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«Wir wollen Gleichberechtigung»

Seit einem Jahr gibt es den Schweizer Verband für alternative Proteine (SPA). Geschäftsführerin Karola Krell spricht über fehlende Förderung in der Landwirtschaftspolitik und wieso ihr Verband «fleischige» Namen für pflanzliche Produkte angebracht findet.

«Unser Ziel ist es, den alternativen Proteinen den gleichen Platz einzuräumen wie den tierischen Proteinen»: Karola Krell, Geschäftsführerin der Swiss Protein Association. (mos)

Karola Krell, wozu braucht es eigentlich einen Verband für alternative Proteine?
Angesichts der Klimaveränderung ist eine Umstellung des heutigen Ernährungssystems dringend gefordert. Die Ernährung muss nachhaltiger werden – und darum müssen Alternativen zu herkömmlichen tierischen Lebensmitteln gefördert werden. Ziel der SPA ist es, beste Rahmenbedingungen für die Produktion und Vermarktung von alternativen Proteinen in der Schweiz zu schaffen und so einen Beitrag zur Nachhaltigkeit zu leisten.
Weg von Fleisch und Milch – das wird die Milch- und Fleischbranche nicht gerne hören.
Die SPA sagt nicht, dass es in Zukunft keine Milch und kein Fleisch mehr geben soll. Der Mensch braucht Proteine zum Überleben und wir können nicht den ganzen Planeten nur mit Pflanzen ernähren. Tierische Proteine haben auch in Zukunft ihre Berechtigung, wenn auch in kleinerem Ausmass. Unser Ziel ist es, den alternativen Proteinen den gleichen Platz einzuräumen wie den tierischen Proteinen. Heute werden alternative Proteine im Vergleich zu tierischen Produkten ungleich behandelt. Das fängt bei den Fördermitteln in der Landwirtschaft an und hört bei der Bezeichnung der fertigen Produkte auf, wo es viele Einschränkungen gibt. Wir wollen Gleichberechtigung.
Die Ungleichbehandlung, die Sie ansprechen, beginnt auf dem Feld: Für Ackerbohnen, Eiweisserbsen und Lupinen zahlt der Bund bislang nur dann Einzelkulturbeiträge, wenn sie als Tierfutter angebaut werden, nicht aber, wenn sie für die menschliche Ernährung gedacht sind. Künftig will der Bund auch für den Anbau von Körnerleguminosen zahlen, die auf unseren Tellern landen. Ein Schritt in die richtige Richtung?
Definitiv. Zudem dienen Körnerleguminosen auch der Bodengesundheit, da sie in der Lage sind Luftstickstoff zu binden. Daher ist es wichtig, dass der Bund die einheimische Produktion von Proteinpflanzen fördert und unterstützt. Es sollten in jedem Fall für den Anbau von Proteinpflanzen die gleichen Förderbedingungen gelten wie für die Flächen zur Produktion von tierischen Lebensmitteln und Futtermitteln. Der einheimische Anbau von Proteinpflanzen macht aber nur Sinn, wenn diese Rohstoffe auch in der Schweiz verarbeitet werden können.
Daran hapert es derzeit noch.
Bislang fehlen in der Schweiz Unternehmen, die zum Beispiel Proteinisolate herstellen können. Da stecken wir in einem Teufelskreis. Seit unserer Gründung sind wir im Austausch mit dem Bauernverband und der Getreidebranchenorganisation Swissgranum. Von der Produzentenseite hören wir: Wir können schon alternative Proteine anbauen, aber wir brauchen Abnahmegarantien. Die Lebensmittelhersteller wiederum sagen: Wir kaufen keine heimischen Rohstoffe, wenn sie sich nicht hierzulande weiterverarbeiten lassen und wenn wir nicht die gewünschte Menge und Qualität bekommen.
Wie wollen Sie aus diesem Teufelskreis rauskommen?
Wir sind im Austausch mit landwirtschaftlichen Verbänden, um die Zusammenarbeit voranzutreiben. Ich gehe davon aus, dass wir schon bald mit den heimischen Landwirten kleine Projekte realisieren können. Kommt hinzu: Heute sind Alternativprodukte noch ein Nischenmarkt. Mit der Aussicht auf eine weiterhin steigende Nachfrage werden sich auch Investoren finden, die Verarbeitungsbetriebe in der Schweiz bauen. Dann wird auch die Nachfrage nach heimischen Proteinpflanzen wachsen. Wann es so weit sein wird, kann ich aber nicht sagen.
