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«Micarna-Metzger haben ihren Job auch 2040 noch»

Ein Milchersatz aus Ribelmais, vegan wurstende Metzger und Social Media als Trendbarometer und Absatzbooster: die Fachtagung «Vision Ernährung 2051» bot einen bunten Strauss an Themen.

Die Fachtagung fand als hybrider Anlass statt. (LZSG)

Der Ribelmais ist eine AOP-geschützte Spezialität aus dem Rheintal - und hat das Zeug zu einer hippen Milchalternative. Davon ist Christian Lütolf überzeugt. Seit 2018 leitet er als Geschäftsführer das Familienunternehmen Lütolf AG, das in St. Margrethen eine Getreidesammelstelle betreibt. Ein wichtiges Standbein ist der Ribelmais. Die Tochtergesellschaft Lütolf Spezialitäten AG stellt daraus Bramata, Mehl und Chips her. Bei der Verarbeitung des Ribelmais zu Mehl beziehungweise Griess fällt als Nebenprodukt Maisdunst an. Könnte man daraus nicht einen pflanzlichen Milchersatz machen?, fragte sich Lütolf. «Vegane Alternativen sind gefragt, es gibt aber erst einen Schweizer Milchersatz auf dem Markt, zudem ist Maisallergenfrei und kann in der Schweiz gut angebaut werden», sagte er in seinem Referat an der Fachtagung «Vision Ernährung 2051» (siehe «Mehr zum Thema»).
Nach ersten ermutigenden Versuchen in der eigenen Küche holte Lütolf ETH-Studierende an Bord, die einen Prototypen kreierten, der an der Olma verkostet wurde. Im Rahmen eines Innosuisse-Projekts prüfte ein Team der Zürcher Hochschule für Wissenschaften (ZHAW) dann in einer Machbarkeitsstudie genauer, wie sich Maisdunst als Grundlage für Getränke eignet. Süsslich und leicht cremig sei der «Ribelmaisdrink», sagte Lütolf. Der Proteingehalt sei vergleichbar mit Haferdrink, aber der Geschmack sei ganz anders. Auch Joghurts aus dem Maisdrink herzustellen, sei möglich, verriet Lütolf. Auf dem Markt ist der Ribelmaisdrink noch nicht.
Mensch und Maschine
Sprühdrohnen, die Pflanzenschutzmittel ganz gezielt ausbringen, smarte Hackroboter, die mit Bilderkennungsverfahren Zuckerrüben vom Unkraut unterscheiden können, oder Systeme, die mit Satelliten- oder Drohnenbildern analysieren, wie grün Kulturen sind und basierend darauf Düngeempfehlungen abgeben: Roboter und künstliche Intelligenz sind längst auf den Äckern und Feldern angekommen. «Klug eingesetzt und weiterentwickelt» seien Digitalisierung und Robotik ein Teil der Lösung, um die Landwirtschaft nachhaltiger zu machen, sagte Achim Walter, Professor für Kulturpflanzenwissenschaften an der ETH Zürich, in seinem Referat.
Ein Zuckerrüben-Hackroboter sei mit ein bis zwei Kilometern pro Stunde zwar so langsam unterwegs «wie die Grossmutter am Krückstock», aber weil er kontinuierlich übers Feld fahre, komme er dennoch auf eine hohe Schlagzahl. Gemessen an den vielen hundert Arbeitsstunden, die man im biologischen Landbau für das Jäten von Hand einsetzen müsse, sei das eine grosse Erleichterung.
Walter plädierte dafür, auch die soziale Nachhaltigkeit von Robotiksystemen in der Landwirtschaft mitzudenken. So gebe es zwar bereits vollautonome Erdbeerpflückroboter. Sinnvoller, als den Menschen ganz aus dem System herauszunehmen, seien aber Mischsysteme, bei denen die Roboter zum Beispiel die leeren Erdbeerkisten zu den Pflückern bringen und die vollen Kisten wieder mitnehmen.
Vom Nischenmarkt zum Mainstream?
«Wir sind Fleisch», lautete das Motto der Fleischverarbeiterin Micarna früher. Heute versteht sich die Migros-Tochter als Proteinverarbeiterin, für die auch alternative Proteine eine wichtige Rolle spielen. «Wir möchten unsere tierischen Leaderprodukte auch in einer pflanzlichen Variante anbieten», sagte Ralph Langholz, Leiter alternative Proteine bei Micarna. Am besten verkaufe sich in der Migros das pflanzliche Hack, auch Würste und die Fischstäbli-Alternative liefen sehr gut.
