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«Die Zukunft sind hybride Produkte»

Im Markt für pflanzliche Fleischalternativen kommt nach dem Hype die Ernüchterung. Björn Witte, CEO bei der Investmentfirma Blue Horizon, erklärt im Interview mit foodaktuell, wie es weitergeht bei den alternativen Proteinen und wie sich diese Industrie entwickeln muss.

foodaktuell: Ihre Firma Blue Horizon hat im Dezember 2022 bekanntgegeben, dass sie in Arkeon investiert. Dieses Start-up will Protein aus CO2 herstellen. Das klingt ja, als ob damit nicht nur das Proteinproblem, sondern auch das Klimaproblem gelöst wäre. Am besten, Sie investieren nur noch dort und lassen alles andere sein.
Björn Witte: Das wäre natürlich schön (lacht). Arkeon entwickelt eine Grundsatztechnologie, bei der noch nicht klar ist, ob sie skalierbar ist. Arkeon ist Teil unseres Seed-Portfolios, mit Technologien, die vielleicht in sieben oder acht Jahren einen grossen Impact haben können, es lohnt sich, hier dabei zu sein. Damit werden nicht alle Probleme der Welt gelöst sein, und ich würde nicht alles darauf setzen. Hier geht Hochrisikokapital in ein frühes Start-up.
Seit einigen Monaten liest man, viele Menschen hätten von pflanzenbasierten Fleisch- und Milchalternativen schon genug. Beyond Meat, der einstige Überflieger, und der Hafermilchproduzent Oatly haben an der Börse massiv an Wert verloren. Wie steht der Markt für pflanzenbasierte Proteine wirklich da?
Wir haben unsere Beyond-Meat-Aktien mit sehr gutem Gewinn rechtzeitig verkauft. Bei Oatly haben wir nicht investiert, Hafermilch ist zwar ein tolles Produkt, aber ohne viel Technologie.
Diese beiden Firmen wurden stark gehypt, sie sind börsenkotiert, aber sie repräsentieren nicht den Markt. Aber klar: Die Rezession hat auch diesen Markt getroffen, die Bewertungen mancher Firmen waren viel zu hoch, manche haben auch vergessen, was ein richtiges Geschäftsmodell ist. Der Markt für pflanzliche Fleischalternativen ist jetzt auf einem Plateau, die Preise sinken. Die nächsten Produkte werden vom Geschmack und von der Textur her viel besser sein, die Aussichten sind positiv. Dieser Markt wird bis 2035 um das Fünf- bis Zehnfache wachsen.
Eine grosse Zukunft also für pflanzliche Proteine.
Die Zukunft sind hybride Produkte. Man wird pflanzenbasierte Produkte kombinieren mit Produkten aus Präzisionsfermentation oder zellbasierten Produkten. Ich habe kürzlich ein Fleischersatzstück probiert, bei dem extrudierte pflanzliche Rohstoffe mit Fermentation und mit Fettzellen kombiniert wurden. Das hat erstaunlich gut geschmeckt.
Bei der Firma Livekindly (s. Kasten), die wir mitgegründet haben, sehen wir, wo und wann die Preispunkte runterkommen. Burger King bietet in den Niederlanden das ganze Sortiment auch pflanzenbasiert an – wahrscheinlich auch, weil die Marge interessant ist. Auch bei den Milchalternativen ist die Marge gut, die Einzelhändler lieben diese Kategorie. Die Margen werden auch neu verteilt: Die Jungen sind nicht mehr so markentreu, viele Handelsmarken werden stärker.
Ist die Zeit der Start-ups vorbei? Übernehmen jetzt grosse Firmen, wo es mehr um Skalierung als um Produktideen geht?
Ich glaube nicht. Die Innovation stammt nach wie vor zu einem grossen Teil aus kleinen Firmen. Pro Jahr fragen uns 1500 bis 2000 Firmen für Investitionen an, daran hat sich nichts geändert. Verändert hat sich, dass die Firmen besser planen müssen: Wie sieht das Geschäftsmodell aus, wann kommt der Break-Even? Es gibt wohl etwa 20 Prozent Firmen im Markt, deren Geschäftsmodell darin besteht, die Investoren anzurufen und zu sagen: Schick mal mehr Geld, es wird schon irgendwie klappen.
