Kakaobauern in Westafrika leiden unter wetter- und krankheitsbedingten Ernteausfällen.
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Aktuell werden Kakao-Futures für rund 9000 Dollar die Tonne gehandelt. Ein Future ist ein Termingeschäft und bezeichnet die Verpflichtung zur Lieferung oder Abnahme einer bestimmten Menge und Qualität von Kakaobohnen an einem bestimmten Ort zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Zukunft. Mit dem Kauf solcher Futures versuchen sich Händler gegen schwankende Preise abzusichern.
Zum Vergleich: Im April hatte der Kontrakt pro Tonne mit über 12'000 Dollar noch ein Drittel mehr gekostet. Wenn die Preise so schwanken, braucht es mehr Kapital, um die Termingeschäfte abzusichern. Die Schweizer Firma Barry Callebaut etwa, der grösste Schokoladeproduzent der Welt, musste sich deshalb frisches Geld besorgen und emittierte sogar eine neue Anleihe über 600 Millionen Franken.
Anders als Barry Callebaut kann sich nicht jeder Händler zusätzlich verschulden. Viele Kakao-Spekulanten konnten oder wollten ihre Positionen darum nicht mehr halten, was zu einem Preisrückgang sowie zu einer noch höheren Volatilität führte. Und im Zuge dessen setzten Spekulanten zunehmend auf fallende Kurse, sie gingen also «short», wie man in der Fachsprache sagt.
«Wenn die Preise heute sinken, so ist dies in erster Linie auf eine Zunahme der Short-Positionen aufgrund der sehr hohen Preise zurückzuführen», erklärte Rohstoff-Experte Arthur Jurus von der Bank Oddo BHF im Gespräch mit der Nachrichtenagentur AWP.
Steigende Nachfrage und kaum höheres Angebot
Somit hat der jüngste Preisrückgang nichts zu tun mit Verbesserungen bei der Ernte oder der Nachfragesituation. Im Gegenteil: Die Ernten werden dieses Jahr so schwach ausfallen wie schon lange nicht mehr, während die Nachfrage viel weniger stark zurückgeht. Die International Cocoa Organization (ICCO) spricht denn beim aktuellen Preisrückgang auch von einer «Pause im Preisrally».
Nach den letzten Schätzungen des ICCO dürfte die weltweite Nachfrage an Kakao um 5 Prozent zurückgehen. Es könne aber gut sein, dass dieser Nachfragerückgang noch schwächer ausfällt. «Denn die Zahlen zur Kakaoverarbeitung in Europa, Asien und Nordamerika fielen im ersten Quartal besser aus als erwartet», sagt der Commerzbank-Rohstoffexperte Carsten Fritsche. Angesichts des deutlich gestiegenen Preisniveaus sei mit stärkeren Bremsspuren gerechnet worden.
Laut Jurus wiederum hält ausserdem eine erstarkende Mittelschicht in Asien die Nachfrage hoch, ebenso wie die schwach gefüllten Lager. «Die Bestände sind auf dem niedrigsten Stand seit 40 Jahren», so Jurus.
Umgekehrt ist auf der Angebotsseite schneller Nachschub nicht in Sicht. Denn die Bauern in Westafrika leiden unter wetter- und krankheitsbedingten Ernteausfällen. «Wiederholte heftige Regenfälle begünstigen die Ausbreitung einer Pilzkrankheit im Boden, die die Produktion vernichtet», so Jurus. Wegen des Klimawandels dürfte sich die Situation so fortsetzen.
Fritsche ergänzt: «Die Kakaoanlieferungen in die Häfen der Elfenbeinküste, dem mit Abstand wichtigsten Produzentenland, liegen seit Erntebeginn im Oktober weiterhin rund 30 Prozent niedriger als im Vorjahr.» Die ICCO prognostizierte in ihrem letzten vierteljährlichen Report für das laufende Erntejahr 2023/24 einen Angebotsrückgang von 11 Prozent auf total noch 4,4 Millionen Tonnen Kakaobohnen.
Zum Vergleich: In den letzten paar Jahren wurden jeweils jährlich um die 5 Millionen Tonnen produziert.
Teure Schokolade
Auf längere Sicht sei mit einem strukturellen Kakaodefizit hin zu rechnen, so Jurus. Die meisten der grossen Schokoladeproduzenten, wie etwa die Schweizer Firma Barry Callebaut, die jährlich über 2 Millionen Tonnen verarbeitete Schokolade verkauft, sichern sich zwar - eben mittels Termingeschäften - gegen steigende Preise ab. Doch laut Junus laufen die meisten aktuellen Kontrakte Ende 2024 aus.
Für deren Erneuerung wird jedoch mit viel höheren Preisen gerechnet: «Die Futures-Positionen werden sich weiter normalisieren, aber es ist mit einem Preis über 6000 US-Dollar pro Tonne Kakao zu rechnen», sagt er.
Damit dürften auch die Preise im Laden tendenziell steigen. Denn wenn die Schokoladenhersteller mehr Geld für die Beschaffung ihres wichtigsten Rohstoffes aufwenden müssen, schrauben sie die Preise für ihre Kunden hoch - und am Ende zahlen es die Konsumenten an der Ladentheke.
Gegenüber dem Vorjahresmonat erreichte die Teuerung bei Schokolade (+11,3%) und Kakopulver (+3,3%) im Januar gemäss Zahlen des Bundesamts für Statistik (BFS) bislang jedoch schon ihren diesjährigen Höchstwert. Seither sind die Teuerungsraten wieder etwas zurückgegangen.