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Warum immer mehr Milchbauern aufhören

Immer mehr Schweizer Milchbäuerinnen und Milchbauern geben ihre Betriebe auf. Eine neue Studie beleuchtet die Hauptprobleme, von niedrigen Milchpreisen und steigenden Produktionskosten bis zur umstrittenen Milchsegmentierung, und zeigt auf, welche Veränderungen Milchproduzentinnen und -produzenten fordern, um die Branche zukunftsfähig zu machen.

Der Milchsektor nimmt mit einem Umsatz von rund 2,8 Milliarden Franken eine Schlüsselrolle in der Schweizer Landwirtschaft ein.

Quelle: lid

Zwischen 2008 und 2022 sank die Zahl der Milchbetriebe um 35 Prozent. Dies hat Auswirkungen auf den gesamten Milchsektor, der mit einem Umsatz von rund 2,8 Milliarden Franken eine Schlüsselrolle in der Schweizer Landwirtschaft einnimmt. Eine neue Studie des Centre for Development and Environment CDE der Universität Bern zeigt, wie Milchproduzentinnen und Milchproduzenten den Markt wahrnehmen und wo sie Änderungsbedarf sehen.
Der Druck auf Milchbetriebe wächst
Die Studie basiert auf einer Umfrage, die zwischen Oktober und Dezember 2022 unter 17’000 Milchproduzentinnen und -produzenten durchgeführt wurde -etwa 15 Prozent der Teilnehmenden haben den Fragebogen vollständig ausgefüllt. Dabei wurden nicht nur das Milchmarktsystem und die Abnahmebedingungen bewertet, sondern auch die Zukunftspläne der Betriebe untersucht. Die Umfrage offenbarte ein gemischtes Stimmungsbild: Rund 41 Prozent der Befragten bewerteten die Entwicklung des Milchmarktes negativ, während nur knapp 31 Prozent eine positive Haltung einnahmen.
Ein zentraler Kritikpunkt ist der Milchpreis: Obwohl der Milchpreis zur Zeit der Umfrage den höchsten Wert seit 2009 erreichte, fühlen sich viele Produzentinnen und Produzenten von der Preisentwicklung abgehängt. Viele Landwirtinnen und Landwirte kritisieren die aktuellen Milchpreise, die oft nicht ausreichen, um die steigenden Produktionskosten zu decken. Höhere Kosten für Energie, Futtermittel und Dünger belasten die Betriebe, während die Preise für Milchprodukte im Handel kaum steigen. Besonders in Bergregionen, wo die Bedingungen erschwert sind, ist die Unzufriedenheit gross. Die Landwirtinnen und Landwirte beklagen, dass sie oft nur «Restgeldempfänger» sind – alle anderen entlang der Wertschöpfungskette verdienen mehr: «Der Bauer ist immer Restgeldbezüger, alle anderen können ihre Kosten decken – wir müssen nehmen, was uns geboten wird», lautet eine Antwort in der CDE-Umfrage.
Kontroverse Milchsegmentierung
Ein weiteres Problem ist die sogenannte Milchsegmentierung. Dieses System, das 2011 eingeführt wurde, teilt Milch in unterschiedliche Preis- und Verwendungssegmente ein. Es sollte den Markt stabilisieren, führt jedoch zu Ungleichheiten: Milch derselben Qualität wird zu unterschiedlichen Preisen vergütet. Die Milch wird heute noch in die Segmente A und B eingeteilt, die jeweils unterschiedlichen Preiskategorien zugeordnet sind. Entscheidend für die Zuordnung ist das Endprodukt, in das die gelieferte Milch fliesst. Das A-Segment umfasst Milchprodukte mit Grenzschutz für den heimischen Markt, wie Trinkmilch und Hartkäse, sowie exportierte Produkte, die durch den Fonds für Rohstoffverbilligung unterstützt werden. Das B-Segment deckt Produkte ohne Grenzschutz und ohne Unterstützung ab, sowohl für den heimischen Markt als auch für den Export in die EU, beispielsweise Milchmischgetränke. Dies bedeutet, dass die Milchproduzentinnen und -produzenten für qualitativ gleichwertige Milch zwei unterschiedliche Preise erhalten.
Rund 60 Prozent der Landwirtinnen und Landwirte lehnen dieses System ab, da sie es als intransparent und ungerecht empfinden. Dabei zeigt sich besonders, dass die Abgrenzung zwischen A- und B-Segment oft wenig nachvollziehbar ist. «Zudem sehen sie die Segmentierung als Instrument, um Milch zu Gunsten des Verarbeitungssektors und Handels zu verbilligen und äussern Bedenken punkto der ungleichen Marktmachtverhältnisse», erklärt Projektleiterin Bettina Scharrer vom CDE in einer Mitteilung der Universität Bern. Bäuerinnen und Bauern beklagen, dass die Segmentierung dazu beitrage, die Produktionsbedingungen zu verschleiern, und dass sie es erschwere, langfristig wirtschaftlich zu planen. Zudem wird kritisiert, dass die Interessen der Produzentenorganisationen nicht immer konsequent vertreten werden.
Mehr Dialog und Veränderungen
«Unsere Umfrage macht deutlich, dass aus Sicht der Milchproduzierenden Verbesserungsbedarf besteht», wird Bettina Scharrer weiter zitiert. Obwohl die Ergebnisse der Studie eine Momentaufnahme darstellten, hätten sie nach wie vor an Relevanz nichts eingebüsst, was die verschiedenen Bauernproteste letztes Jahr gezeigt hätten. Viele Landwirtinnen und Landwirte fordern eine stärkere Einbindung in die Entscheidungsprozesse und einen Dialog auf Augenhöhe. Auch die Transparenz bei der Preisgestaltung und die Reduktion von Bürokratielasten stehen auf ihrer Wunschliste. «Die Bedürfnisse der Produzenten sollten in politischen Diskussionen mehr Gewicht erhalten», wird Bettina Scharrer, Projektleiterin der Studie, in einer Medienmitteilung der Universität Bern.
Es sei wichtig, gesellschaftlich und ökologisch geschätzte Praktiken zu fördern, indem eine Win-Win-Situation geschaffen wird, die sowohl die Zufriedenheit der Milchbetriebe erhöht als auch die Nachhaltigkeit stärkt. «Es wäre zum Beispiel sinnvoll, auf politischer Ebene jene Anreize abzubauen, die eine starke Intensivierung der Milchwirtschaft Richtung High-Input-Produktion ohne ausreichende eigene Futterbasis begünstigen», wird Bettina Scharrer weiter zitiert. Dies würde eine standortgerechte, graslandbasierte Milchproduktion unterstützen. Gleichzeitig müsse darauf geachtet werden, dass Massnahmen und Abnahmebedingungen nachhaltig wirtschaftenden Betrieben nicht zum Nachteil gereichen.

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