Was stimmt: Die Industrie braucht mehr Skalierung, sie muss die Verarbeitungskosten der Fleischindustrie anpassen, die da sehr effizient ist. Die Firmen müssten mehr zusammenarbeiten, viele brauchen Extruder beispielsweise von Bühler aus der Schweiz, können sie aber nicht auslasten. Obschon ein Bühler-Extruder heute noch weniger als eine Tonne pro Stunde produziert.
Die Schweizer Firma Planetary geht in diese Richtung, mit grossen Fermentationsanlagen für die Lohnproduktion.
Deshalb haben wir bei Planetary auch investiert. Man muss prüfen, wo welche Wertschöpfung entsteht, und diese Ketten aufbrechen. So wie es bei der Automobilindustrie passiert ist. Das führt auch zu einem Angebot von Halbfabrikaten, die man dann für Fleischalternativen oder Käsealternativen verwenden kann. Wenn man die richtigen Firmen unterstützt und dort das ganze Know-how aus der Skalierung reinbringt, kommen die Preise rasch runter.
Es gibt aber auch Firmen wie Planted, die nicht nur die ganze Entwicklung und Produktion selbst machen, sondern auch das Marketing und den Vertrieb.
Planted haben wir von sehr früh an begleitet, die Produkte sind sehr, sehr gut. Planted ist nicht ganz repräsentativ für die aktuelle Industrie, die Firma ist unternehmerisch extrem erfolgreich, sie ist in der Schweiz Marktführer und Innovationsführer. Gut geführte und technologie-fokussierte Firmen wie Planted erhalten viel Interesse von Investoren und haben das für die Auslastung der Anlagen nötige Volumen.
Sie haben an einer GDI-Tagung im letzten Sommer gesagt, Fermentation sei für die Investoren am interessantesten. Gilt das immer noch?
Ja. Mit Fermentation kann man spezielle Zutaten produzieren, zum Beispiel, um die Textur eines veganen Käses zu verbessern. Zwar kostet die Fermentation, aber der Preis der Zutat ist praktisch egal, weil nur wenige Prozent davon ins Produkt kommen, das Produkt dadurch aber viel besser wird. Da spielt die Musik, die Industrie entwickelt sich stark. Es gibt ein Universum von unerforschten Mikroben, mit Machine Learning und Künstlicher Intelligenz können rascher die richtigen Mikroben für die gewünschte Anwendung gefunden werden.
Wann kommen zellbasierte Fleischalternativen auf den Markt?
Bis die im Supermarkt liegen, dauert es noch sieben bis acht Jahre. Die Kernfragen der Preisgestaltung, etwa die Kosten von Nährlösungen, sind noch nicht gelöst. Da muss noch einiges passieren, damit die Produktion skaliert werden kann – und es passiert auch viel. Wir haben in diesem Bereich früh investiert, etwa bei Supermeat oder Mosa Meat, und haben einen guten Überblick. Die Technologie funktioniert, wer das Rennen macht, wird man sehen.
Man sieht auch, dass sich regulatorisch etwas bewegt. Wenn die US-Behörde FDA etwas bewilligt, wie sie es im letzten Jahr beim Geflügelersatzhersteller Upside Foods getan hat, tun sich andere Länder auch leichter damit. Aber in Europa wird es noch länger dauern.
Angesichts dieser Entwicklung: Was sagen Sie einem jungen Rindviehhalter zu seiner Zukunft?
Fleisch wird in den nächsten 20 bis 30 Jahren nicht abgelöst. Es wird nie dazu kommen, dass die Welt vegan ist. Man muss die Massentierhaltung so weit eindämmen, wie es geht, weil sie einen grossen Teil zur Klimaerwärmung beiträgt. Die Nahrungsmittelindustrie ist nach Energie der grösste Treiber der Klimaerwärmung. Die Schweiz ist ein stark geschützter Markt, das ist eine Chance, auch für die Landwirtschaft, um bei dieser Transformation mitzumachen. Die Schweizer Politik sollte diese Chancen erkennen, zum Beispiel auch für den Schweizer Maschinenbau.
