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Unser Körper wird zur Farm

Indoor-Farmen, Insekten-Menüs aus dem 3D-Drucker und Algen, die wir mit unserer eigenen Atemluft nähren: In einer Ausstellung in Winterthur skizzieren Designer und Forscher die Zukunft unserer Ernährung.

Soll ich? Soll ich nicht? Gleich am Eingang des Gewerbemuseums Winterthur laden Schälchen mit Grillen und Mehlwürmern ein, seine Grenzen zu testen und Ernährungsgewohnheiten zu hinterfragen. Wem jetzt schon mulmig ist, dem wird die Vision «In Vitro Me» der niederländischen Designerin Chloé Rutzerveld schwer im Magen liegen: Ein auf der menschlichen Brust getragenes Amulett dient als Brutkasten – für Fleisch aus unseren eigenen Zellen. «Selbstzerfleischung» mag nicht die Antwort sein auf die Frage, wie wir uns in Zukunft ernähren werden. Aber weitergehen wie bisher kann es mit unserer Ernährung angesichts von Klimawandel, Umweltzerstörung und ständig wachsender Weltbevölkerung nicht. Es braucht vielmehr eine globale «Food Revolution 5.0». Das ist die Kernaussage der gleichnamigen Ausstellung im Gewerbemuseum Winterthur. Rund 50 internationale Design- und Forschungsprojekten zeigen, was und wie wir in Zukunft essen könnten. Die Ausstellung schlägt dabei den Bogen von der Farm über den Markt bis hin zu Küche und Tisch. Zu sehen war die Ausstellung 2017 bereits in Hamburg und Berlin, das Gewerbemuseum Winterthur hat sie mit Arbeiten und Projekten aus der Schweiz erweitert. Urin als Dünger für die Indoor-Farm Neben spekulativen Zukunftsvisionen sind in der Ausstellung auch alltagstaugliche Konzepte zu entdecken. Statt unseren Urin einfach das Klo runterzuspülen, könnte man ihn zum Beispiel als Dünger verwenden: Er ist reich an Kalium, Phosphor und Stickstoff. Das Basler Start-up Youtrition hat mit dem «Hydropontic System» eine Trenntoilette entwickelt, die Urin in eine Nährlösung verwandelt, mit der Salate und Gemüse gedüngt werden können. Dass diese nicht mehr auf einem Feld wachsen müssen, zeigt das Fraunhofer Institut mit seiner Indoor-Farm. Und die häuslichen Insektenfarmen der Österreicherinnen Katharina Unger und Julia Kaisinger sind nicht nur Proteinfabriken für zuhause, sondern machen sich auch als Designobjekt auf dem Sideboard ganz gut. Geht es nach den Londoner Designern Michael Burton und Michiko Nitta, wird unser Körper selber zur Farm. Dazu haben die beiden den Prototyp eines Algen-Symbiose-Anzugs entwickelt, der mit seinen Schläuchen an eine Mischung aus Intensivstation und Sciencefiction-Film erinnert: Das Kohlendioxid, das wir ausatmen, lässt Algen wachsen, die dem Menschen über die Maske direkt als Nahrung zurückgeführt werden. Von der Nase in den Mund, sozusagen. Während in anderen Kulturen Insekten seit jeher auf dem Speiseplan stehen, rufen Grillen und Mehlwürmer auf dem Teller bei uns in Europa Ekel hervor. Dabei gelten Insekten neben den Algen als wichtige Proteinquelle der Zukunft. Vielleicht liegt es ja an der Präsentation?, fragt sich die deutsche Designerin Carolin Schulze. Sie verarbeitet Mehlwurmpaste mit dem 3D-Drucker zu Gerichten mit vertrautem Namen. Ihr Projekt mit dem sinnigen Titel «Falscher Hase – Bugs’ Bunny» soll positive Erfahrungen mit Insektenfleisch ermöglichen. Zwischen High-Tech und altem Wissen Das Auge isst mit. Und grosse Teller verleiten uns dazu, mehr zu essen, als wir eigentlich müssten. Das Gehirn überlisten will die Niederländerin Marije Vogelzang mit ihren «Volumes» – bunte Keramikkörper, die sich auf Tellern zwischen dem Essen platzieren lassen. Sie signalisieren dem Gehirn optisch Sättigung – mit dem Resultat, dass man weniger isst. Fettleibigkeit und Überfluss im Westen, Hunger in den Entwicklungsländern: Die Ausstellung wirft auch einen kritischen Blick auf unseren zerstörerischen Konsum, die Vermüllung und die ungleiche Verteilung der Nahrung. Einen bitterbösen Kommentar zur Massentierhaltung liefert der Amerikaner Austin Stewart mit seinem spekulativen Projekt «Second Livestock». Könnte man Käfighühner glücklicher machen, indem man ihnen mittels Virtual-Reality-Brille ein Leben auf einem idyllischen Bauernhof vorgaukelt?, fragt sich der Amerikaner. Seine Matrix für Hühner konfrontiert uns mit ethischen Fragen und setzt ein technikkritisches Fragezeichen: Ist High-Tech wirklich die Lösung? Auch, aber nicht nur, lautet der Tenor der Ausstellung. Gerade in der Küche seien alte handwerkliche Kulturtechniken und das Selbermachen Teil der Lösung. Gezeigt wird etwa eine Kulturtasche, ein Fermentier-Starter-Set, um selber Bier oder Sauerkraut herzustellen. Der Clou: Die Tasche besteht aus bakterieller Zellulose, ist also selber das Resultat fermentierender Kulturen. Fazit: Eine anregende Ausstellung, die Appetit macht, über die Zukunft unseres Essens nachzudenken. stephan.moser@rubmedia.ch Die Ausstellung «Food Revolution 5.0» läuft bis am 28. April 2019. www.gewerbemuseum.ch

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