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Mehr tun gegen Food Fraud

Der diesjährige Lebensmitteltag in Luzern brachte unter anderem die Themen Lebensmittelbetrug, Nachhaltigkeitsberichterstattung und Selbstverantwortung in den Unternehmen aufs Tapet.

«Es braucht höhere Bussen für Lebensmittelbetrug.» Daniel Imhof, Geschäftsführer das Laboratoriums der Urkantone. (Roland Wyss-Aerni)

Wie steht es um die Sicherheit und Vertrauenswürdigkeit von Lebensmitteln zehn Jahre nach dem Pferdefleischskandal? Daniel Imhof, Geschäftsführer des Laboratoriums der Urkantone, nahm das unerfreuliche Jubiläum zum Anlass, auf Betrugsfälle und sonstige Lebensmittelskandale zurückzuschauen. Beim Pferdefleisch in Lasagne, das 2013 entdeckt wurde, gab es eine komplizierte Lieferkette von Lieferanten, Händlern und Verarbeitern, die von Frankreich über Zypern und Rumänien in die Niederlande führte. Betroffen waren Produkte, die in Deutschland, Österreich, der Schweiz und in Tschechien verkauft wurden. Speziell daran war, dass es an die Medien gelangte, erklärte Imhof. Der deutsche Detailhändler Real hatte eine Authentizitätsprobe gemacht und das Ergebnis bekannt gegeben. «Lebensmittelbetrug erfährt die Öffentlichkeit meist nicht, wenn er nicht gesundheitsgefährdend ist.» Insgesamt ging es dabei um 500 Tonnen Ware.
Der Bioskandal brachte die EU zum Handeln
Ein Jahr zuvor, im Herbst 2012, war der Bioskandal publik geworden, der ungleich grösser war, aber deutlich weniger hohe Wellen schlug – es ging um 700'000 Tonnen Ware aus Italien, Rumänien und Bulgarien, die konventionell war, aber als biologisch gekennzeichnet und verkauft wurde. «Der Ball wurde erstaunlich flach gehalten», sagte Imhof. Die Biobranche selbst habe hier kein Interesse an zu viel Publizität gehabt. Die EU erliess daraufhin erste Massnahmen und gründete 2013 das Food Fraud Network, es wurden die sogenannten Opson-Programme gestartet, um in jährlichen Kampagnen mit der Interpol Lebensmittelbetrüger aufzuspüren. Dabei zeigte es sich regelmässig, dass Olivenöl und Honig besonders häufig gefälscht wird. Oder auch Käse: «70 Prozent des Parmigiano Reggiano sind nicht aus Parma», sagte Imhof.
Auch in der Schweiz gab es Betrugsfälle, die bekannt wurden: Der Walliser Weinskandal 2014, bei dem ein Winzer mehr billigen Wein beimischte als erlaubt, oder der Fall Carna Grischa, bei dem billiges Importfleisch als Schweizer Fleisch verkauft wurde. In beiden Fällen gab es Whistleblower, welche die Fälschungen ans Licht brachten. «Aber auch Authentizitätskontrollen oder Bilanzkontrollen können helfen.» Für gewerbliche Konfitürenhersteller könne die Versuchung gross sein, Früchte zu importieren, wenn die inländische Ernte klein und teuer sei – und die Etiketten dann aber unverändert zu lassen. Wenn ein Schweizer Honig etwas zu günstig angeboten werde, sei das verdächtig, ebenso wie wenn in einem Restaurant Felchen aus dem Zürichsee serviert würden, obwohl die Felchen-Erträge der Fischer nur sehr klein waren.
Imhof erzählte auch von einem Fall, in dem ein Weinhändler 60'000 Liter Rotwein fälschlicherweise als Blauburgunder verkauft hatte. Damit hatte er pro Liter 20 Franken verdient, das Bussgeld betrug dann lediglich 4000 Franken. Das Wichtigste sei dem Händler gewesen, dass es keine Strafanzeige gebe, weil es sonst im Amtsblatt publik gemacht worden wäre.
Unübersichtliche Lieferketten
An einem «einfachen» Industriebrötchen, das mit Zutaten aus 17 verschiedenen Ländern produziert wird, illustrierte Imhof das Problem: «Es fehlt an Transparenz und an Kenntnissen über internationale Lieferketten.» Die internationalen Bestimmungen seien ungenügend, um den Betrügereien Herr zu werden. Es gebe zwar ein «Vulnerability»-Schema VACCP analog zu dem bekannten risikobasierten HACCP-Schema, es wäre aber besser, wenn auch Deklarationen Bestandteil der globalen Food Standards GFSI wären, fand Imhof.