Wir haben die deutsche Regierung beim Thema Förderung der Proteinwende beraten. Auch der Präsident des Deutschen Bauernverbandes sprach vor ein paar Monaten erstmals von den Chancen dieser Veränderungen.
Was haben Sie der deutschen Regierung geraten?
Mehr zu tun bei der Basisunterstützung für Forschung und Entwicklung. Und sie muss das Thema GVO (gentechnisch veränderte Organismen) rasch auf den Prüfstand stellen. Gene Editing fällt heute unter die Bezeichnung GVO. Hier hat Europa ein grundsätzliches Problem: Wenn GVO oder auch zellbasiertes Fleisch nicht sinnvoll reguliert werden, dann verlagern grosse Firmen ihre Forschung nach Singapur oder in die USA.
Bühler und Givaudan forschen auch bereits in Singapur, beim Laborfleischhersteller Mirai Foods überlegt man sich, welche Zukunft man in der Schweiz und in Europa hat. Ist es nicht schon fast zu spät?
Das glaube ich nicht. Die Schweiz wird – wie bei den Insekten – bei der Regulierung hoffentlich etwas schneller sein als die EU. In der Politik ist die Diskussion noch nicht weit, auch weil die Bauernlobby sehr stark ist.
Was man aber nicht unterschätzen darf, ist der Mittlere Osten. Diese Länder haben Kapital und den Zugriff auf die Technologien, und sie können regulatorisch schnell entscheiden. Der Laborfleischhersteller Eat Just hat aus Katar ein grosses Investment erhalten, um sich dort anzusiedeln. Hier könnte es zu einem Kampf um die Talente kommen.
Wir haben viel über Fleischersatz gesprochen. Wie sehen Sie die Entwicklung bei Käseersatz?
Hier wird ein grosser Innovationsschub bei der Fermentation kommen. Kaseinersatz muss in die Skalierung kommen. Heute sind Fleischalternativen viel näher am Originalprodukt als Milch- und Käsealternativen. Käse ist ein riesiger Markt, das wird sich stark verändern.
Was ist mit Eierersatz?
Wir sind noch nicht überzeugt, dass Eier ein riesiger Markt sind, es ist mehr eine Funktionalität als ein Produkt. Und es ist in der Wahrnehmung der Konsumenten ein sauberes Produkt. Diese sind nicht bereit, für veganes Ei als Burgerzutat extra zu bezahlen.
Blue Horizon war in den letzten Monaten auch in den Schlagzeilen: Weil gleich vier Verwaltungsräte abgesprungen sind, weil viele Stellen abgebaut wurden. Wie geht es der Firma?
Uns geht es gut. Während des Beyond-Meat-Hypes sind die Investorengelder sehr viel stärker in diese Industrie geflossen als heute. Wir haben uns dem Markt angepasst und Kosten gespart, das ist Teil meines Jobs. Wir haben am 11. Februar eine Investorenkonferenz durchgeführt, die war ausgebucht und ein voller Erfolg. Wir hatten grossen Zuspruch von langfristigen Investoren.
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Björn Witte
Björn Witte ist CEO der Zürcher Investmentfirma Blue Horizon, die 2015 gegründet wurde und Kundengelder in ein neues nachhaltiges Ernährungssystem investiert. Das Investitionsfeld erstreckt sich von AgroTech, FoodTech bis zu Circular-Economy-Tech (zB. nachhaltige Verpackungen). Daneben investiert Blue Horizon auch ins Agrotech-Business und in nachhaltige Verpackungen. Blue Horizon hat über 20 Mitarbeitende und ist an über 80 Firmen beteiligt.
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Livekindly Collective
Livekindly wurde 2019 von Blue Horizon gegründet und umfasst verschiedene Hersteller von pflanzlichen Fleischalternativen wie LikeMeat (Deutschland), The Fry Family (Südafrika) oder Oumph (Schweden).

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