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«Ich habe diese Diskussion nicht gesucht»

Lorenz Hirt ist Präsident des Käsemarketings und Geschäftsführer des Müllerverbandes. Sein Beziehungsstatus mit der bundesrätlichen Gesamtschau: «Es ist kompliziert». alimenta hat mit ihm gesprochen.

Lorenz Hirt.

alimenta: Herr Hirt, Sie haben als Präsident von Switzerland Cheese Marketing SCM Stellung bezogen für die Gesamtschau des Bundesrates. Gleichzeitig sind Sie Geschäftsführer des Dachverbandes Schweizer Müller DSM, der die Gesamtschau vehement ablehnt. Wie passt das zusammen? Dr. Lorenz Hirt: Auf den ersten Blick gar nicht: Während die Milchbranche mit weiteren Marktöffnungsschritten Exportchancen sieht, hat die Getreidebranche bei solchen Schritten Existenzängste. Wie gehen Sie denn mit diesem Widerspruch um? Das ist nicht einfach. Als Mandatsträger der beiden Verbände kenne ich aber die Hintergründe, die dazu führen, dass in den Branchen die jeweiligen Positionen definiert werden. Deshalb kann ich diese auch problemlos gegen aussen vertreten. Die vertiefte Kenntnis der anderen Bereiche hilft mir sogar, differenzierter zu argumentieren. Die Verschmelzung der Positionen in meiner Person ist aber eine kommunikative Herausforderung und kann für Aussenstehende zu Irritationen führen. Sie sind auch Geschäftsführer der Vereinigung der Schweizerischen Milchindustrie VMI. Hat dieser Verband auch eine offizielle Position zur Gesamtschau? Die VMI hat die gleiche Ausgangslage wie die SCM und auch die gleiche Position zur Gesamtschau. Die Milchbranche muss über eine Million Tonnen Milch pro Jahr exportieren und ist auf gute Exportmöglichkeiten angewiesen. Es bleibt dabei: Sie fordern im Namen der Milchbranche Grenzöffnungen, während Sie diese im Namen der Getreidebranche ablehnen. Ein Widerspruch in sich. Ich sehe das etwas differenzierter. In meiner Position kenne ich die roten Linien der verschiedenen Branchen, die nicht überschritten werden dürfen. Beim Brotgetreide etwa ist die rote Linie heute schon erreicht. Trotz der Festlegung der variablen Zölle auf dem Maximum von 23 Franken pro 100 Kilogramm wird der Referenzpreis, der immerhin in der Ausfuhrbeitragsverordnung ausdrücklich auf 53 Franken pro 100 Kilogramm festgesetzt wird, heute schon um rund zehn Prozent unterschritten. Das System der Ausfuhrbeitragsverordnung versagt also und die Branche hat das Messer am Hals. Einen weiteren Zollabbau beim Brotgetreide wird man nicht hinnehmen können. Er würde Frontal­opposition bei den Bauern und Müllern auslösen. Das ist eine rote Linie – die zu kennen und auch in die Gespräche in der Milchbranche einbringen zu können, erachte ich als Vorteil, um letztlich zu tragfähigen Lösungen zu kommen. Müssen die Käsebranchenvertreter also beispielsweise akzeptieren, dass Sie nicht vollen Einsatz geben in ihrem Interesse, sondern von Anfang an einen Kompromiss suchen? Nein. Ich bin es gewohnt, differenziert zu argumentieren und gebe immer vollen Einsatz für meine Verbände. Das heisst aber nicht, dass man dabei die anderen Branchen gänzlich ausblenden und wie ein Panzer über ihre legitimen Interessen rollen kann. Dafür sind wir in der Schweizer Nahrungsmittelbranche eine zu kleine Familie und letztlich auch alle irgendwie voneinander abhängig. Spätestens auf Stufe Bauernverband und in der Fial kommen die verschiedenen Interessen ohnehin wieder zusammen und müssen ausdifferenziert werden. Das Problem ist aber, dass die Zwischentöne nicht immer klar mitkommuniziert werden können und das letztlich auch der Glaubwürdigkeit meiner Position schaden kann. Ihre Glaubwürdigkeit ist doch aber wichtig? Die ist sehr wichtig! Ich