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«Es ist der falsche Denkansatz»

Hans Aschwanden, der Präsident des Käserverbandes Fromarte, setzt als Käser voll auf den Markt. Käse- und Milchmengen loswerden zu müssen, sei keine zukunftsweisende Strategie, sagte er im alimenta-Interview.

«Wir müssen die Kunden überzeugen, nicht Mengen wegbringen!», sagt Hans Aschwanden, Präsident Fromarte.

alimenta: Fromarte hat kürzlich anlässlich des 100-jährigen Bestehens weit in die Geschichte zurückgeschaut. Wie geht Ihre eigene Käse-Geschichte? Hans Aschwanden: Ich bin in der Käserei, die ich heute in Seelisberg führe, schon aufgewachsen. Wir haben Milch gesammelt, zentrifugiert, Magermilch den Schweinen verfüttert und den Rahm nach Luzern in die Butterzentrale geliefert. Käse spielte fast keine Rolle. 1968 hat mein Vater den Betrieb übernommen und gemerkt, dass er so nicht über die Runden kommt. Er begann Anfang der Siebzigerjahre Mutschli zu produzieren. Als ich 1996 den Betrieb übernommen habe, wurden 37 Tonnen Käse produziert, alles Spezialitäten. Ich habe von der Käseunion gar nichts mitbekommen. Deshalb habe ich auch die neue Milchmarktordnung nicht direkt gespürt. Es hat für uns nicht viel geändert, ausser dass vorher der garantierte Milchpreis gesetzt war und man jetzt neu verhandeln musste. Ich habe seither immer meine Kunden, ich habe noch nie einen Käsekaufvertrag unterschrieben. Aber die Übergangsprobleme im Milch- und Käsemarkt haben Sie schon mitbekommen? Natürlich, ich bin seit 14 Jahren beim Zentralschweizer Milchkäuferverband ZMKV im Vorstand, ich kannte die Probleme schon. Damals waren die Zentralschweizer Milchproduzenten ZMP ziemlich aktiv mit Käsereien zusammenlegen, auch im Kanton Bern gab es Fusionsprojekte wie K7. Aber es gab und gibt eine Denkweise in den Sorten, dass man ein Recht auf Käseproduktion hat, die ich nicht immer nachvollziehen kann. Wie hat Sie die Liberalisierung direkt betroffen? Mit der Liberalisierung 1999 habe ich neue Milchproduzenten erhalten, das war vorher nicht möglich. Mit der Aufhebung der Kontingentierung 2009 konnte man die Bauern mehr melken lassen, das gab mir mehr Spielraum. Man konnte mit den Bauern zusammen etwas entwickeln.

