«Bei Bio hat es noch Luft nach oben»: Aldi-Chef Jérôme Meyer. (zVg)
Im vier Milliarden Franken schweren Schweizer Bio-Markt ist Aldi bisher ein kleiner Player. Mit seinem neuen Bio-Label «retour aux sources» setzt der Discounter nun aber neue Massstäbe. Milch, Joghurt, Mozzarella, Butter, Rindfleisch und Eier - 24 Produkte umfasst das Sortiment bislang, das Aldi seit dem 12. Mai anbietet. Sämtliche Produkte stammen von knospe-zertifizierten Schweizer Biobetrieben. Zusätzlich zu den Bio-Suisse-Richtlinien müssen die Produzenten für das neue Aldi-Bio auch den
«Prüf Nach!»-Standard des österreichischen Nachhaltigkeitsunternehmens Lampert erfüllen. Dessen Vorgaben in Sachen Nachhaltigkeit und Transparenz gehen teilweise weit über die bestehenden Schweizer Bio-Standards hinaus. «Damit heben wir die Standards von Schweizer Bio auf ein ganz neues Level - das sind die besten Bio-Produkte der Schweiz», sagte Aldi-Chef Jérôme Meyer am Freitag, als er das neue Label den Medien präsentierte.
Milch aus antibiotikafreier Tierhaltung
So stammen beispielsweise alle Milchprodukte aus einer komplett antibiotikafreien Tierhaltung - ein Novum in der Schweiz. Im Gegensatz zum Bio-Suisse-Standard ist Kraftfutter (Soja, Getreide, Körnermais) bei der Milchproduktion für «retour aux sources» komplett verboten, verfüttert wird ausschliesslich Schweizer Wiesen- und Weidefutter in Bioqualität. Weide- und Laufstallhaltung ist Pflicht.
30 Milchbauern aus den Kanton Aargau und Luzern produzieren derzeit mit antibiotikafreier Tierhaltung Milch für Aldi. Schlüssel für einen Antibiotikaverzicht seien gesunde und fitte Tiere, sagte Biobauer Hans Braun aus Rothrist, auf dessen Hof der Medienanlass stattfand. Das erreiche man mit artgerechter Fütterung, viel Auslauf und robusten Rinderrassen. Aldi zahlt für die antibiotikafrei produzierte Milch zehn Rappen mehr pro Kilo als für normale Bio-Milch. Im Laden kostet der Liter 1.79 Franken. Emmi holt die Milch gesondert bei den 30 Produzenten ab und verarbeitet sie ebenfalls separat in Suhr und in der Molkerei Biedermann in Bischofszell. Die separate Sammlung und Verarbeitung sei für Emmi eine «riesige Herausforderung» gewesen, sagte Meyer.
Kälber bleiben 120 Tage auf Betrieb
In der Fleischproduktion sind Weide- und Laufstallhaltung und permanenter Auslauf Pflicht. Die Kälber wachsen mindestens 120 Tage auf dem Geburtsbetrieb auf. Männliche Milchrassekälber werden auf einem der 150 Biobetriebe, die bereits heute Biorindfleisch (Weiderind) für Aldi produzieren, grossgezogen. Verfüttert wird sojafreies Schweizer Biofutter.
Bei Milch- und Eierbetrieben müssen zudem mindestens 12 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche Biodiversitätsförderflächen sein. In der Eierproduktion werden auch die männlichen Küken aufgezogen. Aldi verarbeitet ihr Fleisch zu Bratwurst oder Fleischkäse. Noch dieses Jahr sollen diese Hühnerfleischprodukte unter dem neuen Biolabel in die Regale kommen, geplant sind dieses Jahr auch Obst, Gemüse und Getreideprodukte sowie weitere Rindfleischprodukte.
Rückverfolgbar bis auf den Hof
Wert legt Aldi auf die Rückverfolgbarkeit und Transparenz. Über einen QR-Code auf der Packung oder den Chargencode können die Konsumentinnen und Konsumenten bei jedem Produkt nachschauen, von welchem Hof die Rohstoffe stammen und wer sie verarbeitet hat.
Aldi macht auch transparent, wo die beteiligten Höfe insgesamt punkto Nachhaltigkeit stehen. Dazu arbeitet der Discounter mit dem Institut für Agrarökologie zusammen, das der Bio-Experte Urs Niggli gegründet hat. Mit einem Online-Fragebogen zu 28 Themen in den Bereichen Ökologie, Ökonomie, soziales Wohlergehen und Betriebsführung misst das Institut einmal jährlich die Nachhaltigkeit aller Betriebe auf einer Skala von 0 bis 100. Danach werden alle Betriebe, die das gleiche Produkt herstellen, also zum Beispiel alle Milchbetriebe, anonymisiert und zusammengefasst. Die so entstandenen 28 Durchschnittswerte für jedes Thema und in jeder Produktgruppe zeigen, wie nachhaltig das Produkt ist. Die Ergebnisse werden zum Teil auf der Packung ausgelobt, alle Resultate sind online einsehbar.
Niggli zeigte sich vom neuen Aldi-Label begeistert. «Was ich 30 Jahre lang am FiBL zu Antibiotika-Reduktion oder Biodiversität geforscht habe, setzt Aldi jetzt in die Praxis um.» Das kleine Aldi-Programm sei dabei viel flexibler als Bio Suisse mit seinen 7500 Produzenten. «Hier können wir mit den besten Produzenten arbeiten, die bereit sind, einen Schritt weiterzugehen.»
Import-Bio heisst neu Bio Natura
Mit «Nature Suisse Bio» hat Aldi bereits ein Label für Schweizer Bioprodukte. Viele Schweizer Bio-Produkte, die bisher unter diesem Label angeboten wurden, sollen schrittweise in der neuen Marke «retour aux sources» aufgehen. Unter dem Label «Nature Active Bio» bot Aldi bisher importierte Bio-Produkte an, die mindestens nach der EU-Bio-Verordnung produziert wurden. Dieses Label wird neu «Bio Natura» heissen. Unter Bio Natura laufen künftig auch Schweizer Bio-Produkte, die nicht als «retour aux sources»-Artikel vorgesehen sind. Bei ihnen wird as Bio-Natura-Label zusätzlich mit einem Schweizer Kreuz versehen. Aktuell hat Aldi 350 Bioprodukte im Sortiment, über 100 davon stammen aus der Schweiz.