Fleischersatzprodukte seien heute in der Schweiz zwar gut akzeptiert. Gemessen am Fleischmarkt mit einem Detailhandelsumsatz von rund 5400 Millionen Franken im Jahr 2020 seien sie (Umsatz: 117 Mio. Franken) aber «immer noch ein Nischenmarkt», sagte Langholz. Laut Prognosen würden Fleischalternativen und Laborfleisch zwar bis 2040 zulegen. Aber auch dann werde man noch Fleisch essen. «Da kann ich unsere Micarna-Metzger immer beruhigen: Auch 2040 habt ihr noch eure Jobs.» Ausserdem: «Ein Metzger, der sein Handwerk versteht, macht auch eine gute vegane Wurst, wenn er sich darauf einlässt.»
Pflanzliche Proteine aus Schweizer Anbau spielen bisher bei der Produktion kaum eine Rolle, abgesehen von Tofu und Haferdrink. Das liege daran, dass in der Schweiz die nötigen Verarbeitungsmöglichkeiten fehlten, sagte Langholz. Damit aus einer Erbse ein Steak wird, müssen deren Proteine konzentriert und isoliert werden. Solche Proteinisolatfabriken gibt es in der Schweiz noch nicht. «Solange das noch ein Nischenmarkt ist, stellt sich die Frage, ob sich eine Schweizer Isolatfabrik wirklich lohnt, oder ob Importe nicht Sinn machen.»
Wie gesund sind die hochverarbeiteten Fleischalternativen eigentlich?, kam eine Frage aus dem Publikum. Natürlich brauche es Aromen und Zusatzstoffe, um aus pflanzlichen Proteinen ein fleischähnliches Produkt herzustellen, sagte Langholz. «Aber das sind alles zugelassene Zutaten.» Gesundheitlich bedenklich sei das nicht. «Aber jeden Tag vegane Nuggets zu essen, ist sicher auch nicht gesund. Es braucht eine ausgewogene Ernährung.» Die Micarna arbeite auch stetig daran, den Gehalt von Salz und Fett in den veganen Produkten zu reduzieren.
Das Potenzial der Insekten
Auf der Suche nach alternativen Proteinen hat die Micarna auch mit Insekten experimentiert. Die «Pop Bugs» floppten aber. Ans riesige Potenzial von Insekten glaubt hingegen Andreas Baumann, Leiter Marktsegment Insekten beim Ostschweizer Technologiekonzern Bühler, der unter anderem Anlagen für Insektenfabriken baut. 1,3 Millionen Tonnen Abfälle fallen pro Jahr weltweit bei der Nahrungsmittelproduktion an. Insekten wie Waffenfliegen, Mehlwürmer oder Grillen könnten diese Abfälle in wertvolles Protein für die menschliche Ernährung oder die Fütterung von Heim- und Nutztieren umwandeln, sagte Baumann.
Insektenprotein steckt derzeit noch in der Startphase. Laut Prognosen dürfte der weltweite Insektenproteinmarkt bis im Jahr 2030 bei 730'000 Tonnen liegen, 70 bis 80 Prozent davon sollen als Tierfutter verwendet werden. Die grösste Herausforderung im Futtermittelbereich sei derzeit der Preis. Insektenmehl sei rund doppelt so teuer wie Fischmehl. Ein Grund dafür seien neben der fehlenden Skalierung auch gesetzliche Limitierungen. Aktuell dürfen nur Industrieabfälle wie Biertreber oder Kartoffelschalen verfüttert werden, Küchenabfälle aus den Restaurants sind nicht zugelassen. «Da ist das Potenzial gross. Es bestünde sogar die Chance, dass die Insektenproduzenten Geld bekommen, wenn sie diese Küchenabfälle verwerten.» Aus Sicht der Lebensmittelsicherheit sei das unbedenklich, sagte Baumann. Langfristig wäre es sogar denkbar, dass Gülle und Schlachtabfälle an Insekten verfüttert würden.
Feta ausverkauft dank TikTok-Video
Was koche ich heute? Millionen von Menschen nutzen täglich die sozialen Medien, um Rezeptideen zu suchen. Instagram, TikTok und Co. seien deshalb der ideale Barometer, um Food-Trends zu erkennen, sagte die Foodbloggerin und Influencerin Anastasia Flammer (anaundnina.ch). Gesucht seien vor allem vegetarische Rezepte, die man einfach und schnell nachkochen könne, auch Resteverwertung komme gut an. «Die Nische kocht kompliziert, die Mehrheit kocht simpel», so Flammer.
Dass ein Hype in den sozialen Medien sich in Verkaufszahlen niederschlagen kann, beweist die TikTok-Pasta. Eine junge Finnin postete auf der Plattform ein Video, wie sie im Backofen Pasta mit Feta zubereitet. Das Video ging viral. «In verschiedenen Ländern wie den USA, Finnland, Schweden und England war Feta danach zeitweise ausverkauft», sagte Flammer. In der westlichen Welt sei der Fetaabsatz im Februar und März 2021 aufgrund des Videos um 117 Prozent gestiegen. «Diese Zahlen zeigen: Absatz über Social Media funktioniert.»

Milchwirtschaftliches Museum

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