Bruderhähne auf dem Betrieb von Christoph Fuchs.
Quelle: rho/lid
Eier gehören zu den beliebtesten Lebensmitteln in der Schweiz, doch die Frage nach dem Schicksal der männlichen Küken wirft seit Jahren ethische Bedenken auf. Die Praxis des Kükentötens resultiert aus der Spezialisierung der Geflügelhaltung. Während Legehennen darauf gezüchtet werden, möglichst viele Eier zu legen, sind ihre männlichen Geschwister für die Mastwirtschaft ungeeignet, da sie nur langsam und ineffizient Fleisch ansetzen. Bislang wurden daher Millionen von männlichen Küken in der Eierproduktion getötet. Bio Suisse hat sich 2021 entschieden, diesen Missstand zu beenden und das Kükentöten bis 2026 abzuschaffen.
Ein ethischer Schritt mit grossen Auswirkungen
Eine Variante in der Umsetzung beim Ausstieg aus dem Kükentöten, so wie sie der Verband Bio Suisse vorschlägt, ist die sogenannte Bruderhahnaufzucht. Diese Massnahme stellt jedoch sowohl Landwirtinnen und Landwirte als auch die gesamte Bio-Geflügelbranche vor erhebliche Herausforderungen, denn der Ansatz steht im Spannungsfeld zwischen Tierethik, ökologischer Nachhaltigkeit und wirtschaftlicher Tragfähigkeit.
Christoph Fuchs, ein Landwirt aus Schwarzenberg, hat den Weg der Bruderhahnaufzucht bereits eingeschlagen: Auf seinem 30 Hektar grossen Betrieb, den er von seinen Eltern übernommen hat, hält er neben Milchkühen und Dammhirschen auch Bruderhähne in 500er-Mastställen.
«Ich bin erst 2022 in die Pouletproduktion eingestiegen und habe damals auch meine neuen Ställe entsprechend geplant und gebaut», berichtet Christoph Fuchs. Zur gleichen Zeit begann die Firma Gallina ihre Bruderhahn-Aufzuchtstrategie aufzubauen und so entstand für Christoph Fuchs die Möglichkeit, in seinen Pouletmastställen auch Bruderhähne aufzuziehen.
«Die Zusammenarbeit entwickelte sich schnell, aber die Richtlinien waren zu Beginn unklar und haben sich im Verlauf auch noch geändert – zum Glück habe ich meine Ställe mit Voraussicht grosszügig genug gebaut und so entsprechen sie heute den aktuellen Bestimmungen auch für die Bruderhähne», erklärt der Landwirt.
Tierwohl und Wirtschaftlichkeit im Spannungsfeld
Die praktische Umsetzung der Bruderhahnaufzucht ist für Landwirte wie Christoph Fuchs eine Herausforderung. Eine der grössten Sorgen ist die Saisonalität: Während Legehennen über ein Jahr lang produktiv sind, sind Bruderhähne bereits nach etwa 10 Wochen schlachtreif. Diese zeitliche Diskrepanz stellt die Landwirtinnen und Landwirte vor logistische Probleme: «Da stellt sich die Frage, was mit unseren Ställen während der restlichen 40 Wochen passiert», erklärt Christoph Fuchs, «so einfach lässt sich auch nicht von Bruderhahnaufzucht auf Pouletmast umstellen, denn auch die Pouletfleischproduktion ist saisonal.»
Christoph Fuchs befürchtet darum, dass es in Zukunft Zeiten geben wird, in denen zu viele Stallplätze benötigt werden, und andere Zeiten, in denen die Ställe leer stehen. «Und kein Produzent will, dass seine Infrastruktur nicht ausgelastet ist – das ist teuer und ineffizient», ergänzt er.
Die Bruderhahnaufzucht bringt neben logistischen auch wirtschaftliche Herausforderungen mit sich. Die Futterverwertung bei Bruderhähnen ist im Vergleich zur Pouletmast weniger effizient, was die Produktionskosten erhöht. Die Herausforderungen offenbaren also das grundlegende Spannungsfeld: «Überall, wo wir ethische oder nachhaltige Aspekte verbessern, verschlechtern wir die Effizienz», erklärt es Christoph Fuchs, «und da bleibt die Frage, wo wir uns finden wollen.»
Pflegeleichte Hähne
Trotz der Herausforderungen gebe es auch positive Aspekte der Bruderhahnaufzucht und sie bringe keine grossen agronomischen Herausforderungen mit sich, hebt Christoph Fuchs hervor: «Die Bruderhähne sind eigentlich unkomplizierte Tiere, obwohl es in der Teenager-Phase ein gewisses Aggressionspotential gibt – mit dem richtigen Management sind sie jedoch gut zu handhaben», erklärt er.
Zudem merkt der Landwirt an, dass die Platzverhältnisse in den Ställen durch die geringere Endmasse der Bruderhähne verbessert werden: «500 Poulets am Ende der Mastzeit wiegen 1000 Kilogramm, bei Bruderhähnen sind es nur 500 Kilogramm», erklärt Christoph Fuchs und ergänzt: «Die Tiere haben viel Platz, sie haben ein schönes Federkleid, der Boden ist trockener und beim Verladen braucht es weniger Kisten und Helfer – das sind positive Seiten, die mir als Produzent Freude machen.»
Bruderhahnaufzucht als Balanceakt
Wirtschaftlich sieht Christoph Fuchs seine Situation aktuell noch als stabil an. «Ich bin momentan in einer guten Ausgangslage, weil wir Fleischproduzenten nicht das Problem haben – das Problem haben die Eierproduzenten und letztlich zahlen sie und die Konsumenten die Differenz», erklärt er. Dennoch bleibt abzuwarten, wie sich die Marktbedingungen entwickeln werden, insbesondere wenn die Nachfrage nach Bruderhähnen und Stallkapazitäten weiter steigt.
Für eine nachhaltige Lösung müssten viele Interessen gewahrt und zusammengeführt werden und so tue er sich jedes Mal schwer, wenn er gefragt werde, ob er die Bruderhahnaufzucht eine gute Sache finde: «Auf der einen Seite finde ich es klar eine gute Sache, aber auf der anderen Seite denke ich, dass es doch besser wäre, möglichst effizient zu produzieren und dafür möglichst wenig Ressourcen zu verbrauchen», erklärt Christoph Fuchs. Trotzdem versuche er diesen Weg mitzugehen und seinen Beitrag zu leisten. Als Produzent habe er aber immer ein Engelchen und ein Teufelchen auf der Schulter: «Das Engelchen sagt mir, dass es nicht sein kann, männliche Küken zu töten, während das Teufelchen daran erinnert, dass alles auch wirtschaftlich tragbar sein muss», meint der Landwirt abschliessend.
So ist der Ausstieg aus dem Kükentöten zwar ein ethisch gebotener Schritt, der jedoch mit erheblichen Herausforderungen verbunden ist. Die Bruderhahnaufzucht, wie sie von Landwirten wie Christoph Fuchs praktiziert wird, zeigt, dass es möglich ist, einen Weg zu finden, der sowohl den Tieren als auch den Landwirtinnen und Landwirten gerecht wird. Dennoch bleibt es ein Balanceakt zwischen Ethik und Wirtschaftlichkeit, bei dem die Landwirtschaft, die Vermarkter und die Konsumentinnen und Konsumenten gemeinsam Lösungen finden müssen, um den Weg in eine nachhaltigere Zukunft erfolgreich zu gestalten.