Gerade bei Früchten und Gemüsen ist die Schweiz auf Importe angewiesen - hier könnte aber der Klimawandel zum Problem für die Lieferketten und Versorgungssicherheit werden.
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Die Schweizer Bevölkerung könnte in einem Jahrzehnt auf bis zu zehn Millionen Menschen anwachsen. Entsprechend wird auch die Nachfrage nach Nahrungsmitteln bis 2035 um etwa 20 Prozent steigen. Wie lässt sich eine wachsende Schweiz ernähren und gleichzeitig die ambitionierten Klimaziele erreichen. Dieser Frage ist Strategy&, die globale Strategieberatung von PwC in einer Studie nachgegangen. Sie fokussiert dabei auf das Kaufverhalten der Konsumentenschaft, analysiert Massnahmen zur Erhöhung von Output, Produktivität und Nachhaltigkeit der Schweizer Landwirtschaft und geht der Frage nach, wie sich die Lebensmittellieferketten widerstandsfähiger machen lassen. Das sind die wichtigsten Punkte:
Konsumenten kaufen gesünder und nachhaltiger
Schweizer Konsumentinnen und Konsumenten legen zunehmend Wert auf eine gesunde und nachhaltige Ernährung. Laut einer Umfrage von Strategy& berücksichtigen 71 Prozent der Befragten soziale und ökologische Nachhaltigkeit bei ihren Einkäufen. Lokale Herkunft, minimaler Pestizideinsatz und ein geringer CO2-Fussabdruck sind den Menschen dabei am wichtigsten. Etwa 40 Prozent der Befragten, insbesondere Millenials, geben an, dass sie bereit wären, für solche Lebensmittel einen «Nachhaltigkeitszuschlag» von sechs Prozent oder mehr zu bezahlen.
Laut den Studienautoren wird sich das Konsumverhalten verändern und zu einer Verschiebung zwischen den Kategorien führen. Fisch und Meeresfrüchte könnten im Rahmen einer ausgewogenen Ernährung an Beliebtheit gewinnen, während der Konsum von Zucker sowie weizenbasierten Nahrungsmitteln zu Gunsten von glutenfreien Produkten und Hülsenfrüchten abnehmen könnte. Fleischalternativen wie pflanzliches und kultiviertes Fleisch könnten ebenfalls an Bedeutung gewinnen, so die Autoren. Nachdem das israelische Start-up Aleph Farms zusammen mit der Migros einen Zulassungsantrag für kultiviertes Fleisch eingereicht hat, könnte die Schweiz als eines der ersten Länder Europas solche Produkte versuchsweise einführen, heisst es in der Studie.
Produktivere und nachhaltigere Landwirtschaft
Wenn die Schweiz ihre Bevölkerung auch 2035 sicher ernähren und gleichzeitig die Klimastrategie des Bundes - Netto-Selbstversorgungsgrad von 50 Prozent, Netto-Null der Treibhausgasemissionen bis 2050 - umsetzen wolle, dann müsse die Lebensmittelproduktion gleichzeitig produktiver und nachhaltiger werden, heisst es in der Studie weiter.
Die Autoren empfehlen etwa in der Rindviehhaltung den Ersatz von herkömmlichem Soja- oder Mais-basiertem Kraftfutter durch eine leichter verdauliche Ernährung und den Einsatz von methanhemmenden Futterzusätzen, um den Klimagasfussabdruck der Rindfleischproduktion zu senken. Potenzial sehen die Autoren zudem in Kreislauf-Fischzuchten. Dadurch könnte der Selbstversorgungsgrad bei Fisch bis 2035 von 3 auf 8 Prozent erhöht werden. Zudem müsse der Foodwaste weiter reduziert werden, etwa mit digitalen Planungs- und Prognose-Tools für Landwirtschaft und Detailhandel.
Resiliente Lieferketten
Zur Herausforderung werden laut der Studie in Zukunft die Lebensmittelimporte, auf die die Schweiz vor allem bei Früchten und Gemüsen angewiesen ist. Früchte und Gemüse stellten mittelfristig das grösste Versorgungsrisiko dar. So stamme die Hälfte dieser Importe aus südeuropäischen Ländern, die vom Klimawandel betroffen seien. Das könnte langfristig Lieferunterbrüche mit sich bringen. Deshalb brauche es eine gestärkte nationale Strategie zur Nahrungsmittelversorgung und eine strategische Diversifizierung der Lieferketten.
Fazit: Nötig sind viele Massnahmen
Um im Jahr 2035 den Lebensmittelbedarf der Schweizer Bevölkerung zu decken, braucht es laut den Studienautoren viele Hebel und Initiativen. Ein durch Innovation und neue Technologien gestärkter Landwirtschafsektor werde weiterhin einen substanziellen Beitrag zur Schweizer Nahrungsmittelversorgung leisten (ca. 40-50% der benötigten Kalorien). Konventionelle Methoden würden zunehmend durch neue Produktionsverfahren und «Novel Food»-Technologien ergänzt werden (ca. 5-15%). Die Tatsache, dass die Schweiz für ihre Lebensmittelversorgung auch in Zukunft auf Importe angewiesen sein werde (ca. 35-45%), verdeutliche die Wichtigkeit effizienter, resilienter und strategisch diversifizierter Lieferketten. Ein zirkuläres «Farm-to-Fork Ecosystem» könne durch die Vermeidung von Abfällen ebenfalls einen Beitrag zu einer nachhaltigen und kosteneffizienten Nahrungsmittelversorgung leisten (2-7%), so das Fazit.