Dank Memosens-Technologie kann dieselbe Instrumentierung im Labor und Produktion eingesetzt werden. (Endress+Hauser)
Ob im Teich, im Pool oder im Meer - für die meisten Menschen sind Algen vor allem eines: ein Ärgernis. Ganz anders sieht das Bernd Hermann. Für ihn haben Mikroalgen das Zeug zum Superstoff des 21. Jahrhunderts. Reich an Proteinen und zahlreichen Mikronährstoffen taugen Mikroalgen als Lebens-, Nahrungsergänzungs- und Futtermittel (siehe Kasten). Auf die Mikroalgen kam der gelernte Rohrschlosser Hermann, als er sich mit der Garnelenzucht befasste - und damit verbunden mit der Produktion eines geeigneten Futtermittels. Hermann erkannte das Potenzial der Mikroalgen und gründete die Firma Phyox, die seit Ende 2021 in einer Anlage in Kroatien Mikroalgen produziert. Finanziert wird die Aktiengesellschaft von deutschen und kroatischen Investoren, Hermann ist Geschäftsführer und Vorstandsmitglied.
Am Global Forum des Messgeräteherstellers Endress+Hauser Ende Juni in Basel (siehe Kasten) stellte Hermann sein Unternehmen vor und zeigte auf, wie Endress+Hauser seit den Tagen der ersten Pilotversuche zum verlässlichen Partner wurde. Neben dem messtechnischen Know-how war dabei für Hermann auch die Kompetenz des Unternehmens ausschlaggebend gewesen, das Engineering zur Steuerung der Anlage in das Projekt mit einzubringen und als global agierendes Unternehmen den gleich guten Support in Kroatien wie in Deutschland zu bieten, wo die Pilotanlagen aufgebaut wurden.
LED-Technik statt Sonnenlicht
Die patentierte Technologie der Firma Phyox setzt bei der Lichtquelle auf LED-Technik statt Sonnenlicht und kann damit das Wachstum der Algen besser steuern und durch Pulsung stimulieren. Dabei ist die Beleuchtung seitlich zwischen den Plattenwänden angebracht, die Frequenz der Pulsung wird an den jeweilig zu produzierenden Algenstamm angepasst. In den Platten-Photobioreaktoren schlängelt sich die Strömung im Auf und Ab mäanderförmig durch die Anlage. Zum Schluss fließt die Algensuspension in einen offenen Auslaufbehälter und wird von dort im Kreislauf wieder zum Anfang der Anlage gepumpt.
Damit ist die Produktion rund um die Uhr für 365 Tage im Jahr möglich – unabhängig von den jahreszeitlichen Schwankungen und dem Tag-Nacht-Rhythmus, denen das Sonnenlicht als Energiequelle unterworfen ist. Zudem ist im Vergleich zu geschlossenen Röhrensystemen der Reinigungsaufwand deutlich geringer. Die Anlage in Kroatien besteht aus elf unabhängigen Produktionslinien mit einer Kapazität von 20 bis 30 t Trocken-Biomasse im Jahr. Als bevorzugte Algenart wird die Chlorella-Alge hergestellt. Neben der Beleuchtung muss die Dosierung von Phosphor, Nitrat, Spurenelementen und CO2 präzise geregelt werden. Da die Wasserqualität definiert und permanent überwacht wird, liefert der Prozess nach Ernte und Trocknung ein hochreines Endprodukt.
Die gesamte Anlage befindet sich in einer extra dafür gebauten Fabrikationshalle. Im Vergleich zur Produktion in Asien, die in offenen Becken im Freien erfolgt und vorhandenes Oberflächenwasser nutzt, kann Phyox durch die permanent konstanten und überwachten Produktionsbedingungen eine gleichbleibend hohe Produktqualität erzielen, die frei von schädlichen Umweltstoffen und Schwermetallen ist. Immer mehr Abnehmer aus der weiterverarbeitenden Kosmetik-, Lebens- und Futtermittelindustrie schätzen diese verlässlichen Produkteigenschaften.
Messtechnik und Automatisierung der Anlage
Um den Wachstumsprozess sicher zu steuern, muss die Konzentration des CO2 überwacht werden. Dieses erfolgt indirekt über die Messung des pH-Werts mit dem pH-Sensor CPS71E. Dank der digitalen Memosens 2.0-Technologie bietet dieser Sensor eine erweiterte Speicherung von Kalibrier- und Prozessdaten und damit die perfekte Basis für eine vorausschauende Wartung. Die Vorkalibrierung im Labor und der schnelle Sensortausch vor Ort maximieren die Prozessbetriebszeit. Die Zellkonzentration überwacht der Trübungssensor Turbimax CUS52D. Ferner wird als dritter Schlüsselparameter die Leitfähigkeit mittels Memosens CLS82D gemessen. Alle drei Sensoren sind über Eintaucharmaturen im Auslaufbecken installiert und mit dem Mehrkanal-Messumformer Liquiline CM444 verbunden. Die Fliessgeschwindigkeit, mit der sich die Algensuspension durch die Anlage bewegt, erfasst der magnetisch-induktive Durchflusssensor Promag 10D.
Jeder Linie wird einmal täglich etwa ein Drittel des Gesamtvolumens zur Ernte entnommen und einem Separator zugeführt. Der Füllstand der Anlage wird über zwei Grenzstandschalter Liquiphant FTL31 geregelt und entsprechend Frischwasser aus einer Osmoseanlage nachgeführt. Im Anschluss erfolgt die Düngerdosierung. Diese beiden Schritte erfolgen vollautomatisiert. Die Ventile zur Luftversorgung und zur Ernte der Anlage werden durch den Bediener gesteuert. Im Lieferumfang der Automatisierungstechnik war daher ein Schaltschrank enthalten, der das Bedienpanel, die Steuerungstechnik und ein DSL-Modem für den Remote-Zugriff beherbergt. So ist eine Rund-um-die-Uhr-Überwachung des Prozesses auch von einem anderen Ort aus möglich.
Ausbau der Produktion geplant
Phyox will seine Mikroalgen-Produktion in Kroatien ausbauen und zwischen zehn und fünfzehn verschiedene Mikroalgenarten produzieren. Auch ein Kompetenzzentrum für Mikroalgen soll entstehen. Zudem interessieren sich auch andere Unternehmen für das Verfahren, das Phyox zur Algenproduktion anwendet. Sie sehen in dieser Technologie grosse Chancen zur Bindung von CO2 als Abfallprodukt von Industrieprozessen, so Bernd Hermann. Auch laufen viele Versuche, die Energieeffizienz zu verbessern, beispielsweise durch den Einsatz von Photovoltaik inklusive Stromspeicherung zur Deckung des Strombedarfs der Anlage. Ebenso wird der energieintensive Erntevorgang weiter optimiert.
Mit Material von Tim Schrodt, Industriemanager Lebensmittel, Endress+Hauser, Weil am Rhein