«Finde den Fehler auf dem Buchcover.» So würde mein erster Auftrag an die SchülerInnen nach dem Verteilen des neuen Tiptopf lauten. Die Lösung: Erdbeeren und Trauben haben nicht zur gleichen Zeit Saison und gehören deshalb nicht gemeinsam aufs Cover eines Lehrbuchs. Entsprechend unreflektiert geht es zwischen den Buchdeckeln weiter.
Beispielsweise wird beim Thema Nachhaltigkeit schnell klar, dass die im Tiptopf enthaltenen Empfehlungen und Rezepte meist auf pauschalen Lippenbekenntnissen beruhen. Zitat von Seite 34: «Weniger Rindfleisch essen, denn dieses belastet die Umwelt mehr als Schwein oder Geflügel. Grund dafür ist das Methan, das Kühe beim Verdauen ausstossen.» So oberflächlich erklärt einem der Tiptopf das Thema Rindfleisch und dessen komplexen Einfluss aufs Klima. Oder (S. 34): «Nicht nur Edelstücke wie das Filet, sondern Stücke vom ganzen Tier konsumieren.»
Eine Analyse der Rezepte zeigt jedoch, dass die Tiptopfautorinnen diese Empfehlung in ihrem Buch bei weitem nicht umsetzen. Die überwiegende Anzahl der Fleischrezepte basiert auf Pouletbrüstli, Schweins- und Kalbsplätzli beziehungsweise Rindsfilet. Ein Rezept für Siedfleisch existiert zum Beispiel nicht. Insgesamt bekommt das Buch für die Umsetzung des Themas «Nachhaltigkeit» Note 2.
Der Notenschnitt beim Thema «Kochtechnik» ist nur geringfügig höher. Hier ein paar Tipps an die Macherinnen des Tiptopf: Der Zeitpunkt der Salzzugabe hat keinen nennenswerten Einfluss auf die Kochzeit des Wassers und ist somit kein Energiespartipp (S. 58). Nach dem Abfüllen heisser Konfitüre werden verschlossene Gläser zum Auskühlen aus Gründen problematischer Verunreinigungen im Verschlussbereich nicht mehr auf den Kopf gestellt (S. 80). Um das Verklumpen der Polenta zu verhindern, wird Maisgriess nicht in heisse, sondern in kalte Flüssigkeit eingerührt (S. 286). Fürs Quellen braucht ein angerührter Teig tatsächlich Zeit (S. 56) – schade, dass dies beim Teig fürs Knöpflirezept (S. 264) vergessen ging.
Mein Wunsch für die Zukunft: Ein Betty Bossi Lehrbuch für Schulen. Dass es Betty Bossi voll drauf hat, beweist das neuste Kochbuch «Familienrezepte». Auf 215 Seiten gibt es alltagstaugliche Gerichte für Kinder und Erwachsene, welche von Kindern ausgewählt wurden. Im neuen Betty Bossi Buch wird, anders als im Tiptopf, keine Rezeptgläubigkeit heruntergebetet, sondern kreatives Kochen gefördert. Beispielsweise mit einem Baukasten für Bowls oder Ideen für das Belegen einer Pizza. Von mir gibt es dafür Bestnote!
Tiptopf, Schulverlag plus
Familienrezepte, Betty Bossi