In der Schweiz gibt es politische Bestrebungen, Food Fraud besser zu bekämpfen. Zwar existiert schon länger die Plattform «Coordination Food Fraud», in der betroffene Bundesämter, Zollverwaltung und kantonaler Vollzug zusammengeschlossen sind. Der Bundesrat gab aber 2021 in einer Stellungnahme zur Motion «Lebensmittelbetrug stärker bekämpfen» von SVP-Nationalrat Mike Egger zu, dass Lebensmittelbetrug zunehme und derzeit aufgrund der aktuellen Gesetzeslage nicht genügend wirksam bekämpft werden könne. Die Eidgenössische Kommission für Konsumentenfragen schlug eine Task Force Fraud vor und die Schaffung von gesetzlichen Grundlagen für besseren Datenaustausch unter den Behörden. Ferner sei für ihn klar, dass es einen besseren Schutz für Whistleblower brauche, sagte Imhof. «Und es sollte viel höhere Bussen geben.»
Nachhaltigkeitsberichte ohne Marketing
Sied Sadek, Geschäftsführer der deutschen Filiale der Zertifizierungsfirma SQS, befasste sich in Luzern mit Nachhaltigkeitsberichten – durchaus kritisch. «Viele Nachhaltigkeitsberichte sind eigentlich Marketingberichte», meinte er. In 80 Prozent der Berichte gebe es Greenwashing, viele Berichte würden auch nicht ordnungsgemäss geprüft, das Resultat seien gewollte oder ungewollte Falschaussagen. «Man sollte aber transparent bleiben und die Wahrheit sagen.» Dazu gehörten vergleichbare und überprüfbare Daten und die Nennung von negativen Aspekten. Das sei auch für das Unternehmen besser, weil man so Veränderungen aufzeigen und positiv nutzen könne – und besser auf die Zukunft vorbereitet sei.
Gold-Standard für Nachhaltigkeitsberichte sei die Global Reporting Initiative (GRI), fand Sadak. Bei der Science Based Targets Initiative SBTI gehe es nur um CO2-Emissionen, und beim Modell Verra lediglich um die Selbstdeklaration von CO2-Emissions-Kompensation.
In der EU soll ab Anfang 2024 die neue Richtlinie für Nachhaltigkeitsberichterstattung CSRD eingeführt werden, der Kreis der davon betroffenen Unternehmen wird dann jährlich schrittweise erweitert. Wichtiger als gesetzliche Vorgaben seien aber die Kunden, fand Sadak, «sie werden merken, ob man nachhaltig ist oder nicht.»
Selbstverantwortung wahrnehmen heisst informiert sein
Den Abschluss des Lebensmitteltags machte Michael Beer, stellvertretender Direktor des Bundesamtes für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen BLV. Er verwies auf einen aktuellen Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts zu Biofuttermitteln, wonach die Zertifizierungspflicht für Zulieferer die Selbstverantwortung eines Herstellers nicht ersetze. Die Gefahrenanalyse im Betrieb sei gesetzlich vorgeschrieben, ein Hersteller könne diese nicht wegdelegieren, sagte Beer. Das bedeute auch, dass man Informationen sammeln und merken müsse, wo es ein Problem geben könnte – bezüglich Lieferengpässen, bezüglich möglicher Täuschungen, bezüglich mikrobiologischer oder chemischer Gefahren.
Er sei sich bewusst, dass kleinere Firmen nicht viele Ressourcen hätten, um alle News zu verfolgen, sagte Beer. Das BLV selber trage monatlich relevante Informationen zur Früherkennung in einem Newsletter zusammen. Auch die Publikumsversion des EU-Meldesystems RASFF oder der Newsletter des deutschen Bundesinstituts für Risikobewertung BfR seien gute Quellen. Möglicherweise könnten auch Branchenverbände mit Informationen weiterhelfen. Medien oder NGO seien mit Vorsicht zu geniessen, soziale Medien sollte man als Quelle besser ganz vermeiden, fand Beer. Das habe sich kürzlich gezeigt, als die EU das Mehl von Hausgrillen als lebensmitteltauglich einstufte. Hier seien viele alarmistische Falschinfos bis hin zu «Wir werden alle sterben» herum geboten worden.

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