisst es in der Studie.
40 Prozent Optimierungspotenzial
Laut der Agridea-Studie könnte mit diesen Massnahmen die Treibhausgas-Bilanz der Rindviehhaltung deutlich verbessert werden, ohne die Fleisch- und Milchproduktion drosseln zu müssen. 5408 Kilotonnen CO2-Äquivalente gehen heute jährlich aufs Konto der Rindviehwirtschaft. «Würden alle Massnahmen des Berichts flächendeckend umgesetzt, könnte man rein rechnerisch rund 2200 Kilotonnen einsparen», sagte Koster. Das ist eine Reduktion von 40 Prozent. Ob sich dieses berechnete Potenzial in der Realität tatsächlich in diesem Ausmass ausschöpfen lasse, sei aber eine andere Frage, so Koster.
Klimaschutz im Grünen Teppich
Die beiden Branchen wollen nun aufgrund der Studie prüfen, welche Massnahmen sich sinnvoll umsetzen lassen. Die BO Milch nutzt die Erkenntnisse, um den Branchenstandard für nachhaltige Milch auszubauen, wie Stefan Kohler sagte. Bisher fehlen im sogenannten Grünen Teppich zwingende Klimaschutzkriterien, die die Milchproduzenten erfüllen müssen. Voraussichtlich Ende 2023 sollen nun neue Kriterien im Bereich Klimaschutz, Fütterung, Tiergesundheit und Biodiversität in den Grünen Teppich aufgenommen werden.
Auch die Fleischbranche will die Studie zur Weiterentwicklung ihrer Mehrwertstrategie nutzen und etwa Labelprogramme klimafreundlicher gestalten. Die Studie habe aber auch gezeigt, wo es Wissenslücken gebe, die es mit weiterer Forschung zu stopfen gelte, sagte Proviande-Direktor Heinrich Bucher.
Allerdings lauern bei der Umsetzung der Massnahmen verschiedene Zielkonflikte. Kühe mit höherer Milchleistung seien zwar klimafreundlicher, diese höhere Effizienz könne aber auf Kosten der natürlichen Fütterung oder des Tierwohls gehen, nannte Kohler ein Beispiel. «In solchen Situationen müssen wir sehr genau abwägen, wo wir die Prioritäten setzen.»
Mehr Importe sind keine Lösung
Die Studie untersucht explizit, wie sich die Treibhausgase bei gleichbleibender Milch- und Fleischproduktion reduzieren lassen. Wäre es aber nicht effektiver, den Rindviehbestand in der Schweiz zu reduzieren? «Solange die Konsumenten Milch und Fleisch konsumieren, ist es sinnvoll, diese Nachfrage durch eine inländische Produktion zu decken», sagte dazu Heinrich Bucher von Proviande. Reduziere man die Produktion, während der Konsum gleich bleibe, verliere man Wertschöpfung und verlagere das Klimaproblem einfach ins Ausland. Gleich sieht das auch Stefan Kohler von der BO Milch: «Wenn wir die Käseproduktion in der Schweiz dem Klima zuliebe zurückfahren, dafür aber mehr holländischen Käse importieren, nützt das dem Klima rein gar nichts.»
Der Bericht «Klimaschutz beim Rindvieh» kann auf der Website von Agridea heruntergeladen werden: https://www.agridea.ch/de/themen/klimawandel/ (unter abgeschlossene Projekte)