Bouillon aus der alten Suppenfabrik
Giuseppe Reveruzzi hat seine Suppen- und Saucenproduktion im boomenden «The Valley» in Kemptthal eingerichtet. Dort produziert er für die eigene Marke «Nullkommanull», aber auch für andere Firmen.

In der ehemaligen Maggi-Fabrik im zürcherischen Kemptthal wird wieder Suppe produziert – im etwas kleineren Massstab und in anderer Qualität als früher. Im vordersten Teil des charakteristischen Riesengebäudes aus gelbem Backstein hat sich Giuseppe Reveruzzi mit seinem Start-up Nullkommanull auf zwei Stöcken eingerichtet – im Haus befinden sich auch der Fleischersatz-Überflieger Planted und weitere Food-Start-ups.
Nullkommanull steht für «ohne Zusatzstoffe, ohne künstlichen Aromen, ohne Laktose und Gluten». Dafür enthalten Reveruzzis drei Bouillon-Varianten mit Gemüse, Geflügel und Rind möglichst viel von eben diesen Rohstoffen. «Nullkommanull ist für Menschen, die auf die Ernährung achten und die frisch kochen», sagt Reveruzzi. Die Produkte werden nicht als Pulver oder Würfel, sondern als Paste im Glas verkauft – die wichtigsten Kunden sind der Biogrosshänder BioPartner, Bioläden, Alnatura und Onlineshops wie Farmy. Die Gemüsebouillon und die Rindsbouillon produziert Reveruzzi in Bioqualität, das Gemüse kauft er möglichst regional ein, das Rindfleisch stammt vom Ueli-Hof im luzernischen Ebikon. Bei der Geflügelbouillon sei er daran, sie auch auf Bioniveau zu hieven, sagt Reveruzzi.
Schrittweise Automatisierung
Reveruzzi hat aktuell zwei Mitarbeitende in der Produktion, ab Juli soll eine weitere Person fürs Marketing dazukommen. Die Produktion ist teilweise automatisiert, so gibt es etwa eine Schälmaschine für längliche Gemüse wie Karotten, eine Schneidmaschine oder eine automatische Abfüllanlage für Saucenbeutel. Schälen ist teilweise aber auch Handarbeit. Nach dem Einkochen und Zerkleinern der Bouillonmasse wird auf einer automatischen Anlage abgefüllt, im Autoklav, in dem je nach Glasgrösse 400 bis 600 Gläser Platz haben, wird sterilisiert oder pasteurisiert. Die Maschinen – alle auf Rollen – kann Reveruzzi je nach Produktion optimal platzieren, sein Plan ist es, das Ganze nach und nach, mit steigenden Aufträgen und steigender Menge, auch immer mehr zu automatisieren. Auf dem jetzigen Stand sei die Auslastung schon nicht schlecht, sagt Reveruzzi, er produziert im Schnitt vier Mal die Woche, bis zu 800 Liter Produkte am Tag.
Bessere Qualität, höherer Preis
Bevor er sich selbständig gemacht hat, arbeitete Reveruzzi an verschiedenen Posten in einer Grossmetzgerei und bei einem Grossimporteur im Einkauf und Verkauf. Er ist in der Lebensmittelbranche gut vernetzt. Die Idee zur eigenen Bouillon kam Reveruzzi aber schon in seiner ursprünglichen Tätigkeit als gelernter Koch. «Da habe ich immer mit frischem Gemüse und frischem Fleisch gearbeitet, aber wegen der Fertigbouillon oder Fertigsauce schmeckte trotzdem alles gleich.» Reveruzzi begann 2015 in der eigenen Küche zu tüfteln, um eine Bouillon mit möglichst viel Geschmack und nicht zu viel Salz zu entwickeln. Er produzierte am Abend und am Wochenende und begann, die Produkte an Märkten und Messen zu verkaufen und degustieren zu lassen, den Salzgehalt passte er aufgrund der Feedbacks mehrfach an. «Ich habe gemerkt, dass es eine Nachfrage nach Bouillon aus frischem Gemüse und Fleisch gibt», sagt Reveruzzi, «und hatte mit der Zürcher Biolandkette Bachsermärt relativ rasch den ersten Kunden.» Preislich heben sich die Produkte deutlich ab, sie sind zwei bis drei Mal so teuer wie eine Standardbouillon. Nicht ohne Grund: «Bei meiner Gemüsebouillon sind 70 bis 75 Prozent Gemüse drin», sagt Reveruzzi. «Bei einer herkömmlichen Bouillon sind es vielleicht 2 bis 3 Prozent.»
Reveruzzi liess die Produkte bei einem externen Lohnunternehmer produzieren. Dieser haute ihn aber übers Ohr und verkaufte eine zum Wegwerfen bestimmte Fehlproduktion unter Reveruzzis Marke Nullkommanull in der Ostschweiz – ein grosser Dämpfer. Gleichzeitig war es ihm eine Lehre. Ihm war nun klar, dass er selber produzieren wollte. Dafür mietete er zuerst eine Zeitlang eine Gemeindeküche, doch dort wurde es auch bald zu eng, und so stiess er bei der erneuten Suche auf das Valley in Kemptthal.
Lohnaufträge für kleine Chargen
Den Mietvertrag unterschrieb er im Frühjahr 2020, kurz bevor Corona über die Welt hereinbrach. «Das machte mir schon etwas Sorgen», gibt er zu. Akquise war im ersten Corona-Jahr schwer möglich, aber immerhin hatte er erste Kunden und war nicht auf die Gastronomie angewiesen, die schliessen musste. Und er konnte sich auf den Aufbau der Produktionsanlagen in Kemptthal konzentrieren.
Reveruzzis ursprüngliche Idee war, ein breites eigenes Sortiment aufzubauen, davon ist er vorläufig abgekommen: Jede neue Sorte braucht eigene Etiketten, eigene Rezepturen und generiert neue Kosten. Nach den Investitionen in die Anlagen muss das Geschäft wachsen, mit Lohnaufträgen ist es einfacher. Deshalb produziert er inzwischen nicht nur für Nullkommanull, sondern übernimmt viele Aufträge für andere Firmen – Produktionen, Abfüllungen oder Etikettierungen von Suppen, Saucen oder anderen Produkten im Glas oder im Plastikbeutel. So produziert er etwa Saucen für die Foodtrucks von Veganitas und Planted, oder er füllt Rindsfett ab für den Alpenhirt. Reveruzzi arbeitet auch mit Agilery zusammen, einer Firma, die Start-ups mit Produzenten für kleine Chargen vernetzt (s. foodaktuell Nr. 4 vom April 2022). «Wir beraten die Start-ups auch und zeigen ihnen, welche Ideen sinnvoll und realisierbar sind.» Letztlich aber sei es doch ein Ziel, sagt er, irgendwann weitere Produkte für die eigene Marke zu entwickeln, um auch «Nullkommanull» auszubauen.