Exkursion zu Bergkäsereien - Foto: (Gellert Kiraly)
Der Kongress bestand aus einem Symposium, Exkursionen und der Mitgliederversammlung von FACEnetwork (siehe Kasten). Die Ausflüge führten zu Käsereien im Triglav-Nationalpark, einem der ältesten Parks Europas und seit 2003 auf der UNESCO-Liste der Biosphärenreservate. Dieses wunderschöne Naturschutzgebiet erstreckt sich über den gesamten Bereich des slowenischen Teils der Julischen Alpen mit Gipfeln über 2500 Metern und umfasst eine Fläche von 838 Quadratkilometer. Bohinj, im Herzen des Nationalparks Triglav, galt jahrhundertelang als Sennerei-Zentrum. Auch heute ist die Berglandwirtschaft ein wichtiger Bestandteil der Identität. Die Bauern eines Dorfes oder einer Region kümmern sich abwechselnd um das Vieh auf den Sömmerungsweiden. Die Anzahl der Tage, die sie dafür benötigen, hängt von der Anzahl der Tiere ab, die sie haben. So wird die Arbeit gerecht aufgeteilt. Für die Käseherstellung ernennen sie in der Regel gemeinsam einen Käser für die gesamte Saison. Der Bergkäse, der hergestellt wird, ist ein Rohmilch-Hartkäse und der Käsebruch wird auf eine Temperatur von 50 bis 55 Grad Celsius erhitzt, oft in kupfernen Käsekessi über einem offenen Holzfeuer. Der Käse reift im Keller der Käserei und wird am Ende des Sommers zusammen mit dem Vieh ins Tal gebracht.
Moderne Analysemethoden
Das Symposium behandelte eine Vielzahl historischer und zukünftiger Entwicklungen, wie zum Beispiel Weidemanagement, mikrobielle Kulturen, Herstellungsverfahren und Vermarktung. Der Vortrag von Hans-Peter Bachmann (Agroscope) und Monika Lüscher Bertocco (Grangeneuve) im Rahmen des neuen Kompetenzzentrums für Rohmilchprodukte über «Raclette du Valais AOP» konzentrierte sich auf die Anwendung moderner Analysemethoden (16S-RNA-Sequenzierung) zur Bestimmung der Anwesenheit und Aktivität von Mikroorganismen. Diese Methoden finden in der Käsewirtschaft zunehmend Anwendung und erlauben neue Zusammenhänge zu erkennen, warum Käsefehler entstehen und wie sie vermieden werden können.
Die modernen Analysemethoden erlauben auch einen Blick zurück in die Vergangenheit. So wurden verschiedene Käse untersucht aus einem alten Familienkeller, in dem jahrzehntealte Käse gelagert wurden. Der älteste Käse stammte sogar aus dem Jahr 1875. Die Untersuchung dieser Käse ermöglicht einen Einblick in die Entwicklung der wichtigsten Käsebakterien in den letzten 150 Jahren. Es haben sich deutlich unterschiedliche Zeiträume abgezeichnet. Zu Beginn erfolgte die Säuerung der Milch spontan, worauf die hohe Zahl der Darmbakterien (Laktobazillen) hinweist. Später dominierten die mesophilen Milchsäurebakterien. Um die Qualität zu verbessern und die Sicherheit zu erhöhen, wurden die Brenntemperatur erhöht und die Säuerung beschleunigt. Dies führte dazu, dass thermophile Milchsäurebakterien im Käsemikrobiom zunahmen.
Spezifische Kulturen
Petra Mohar Lorbeg (Universität Ljubljana) erklärte, dass ihr Institut in Zusammenarbeit mit den Herstellern traditioneller slowenischer Käsesorten wie Tolminc und Mohant spezifische Kulturen entwickelt. Diese Kulturen enthalten die typischen Stämme, die traditionell in diesen Käsesorten vorkommen. In den international verfügbaren Kulturen sind diese Stämme nicht vorhanden. Die Verwendung der speziellen Kulturen verstärkt die Authentizität der Käse und leistet auch einen Beitrag zur Erhaltung der Artenvielfalt auf der Ebene der Mikroorganismen.