Die SPA vertritt die Position, dass die Privatwirtschaft die Kosten für den Aufbau des Marktes für alternative Proteine nicht allein stemmen könne. Sie fordern also Geld vom Bund. Wie viele Millionen schweben der SPA vor?
Die Akteure sind zu heterogen, um hier konkrete Beträge fordern zu können. Es gibt heute aber keinen Grund mehr, für den Anbau und Absatz von Proteinpflanzen nicht die gleichen Förderbedingungen vorzusehen wie für Fleisch und Milch. Zum Schutz unserer Umwelt sollte die Politik motiviert sein, die notwendigen Veränderungen in der Gesetzgebung und Fördermittelverteilung zu verankern.
Um diese Ziele zu erreichen, braucht die SPA Verbündete im Bundeshaus. Hat Ihr Verband schon Politikerinnen und Politiker für die Sache der alternativen Proteine gewinnen können?
Die SPA ist im Austausch mit einigen Nationalräten und wird diese während der Herbstsession treffen, um eine weitere Zusammenarbeit zu besprechen. Zudem ist der «Tag der alternativen Proteine», den die SPA am 20. September 2022 zum ersten Mal durchführt (siehe «Mehr zum Thema»), auch im Bundeshaus ein Thema. Das Bundeshausrestaurant «Galerie des Alpes» macht mit und bietet ein Gericht mit pflanzlichen Alternativen an.
Die Fleischbranche stört sich daran, dass Veggieprodukte mit «fleischigen» Begriffen wie «Wurst», «Schnitzel» oder «Burger» verkauft werden. Wie ist die Haltung der SPA in dieser Frage?
Der SPA ist es ein Anliegen, dass Lebensmittel aus alternativen Proteinen leicht erkennbar sind und die Bezeichnung und die Aufmachung die Konsumierenden weder täuschen noch vom Kauf abhalten. Bei alternativen Proteinquellen handelt es sich um neue Produkte. Deshalb muss den Konsumierenden heute noch erklärt werden dürfen, welches tierische Erzeugnis damit ersetzt werden kann. Aus unserer Sicht muss deshalb ein Vergleich mit bestehenden tierischen Lebensmitteln möglich sein, zum Beispiel die Bezeichnung «Schmeckt wie Cervelat». Ebenfalls muss eine Abgrenzung zu bestehenden tierischen Produkten möglich sein, sofern sie zu einer erhöhten Transparenz ohne Herabsetzung beiträgt, zum Beispiel «vegetarischer Thunfisch» oder «Milch-Alternative».
Das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) sieht das anders. In einem Rundschreiben hält es fest, dass Begriffe wie Cervelat oder Wienerli nicht für pflanzliche Produkte verwendet werden dürfen. Auch «pflanzlicher Thunfisch» sei nicht zulässig.
Hier geht es um die Interpretation des Täuschungsverbots. Kein Inverkehrbringer von Ersatzprodukten hat ein Interesse daran, seine Kunden zu täuschen. Auch das BLV verweist darauf, dass immer eine Gesamtbetrachtung erforderlich ist, die sowohl die Bezeichnung als auch andere Aspekte der Aufmachung des Produkts miteinbezieht. Jeder Fall ist damit ein Einzelfall und schlussendlich kommt es auf die Sicht des Durchschnittskonsumenten an und nicht auf die des Bundesamts.
Pflanzliche Alternativen suggerieren, dass sie tierische Lebensmittel ersetzen können. Ob ich mit einem Veggiewürstli aber tatsächlich dieselbe Menge und Qualität an Proteinen und anderen Nährwerten kriege wie bei einem Wienerli, kann ich als Konsument nicht auf Anhieb erkennen. Bräuchte es da eine zusätzliche Information, um den Vergleich mit tierischen Produkten zu erleichtern?
Ja. Der Vergleich von und die Information über die Nährwerte sind nötig, damit die Konsumenten bewusst entscheiden können, ob ein alternatives Produkt das tierische Erzeugnis zu ersetzen vermag. Hierfür ist noch eine transparente Information über zum Beispiel die Proteinquelle oder das Profil der Proteine zu definieren. Denkbar wäre zum Beispiel eine Art «Score».