«Ich habe von der Liberalisierung profitiert, auch vom Käsefreihandel mit der EU ab 2007»
Wir begannen über Intercheese nach Deutschland exportieren, weil es bedeutend einfacher wurde. Allerdings sind die Exporte auch heute bescheiden. Von 150 Tonnen Käse gehen 10 Tonnen ins Ausland. Keine Lust, auf eigene Faust zu exportieren? Meine Kompetenz ist, einen guten Käse zu machen. Wenn ich eine Anfrage aus dem Ausland erhalte, dann übergebe ich das an Kunden von mir, welche die nötige Kompetenz dafür haben. Bei den Käsern gibt es ganz unterschiedliche Strategien: Manche produzieren Premium-Käse, andere wollen oder müssen Milchmengen wegbringen. Milchmengen wegbringen interessiert mich überhaupt nicht. Ich will Käse verkaufen und eine gute Wertschöpfung haben, damit ich meinen Bauern einen anständigen Preis bezahlen kann und damit ich investieren kann. Dafür spielt die Menge keine Rolle. Mit einer kleineren Menge braucht man eine höhere Marge, dann muss man die Produkte so positionieren, dass der Kunde den Mehrwert, den er erhält, auch zu zahlen bereit ist. Ich bin kritisch gegenüber der Mengenbolzerei. Wenn man Mengen loswerden muss, läuft das immer auch ein Stück weit über den Preis. Bei meinen Käsen sollte der Preis kein Thema sein. Es ist der falsche Denkansatz! Wir müssen die Kunden überzeugen, nicht Menge wegbringen. Aber die Emmentaler Käser, die 50 oder 60 Prozent Freigabe haben, die möchten auch lieber 80 oder 90 Prozent käsen. Das ist klar. Aber diese Freigabe ist eine virtuelle Menge, bei der man nicht weiss, wo der Bezug zum Markt ist. Es ist eine Herausforderung für die Käser, viele denken auch noch wie die Bauern: Man hat ein Anrecht auf Produktion, der Kunde ist relativ weit weg. Das Kessi muss ausgelastet werden.
«Zum Teil denke ich ja selber wie ein Bauer»
Ich halte Schweine für die Schottenverwertung. Da rege ich mich auch auf über die Metzger, die neue Abzüge machen, die es vorher nicht gab. Ich stelle für die Schweine keine Rechnung, sondern erhalte eine Abrechnung. Beim Rahm ist es das gleiche, Emmi macht mir die Rahmabrechnung. Wenn man die Rechnung nicht selber schreibt für das, was man verkauft, denkt man nicht an den Markt. Mit guten Kunden gehe ich ab und zu essen, mit meinem Rahmabnehmer nicht. Meine Bauern geben mir auch nichts zu Weihnachten, ich bin für sie Abnehmer, nicht Kunde. Mit dem Heumilch-Label wurde ein erfolgreiches Marketingkonzept aus Österreich importiert. Funktioniert das bei Schweizer Käse? Ja, ich glaube, Heumilch kann ein Vehikel sein, um dem Kunden gewisse Werte besser zu kommunizieren und zu verkaufen. Kritiker unter den Käsern sagen, damit entwerte man Schweizer Käse auf Österreicher Niveau herunter. Man wird sehen, wie es sich entwickelt. Für mich ist es auf jeden Fall eine Positiv-Botschaft an den Kunden. Heumilch wurde von den Zentralschweizer Milchproduzenten lanciert. Wieso nicht von Fromarte? Wir wollten das Projekt im Januar 2015 im Fromarte-Zentralvorstand verabschieden. Ein paar Tage zuvor hatte es den Frankenschock mit der Aufhebung des Euro-Mindeskurses gegeben. Einige Mitglieder fanden deshalb, damit habe man genug Sorgen, man wolle nicht noch ein neues Projekt anpacken. Dann haben es die ZMP angepackt, mit dem Ziel, überschüssige silofreie Milch besser zu verwerten. Fromarte war relativ bald auch involviert, zusammen mit den Schweizer Milchproduzenten und den Thurgauer Milchproduzenten. Heumilch ist letztlich ein Marketingprojekt, es ist nicht unbedingt eine Produktionsart. Die ersten Zertifizierungen sind erfolgt, die ersten Produkte werden in Kürze auf den Markt kommen. Auch in Deutschland sind die Abnehmer interessiert an Schweizer Heumilchkäse. Meine Bauern haben mich gefragt: Was bezahlst du für einen Heumilch-Zuschlag? Meine Antwort war:
«Ich bezahle den Heumilch-Zuschlag schon seit zehn Jahren»
Es geht darum, dass wir uns am Markt positionieren können, um eine langfristige Strategie. Die Sortenorganisationen sind wichtige Akteure im Käsemarkt. Wie sehen Sie deren Zukunft? Die Sortenorganisationen waren nach der Auflösung der Käseunion für die erste Phase der Liberalisierung absolut notwendig. Inzwischen sehe ich das skeptischer. Die Sortenorganisationen funktionieren gut, wenn die Märkte wachsen. Aber wenn Absatz verloren geht, funktionieren sie nicht. Man sieht es beim Emmentaler, beim Sbrinz oder beim Tilsiter. Die Westschweizer Sorten hingegen sind ziemlich erfolgreich.
«Die Trennung von Marketing und Verkauf in den Sorten ist eigentlich ein Konstruktionsfehler»