habe diese aktuell schwierige Diskussion zur Gesamtschau auch nicht aktiv gesucht. Ich versuche sie einfach bestmöglich zu meistern. Die Situation hat sich aber letztlich vor allem aufgrund der undifferenzierten Forderung zum Zollabbau in der Gesamtschau ergeben. Daran haben sich die Geister zu Recht aufgeschaukelt. Ich kann diese Forderung aber durchaus in all meinen Funktionen als sehr ungeschickt und provokativ bezeichnen, was ich zum Beispiel auch in meiner Eröffnungsrede an der Generalversammlung der SCM getan habe. Ein Zollabbau von 30 bis 50 Prozent ohne eine Gegenleistung für die Branchen kann keine Vision sein für den Standort Schweiz. Da wurde viel Geschirr zerschlagen. Das ist schade, weil man nicht mehr über alles andere spricht, was in der Gesamtschau auch Gutes drinsteht. DSM und VMI stehen exemplarisch dafür, dass in der Fial ganz unterschiedliche Bran­chen mit unterschiedlichen Interessen vertre­ten sind. Verliert ein so heterogener Dachverband nicht an Schlagkraft? Die Fial als Dachverband kann in einigen Bereichen nicht pointiert Stellung nehmen, dort überlässt sie den Lead den Branchen. Das war schon immer so. Agrarpolitik ist aber als Kernthema der Fial definiert und da gibt es bezüglich der Gesamtschau nun einmal sehr unterschiedliche Ansichten. Das führt aber nur dann zur Zerreissprobe, wenn man sich auseinanderdividieren lässt. Wir sollten es auch in der Fial schaffen, die proaktiven Interessen der zweiten Verarbeitungsstufe aufzuzeigen, aber gleichzeitig die roten Linien in den sensiblen Bereichen der ersten Verarbeitungsstufe zu definieren und zu achten. Immerhin hat sogar der Bauernverband seine Haltung mittlerweile relativiert und einen umfassenden Bericht zum möglichen Mercosur-Freihandel veröffentlicht. Dieser kommt zum Schluss «Ja, aber…». Ein Mercosur-Abkommen sei möglich, wenn man die roten Linien beachte. Der Nationalrat hat die Gesamtschau zurückgewiesen, der Bundesrat hat bereits nächste Schritte für die Agrarpolitik 2022 angekündigt, die ohne den Einbezug von weiteren Handelsabkommen aufgegleist werden soll. Was halten Sie davon? Auch hier gilt: Die generelle Strategie der Gesamtschau mit mehr Nachhaltigkeit und mit Mehrwert am Markt stimmt mit der Strategie des Milchsektors überein. Beim Mehl aber haben wir ein Produkt, das zum grössten Teil Commodity-Charakter hat. Die negativen Auswirkungen von Marktöffnungen können beim Mehl nicht über das Perspektivendreieck der Gesamtschau aufgefangen werden, weil man sich nicht genügend differenzieren und positionieren kann. Möglicherweise kann die Getreidebranche mit der Gesamtschau als strategische Vorgabe leben, wenn der Freihandelsteil weggelassen wird. Das wird aber von den konkreten Vorschlägen des Bundesrates abhängen. Der Bundesrat will auch weitere Handelsabkommen abschliessen, die sich trotzdem auf die Landwirtschaft auswirken werden. Am 1. Juni ist ein Freihandelsabkommen mit den Philippinen in Kraft getreten, ohne grossen Aufschrei in der Öffentlichkeit. Hier haben wir Zollfreiheit für Käse, Milchpulver und Schokolade erreicht. Wir werden in sechs Jahren Zollfreiheit für Biscuits, Trockenfleisch und Tabakprodukte haben. Und die Zölle für Kaffeekapselexporte wurden halbiert. Im Gegenzug haben wir Konzessionen gemacht für Schnittblumen, verschiedene Früchte, Fruchtsäfte und eine Rohrzuckerspezialität «Muscovado». Das tut in der Schweiz niemandem weh. Solche Lösungen mit Win-Win-Situationen muss man suchen und aushandeln. Die sind auch mit den Mercosur-Ländern denkbar. Das zeigt auch der neue Bericht des Bauernverbandes schön auf. Interview: Roland Wyss-Aerni

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