Bei den alternativen Proteinen geht es häufig auch um neue Methoden wie Laborfleisch oder Präzisionsfermentierung, bei dem auch gentechnisch veränderte Hefebakterien eingesetzt werden. Welche Position vertritt hier die SPA?
Um alternative Proteine zu fördern, braucht es neue Produktionsmethoden. Die Industrie ist hier sehr innovativ und stellt damit den Rechtsrahmen auf die Probe. Die Schweiz ist da leider noch genauso konservativ wie die EU und sieht aufwendige Bewilligungsverfahren für Novel Food oder gentechnisch veränderte Organismen (GVO) vor. Wir fordern die umgehende Zulassung von neuen Schlüsseltechnologien und die Schaffung von wissenschaftlich begründeten und fairen Rahmenbedingungen. Es ist zentral, dass neuartige Technologien ohne Ideologisierung und auf wissenschaftlicher Grundlage bewertet werden. Wir dürfen auch den Anschluss an die Entwicklung im Ausland nicht verlieren. Sonst wird die Schweizer Industrie benachteiligt und der Produktionsstandort Schweiz unattraktiv. Klar ist aber auch: Die Lebensmittelsicherheit muss auf jeden Fall auch mit den neuen Produktionsmethoden gewährleistet sein.
Die Mitglieder der SPA sind sehr unterschiedlich aufgestellt: Da gibt es Start-ups, die aus ethischer Überzeugung vegane Produkte herstellen. Mit Bell und Micarna sind aber auch die zwei grössten Fleischverarbeiter der Schweiz dabei. Führt das nicht zu Spannungen?
Für den Verband ist die Diversität der Mitglieder ein grosser Gewinn. Heute ist es insbesondere wichtig, dass sich hier die grossen Unternehmer einbringen und einsetzen. Das fördert die Sichtbarkeit und Wertigkeit der alternativen Proteine. Davon können auch die kleineren Mitglieder profitieren. Im Übrigen kam die Initiative zur Gründung unseres Verbandes von den grossen Fleischherstellern, die auch im Bereich kultiviertes Fleisch und pflanzliche Ersatzprodukte tätig sind.
Wenn so unterschiedliche Mitglieder an einem Tisch sitzen, fördert und fordert das die Denkweise. So entstehen kreative Ideen und Synergien, von denen alle profitieren. Aber zu politischen Geschäften beziehen wir keine Stellung. Dazu sind die Interessen und Anliegen unserer Mitglieder zu verschieden. Zu einer Vorlage wie der Massentierhaltungsinitiative zum Beispiel gibt es in unserem Verband keine einheitliche Meinung.
Die SPA ist jetzt ein Jahr alt, was hat Ihr Verband in den nächsten zwölf Monaten vor?
Die Sichtbarkeit des Verbands und damit seiner Mitglieder steht sicher im Fokus – die dringende Forderung für eine Umstellung auf alternative Proteine muss in der Öffentlichkeit ankommen. Dazu werden wir die in diesem Jahr eingeführten Aktionen wie Stammtische, Workshops und den Tag der alternativen Proteine auch 2023 fortsetzen. Und wir werden die Zusammenarbeit mit Politikerinnen und Politikern, anderen Verbänden und weiteren Stakeholdern intensivieren.
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Start-ups und Grossunternehmen 
Die Swiss Protein Association (SPA) wurde vor einem Jahr von führenden Lebensmittelherstellern und Start-ups der Schweiz gegründet. Inzwischen hat sie 20 Mitglieder, darunter die grossen Fleischverarbeiter Micarna und Bell, der Technologiekonzern Bühler und zahlreiche Start-ups wie Planted. Die Mitgliedschaft steht grundsätzlich allen Unternehmen offen, die in der Schweiz Lebens- und Futtermittel (Rohstoffe und Endprodukte) aus alternativen Proteinquellen vertreiben, herstellen oder exportieren. Für Interessensgruppen ist auch eine assoziierte Mitgliedschaft vorgesehen. Der Verband deckt dabei das ganze Spektrum ab von pflanzenbasiert über Fermentation und kultiviertes Fleisch bis hin zu Insekten.
www.swissproteinassociation.ch

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