Wenn man gesuchte Erreger mit einer maßgeschneiderten Oberfläche ködert, sortieren sie sich gewissermaßen selbst aus einem Gemisch vieler unterschiedlicher Bakterien aus. Damit ist es einfach, sie auf elektronischem Weg nachzuweisen.
Quelle: Grafik: Sebastian Balser, Goethe-Universität Frankfurt
Bakterielle Infektionen fordern jedes Jahr weltweit mehrere Millionen Menschenleben. Der Nachweis schädlicher Mikroorganismen ist daher immens wichtig – auch bei der Herstellung von Lebensmitteln. Forschende der Goethe-Universität Frankfurt und der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel haben ein neues Verfahren entwickelt, um solche Bakterien zu erkennen.
Der Bakteriensensor basiert auf einem Chip mit einer innovativen Oberflächen-Beschichtung. Sie sorgt dafür, dass nur ganz spezifische Mikroorganismen an dem Sensor kleben bleiben – beispielsweise bestimmte Krankheitserreger. Je größer ihre Anzahl, desto stärker das elektrische Signal, das der Chip erzeugt, wie die Goethe-Universität in einer Mitteilung schreibt. Damit lasse sich auch die Konzentration der Mikroorganismen messen.
Verfahren weist nur intakte Bakterien nach
Die bislang verfügbaren Verfahren seien oft zeitaufwändig, erforderten teure Geräte oder liessen sich nur von Fachleuten durchführen. Ausserdem könnten sie häufig nicht zwischen aktiven Bakterien und deren Zerfallsprodukten unterscheiden, heisst es in der Mitteilung weiter. Die neu entwickelte Methode hingegen weise nur intakte Bakterien nach. Sie nutzt dazu aus, dass Mikroorganismen stets nur bestimmte Körperzellen befallen, die sie an einer Struktur aus speziellen Zuckermolekülen erkennen. Diese sogenannte Glykokalyx ist von Zelltyp zu Zelltyp verschieden. Sie dient den Körperzellen gewissermassen als Ausweis. Möchte man ein bestimmtes Bakterium fangen, muss man daher nur die entsprechende Erkennungsstruktur in der Glykokalyx seiner bevorzugten Wirtszelle kennen und kann diese dann gewissermaßen als Köder benutzen.
Genau das haben die Forschenden auch gemacht. «Wir wollten in unserer Studie einen bestimmten Stamm des Darmbakteriums Escherichia coli – kurz: E. coli – nachweisen», erklärt Professor Andreas Terfort vom Institut für Anorganische und Analytische Chemie der Goethe-Universität. «Wir wussten, welche Zellen der Erreger normalerweise infiziert. Das haben wir genutzt, um unseren Chip mit einer künstlichen Glykokalyx zu überziehen, die die Oberfläche dieser Wirtszellen imitiert. An dem Sensor bleiben daher nur Bakterien von dem gewünschten E.-coli-Stamm kleben.»
E. coli verfügt über zahlreiche kleine Ärmchen, die sogenannten Pili. Mit ihnen erkennt das Bakterium die Glykokalyx seines Wirts und hält sich an ihr fest. «Die Bakterien binden mit ihren Pili gleich mehrfach an den Sensor; sie haften an ihm dadurch besonders stark», sagt Terfort. Die künstliche Glykokalyx ist zudem chemisch so aufgebaut, dass Mikroben, die nicht über die passenden Ärmchen verfügen, von ihr abgleiten. Das stellt sicher, dass wirklich nur die krankmachenden E.-coli-Bakterien festgehalten werden.
Auch noch in geringen Mengen nachweisbar
Doch wie lässt sich nachweisen, dass an der künstlichen Glykokalyx Bakterien hängen? «Wir haben die Zuckermoleküle an einem leitfähigen Polymer befestigt», erklärt der Erstautor der Veröffentlichung, Doktorand Sebastian Balser. «Über diese ‚Drähte‘ können wir durch Anlegen einer elektrischen Spannung ablesen, wie viele Bakterien an den Sensor gebunden haben.»
Die Studie zeige, dass das gut klappe, heisst es in der MItteilung weiter. In der Studie mischten die Forschenden Erreger aus dem gesuchten E.-coli-Stamm in verschiedenen Konzentrationen unter harmlose E.-coli-Bakterien. «Unser Sensor konnte die schädlichen Mikroorganismen auch noch in sehr geringen Mengen nachweisen», erklärt Terfort. «Er lieferte zudem umso stärkere Signale, je höher die Konzentration der gesuchten Bakterien war.»
Die Veröffentlichung sei zunächst einmal ein Nachweis, dass die Methode funktioniere, schreibt die Universität. In einem nächsten Schritt wollen die beteiligten Arbeitsgruppen untersuchen, ob sie sich auch in der Praxis bewährt. Es sei beispielsweise denkbar, sie in Regionen einzusetzen, in denen keine Krankenhäuser mit aufwändiger Labordiagnostik existieren.