Hefen auf Agarplatten. Das Gen, das für das süß schmeckende Protein kodiert, wird in Hefezellen eingeschleust. Diese werden im Bioreaktor unter kontrollierten Bedingungen so vermehrt, dass möglichst große Mengen des süßen Proteins gebildet werden.
Quelle: Fraunhofer IME
Wie lässt sich der Zuckergehalt in Fertigprodukten und Getränken reduzieren? Im Projekt NovelSweets tüfteln Forschende des Fraunhofer-Instituts für Molekularbiologie und Angewandte Oekologie IME gemeinsam mit den Partnern metaX Institut für Diätetik und der Firma candidum an einer Lösung. Auf Basis von süss schmeckenden Proteinen, den sogenannten SPs, die als natürliche Moleküle in einigen Pflanzen und Früchten vorkommen, wollen sie mit biotechnologischen Verfahren proteinbasierte Süssungsmittel als künftigen Zuckerersatz herstellen, wie das Fraunhofer-Institut
mitteilt. Aufgrund ihrer Struktur docken die SPs – ähnlich wie Zucker – besonders gut an die Rezeptoren auf der Zunge an, durch die wir süssen Geschmack wahrnehmen.
Brazzein als Basis für neue Proteinvarianten
Eines der bekannten SPs ist Brazzein aus der afrikanischen Pflanze Pentadiplandra brazzeana. Die Extraktion des SPs aus der Pflanze wäre laut den Forschenden zwar möglich, ist aber zu aufwändig und wenig ertragreich. Daher entwickeln die Projektpartner Proteinvarianten basierend auf der Proteinsequenz des Brazzeins, optimieren diese punkto pH- und Temperaturstabilität und stellen sie biotechnologisch her. Zudem verbessern sie die Proteinvarianten hinsichtlich ihrer Süsskraft und ihres Geschmacks. «Brazzein kratzt im Hals. Wir verändern die Proteinsequenz, um diesen unerwünschten Effekt zu verhindern. Ziel ist eine verbesserte Sensorik ohne unangenehmen Bei- oder Nachgeschmack», erläutert Dr. Stefan Rasche, Wissenschaftler am Fraunhofer IME in Aachen.
10'000-fach süsser als Haushaltszucker
Hergestellt werden die verbesserten Kandidaten biotechnologisch durch mikrobielle Fermentation: Das Gen, das für das süss schmeckende Protein kodiert, also eine Beschreibung der Aminosäuresequenz dieses Proteins enthält, wird in Hefezellen eingeschleust. Diese Hefezellen werden dann in einem Bioreaktor unter kontrollierten Bedingungen so vermehrt, dass möglichst große Mengen des SPs gebildet werden.
Nach einem Reinigungs- und Trocknungsprozess liegt das proteinbasierte Süssungsmittel vor – X3 nennen die Forschenden den so hergestellten Zuckerersatz. «Ein Gramm des Ersatzstoffs hat die gleiche Süsskraft wie etwa 10 kg Zucker. Gemeinsam mit unseren Partnern konnten wir also ein SP entwickeln, das ca. 10'000-fach süsser ist als Haushaltszucker», sagt Rasche.
Im Vergleich zu natürlichem Brazzein weist es eine drei- bis vierfach höhere Süsskraft auf. Für figurbewusste Konsumentinnen und Konsumenten sei das neue Süssungsmittel eine echte Zucker-Alternative, so Rasche: «Eine typische Cola enthält ca. 106 Gramm Zucker pro Liter. Das entspricht 1800 Kilo/Joule (kJ). Wenige Milligramm unseres SPs reichen aus, um die gleiche Süße zu erzielen, wodurch die Kalorienzahl erheblich reduziert werden kann.»
X3 mit honigartigem Geschmacksprofil
Darüber hinaus schmeckt X3 leicht nach Honig, was es zu einem idealen Kandidaten für ein Süssungsmittel macht. «Im Vergleich zu bisher verfügbaren künstlichen Süssstoffen überzeugt X3 durch seinen besseren Geschmack, wie unsere Verkostungen mit Testpersonen zeigen konnten. Da sie praktisch kalorienfrei ist, verursacht unsere modifizierte Brazzein-Variante keine Karies und wirkt sich nicht auf den Blutzuckerspiegel aus», betont der Forscher.
Zunächst soll der Ersatzstoff Getränken hinzugefügt werden. Erste Produkte mit X3 wie ein eiweissarmes, kakaohaltiges Getränkepulver werden derzeit beim Projektpartner metaX getestet und entwickelt. Bevor der Zulassungsprozess starten kann, stehen die Optimierung des Herstellungsprozesses sowie weitere Maßnahmen zur Produktvalidierung an.