Weidemanagement
Eine interessante Perspektive lieferte der Historiker Žiga Zwitter (Universität von Ljubljana). Er sprach über Bewirtschaftungsmethoden für Bergwiesen und andere Grünlandflächen, die in der Vergangenheit dazu beitrugen, die Artenvielfalt (Kräuter, Insekten, Schmetterlinge, Vögel) in einem Gebiet zu erhalten. Der Trend zu mehr Düngung und höheren Erträgen führte auch in Slowenien zu einem deutlichen Verlust der Artenvielfalt. Es ist daher wichtig, ein Gleichgewicht zwischen wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Werten zu finden. Als Beispiele für Massnahmen nannte er eine begrenzte Düngung (eines Teils) der Wiesen, wechselnde Mähzeiten (Blütezeit/Saat) sowie die Kennzeichnung und der Schutz von Vogelnestern.
Geschützte Ursprungsbezeichnungen
Diego Rinallo (Emlyon Business School in Lyon) sprach über den «Aufstieg und Fall» der geschützten Ursprungsbezeichnung «Bitto», einem traditionellen Bergkäse aus den Bitto-Tälern in Norditalien. Im Jahr 1995 wurde Bitto die geschützte Ursprungsbezeichnung AOP zuerkannt. Das Pflichtenheft ermöglichte industriellere Produktionsmethoden und eine Ausdehnung des Produktionsgebiets in tiefer gelegene Gebiete. Dies führte zu Unzufriedenheit bei den Erzeugern in den Bitto-Tälern. Deshalb wollten sie als «Rebellen» den Namen «Historic Bitto» für ihren Käse verwenden, aber diese Unterscheidung ist im Pflichtenheft nicht erlaubt. Der anhaltende Konflikt dauerte bis 2016. Mit Unterstützung von Slow Food benannten sie ihren Käse dann um in «Storico Ribelle» (Historischer Rebell) und gründeten ein neues Konsortium. Mit dieser Aktion erregten sie grosse Aufmerksamkeit in den Medien. Die Konsumentinnen und Konsumenten waren nun stärker motiviert, das Originalprodukt zu wählen und den richtigen Preis dafür zu zahlen. Dieser Vorfall zeigt auf, wie wichtig es ist, bei der Ausarbeitung der Vorschriften für eine geschützte Bezeichnung mit am Tisch zu sitzen.
Europäisches Käsebuffet
Ein unverzichtbarer Bestandteil eines FACEnetwork-Kongresses ist das Buffet mit handwerklich hergestellten Käsen und Molkereiprodukten. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer bringen dafür Produkte mit, die in der Regel aus ihrem eigenen Betrieb stammen. Auch dieses Mal gab es eine beeindruckende und begeisternde Vielfalt an Käsesorten von Kuh, Ziege, Schaf oder Büffel. Natürlich jede Menge Bergkäse, aber auch Weichkäse mit Weissschimmel oder mit einer Schmierereifung, Blauschimmelkäse und Kräuterkäse. Auch verschiedene Molkereiprodukte (Joghurt, Hüttenkäse, Butter) konnten degustiert werden. Es ist stets ein unvergesslicher Höhepunkt, die enorme Vielfalt der handwerklich hergestellten Käse und Molkereiprodukten in Europa zu entdecken.
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FACEnetwork
FACEnetwork, kurz für «Farmhouse and Artisan Cheese and dairy producers' European network», ist der europäische Zusammenschluss von Organisationen für bäuerliche und handwerkliche Käse- und Molkereiproduzenten. FACEnetwork setzt sich für deren Interessen ein und ist darüber hinaus ein wichtiges Netzwerk für den Wissens- und Erfahrungsaustausch in den Bereichen Regulierung, Hygiene, Technologie und Marketing.
Das FACEnetwork hat derzeit 19 Mitglieder aus 16 Ländern, die insgesamt etwa 4.000 Hersteller vertreten. Zu den Mitgliedern des FACEnetwork gehören neben diesen Organisationen auch Schulen, Forschungsinstitute und Unternehmen. Aus der Schweiz ist Fromarte Mitglied und Grangeneuve und Agroscope sind unterstützende Mitglieder.
Auf der Mitgliederversammlung in Slowenien wurde Frédéric Blanchard (Ziegenzüchter und Käser aus Frankreich) nach der Höchstdauer von drei Amtszeiten von Kerstin Jürss, einer handwerklichen Käserin aus Schweden, als Präsident abgelöst.