Aber die Frage ist, was ist die Alternative? Beim Sbrinz gibt es offenbar eine Strategiegruppe über solche Fragen, in der Sie auch dabei sind. Können Sie dazu etwas sagen? Die Diskussionen laufen. Manche wollen das jetzige Modell behalten und es lediglich etwas anpassen. Manche wollen einem einzelnen Händler exklusiv einen Leistungsauftrag geben. Eine andere Variante wäre, dass die Käser selber den Käsehandel übernehmen. Die letzte Variante wäre das Modell Raclette Suisse. Dort besitzt der Verein die Marke, macht etwas Grundrauschen beim Marketing, Preise und Mengen sind frei. Die einzelnen Akteure können sich differenzieren.
«Beim Sbrinz hätte man mit 28 Produzenten eine überschaubare Grösse, um etwas zu versuchen»
Bei Emmi lautet die Message jeweils: Das Sortenkäse-Geschäft ist schwierig, aber mit den Marken läufts. Ja, die Käsehändler sagen, die Sortenkäse brauchen wir zwar, aber die Margen sind zu wenig interessant. Der Nutzen für den Handel kann auch ein imagemässiger Mehrwert sein, wenn man einen bestimmten Käse im Sortiment hat. Der Nutzen der Sortenkäse für den Handel ist zu wenig gross. Weshalb soll eine Emmi in China den Käsemarkt mit Schweizer Emmentaler aufbauen? Damit in drei Jahren ein anderer kommt und profitiert? Ich kann Emmi auch begreifen, wenn sie lieber italienischen Extrahartkäse verkauft – weil das die höhere Marge bringt und damit den höheren Nutzen als beim Sbrinz. Aus dieser Sicht müssen wir das grosse Engagement von Emmi für den Sbrinz schätzen und nicht als selbstverständlich betrachten. Dazu kommt, dass im Zusammenhang mit Pasta Italianità gefragt ist und damit der Parmesan dominiert. Das zu ändern, ist enorm schwierig. Es wäre schon erfreulich, wenn man von den 6000 bis 7000 Tonnen importiertem Extrahartkäse 500 durch Sbrinz AOP ersetzen könnte. Eine ketzerische Frage: Ist AOP denn überhaupt ein Mehrwert? Ich habe den Eindruck, dass es bei manchen Produkten zu wenig bringt. In der Westschweiz sind die Bekanntheit und der Nutzen von AOP sicher stärker. Das Pflichtenheft ist öffentlich-rechtlich. Künftig wird es vielleicht sogar möglich sein, via Staat eine verbindliche Mengensteuerung für AOP-Produkte durchzusetzen. Aber wenn man etwas ändern will, dauert das zwei bis drei Jahre, weil der Bund involviert ist, weil es Einsprachen geben kann. Für den Appenzeller mit der Marke ist das einfacher. Beim Sbrinz kann man nicht beispielsweise einen Dreiviertelfett-Sbrinz produzieren, das Produkt müsste einen anderen Namen erhalten. Aktuell gibt es Diskussionen um die neue Käserei in Oey-Diemtigen, die von Aaremilch gebaut wird. Was sagen Sie dazu? Als Fromarte-Präsident vertrete ich alle Käsereien, auch die genossenschaftlichen. Die regionalen Milchkäuferverbände wehren sich aber natürlich gegen solche Projekte wegen der Wettbewerbsneutralität. Persönlich sehe ich es auch kritisch. Aus der Sicht einer Produzentenorganisation, die im Frühjahr ihre überschüssige Milch mit möglichst hoher Wertschöpfung verarbeiten will, begreife ich es.
«Aus Sicht des Marktes ist es ein Blödsinn»
Aktuell erhält man 15 Rappen Verkäsungszulage für solche Milch, das ist im Prinzip ein Fehlanreiz. Die Gefahr ist, dass wenn im Parlament das Landwirtschaft mit der Schoggigesetz-Nachfolgelösung geändert wird, plötzlich auch die Verkäsungszulage wieder grundsätzlich hinterfragt werden könnte. Oder aber man würde die Bedingungen für die Zulage ändern. Was müsste man denn aus Sicht von Fromarte ändern? Man müsste die Verkäsungszulage nach Fettgehalt abstufen. Laut Bundesamt für Landwirtschaft ist das nicht umsetzbar. Andererseits wurde ja die Fromarte-Forderung nach einer Eintrittsschwelle für den Mindestfettgehalt realisiert. Die Idee des Gesetzgebers bei der Verkäsungszulage ist nicht, dass Überschussmilch verkäst wird. Nun gibt es für Viertelfettkäse die Verkäsungszulage, das ist problematisch. Die Verantwortlichen von Oey-Diemtigen sagen, sie wollen den grösseren Teil des Käses in neue Märkte exportieren. Wenn das so einfach wäre! Ich bin gespannt.
Jedenfalls wartet kein Mensch auf der Welt auf Käse aus dem Diemtigtal.
Im Käsemarkt dominieren Emmi und Mifroma, nicht zuletzt, weil sie selber Käse herstellen und immer wieder auch kleinere Hersteller übernehmen Ich glaube, wenn die Grossen in einem Markt grösser werden, dann werden auch die Lücken grösser. Es gibt auch wieder neue Nischenplayer mit frischen Ideen. Es gab auch schon solche Diskussionen über eine «dritte Kraft». Aber ich glaube nicht, dass Fromarte hier aktiv etwas beitragen kann oder muss. Für einen Betrieb ist es wichtig, eine breite Kundenbasis zu haben, um die Abhängigkeit zu verringern.
«Ich habe auch 20 bis 25 Kunden und habe festgelegt, dass der grösste nicht mehr als 30 Prozent erhält»
Das ist anspruchsvoll in einem so konzentrierten Markt wie der Schweiz. Auch die Digitalisierung kann übrigens eine Chance bieten. Wieso nicht online einen eigenen Verkaufskanal aufbauen? Auch so kann man die Kundenbasis verbreitern.

ifm - Automation is orange

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