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ChatGPT & Co: Was bringt es der Lebensmittelproduktion?

Künstliche Intelligenz wird in der Lebensmittelindustrie schon länger verwendet, seit einigen Monaten sorgen neue Modelle wie ChatGPT für grosses Aufsehen. foodaktuell ist der Frage nachgegangen, wie Firmen damit umgehen und welche Chancen und Risiken sie in den neuen Modellen sehen.

Das neue Getränk Vivi Nova wurde von A bis Z von Künstlicher Intelligenz entwickelt. (Vivi Kola)

Die KI-Software ChatGPT ist die am schnellsten wachsende Anwendung aller Zeiten. Sie wurde Ende November 2022 aufgeschaltet und erhielt in den ersten zwei Monaten bereits 100 Millionen Anmeldungen von Nutzerinnen und Nutzer, die den kostenlosen Textgenerator ausprobieren wollten. Die Tatsache, dass die Software menschliche Sprache entgegennimmt und auch ausgibt, macht den Zugang zu «Künstlicher Intelligenz» (KI) oder «Maschinellem Lernen», wie es besser heissen sollte, so einfach wie nie. Das Stellen einer einfachen Frage ist ebenso möglich wie das Führen eines Gespräches zu einem hochkomplexen Thema.
Eine alte Debatte, neu aufgelegt
ChatGPT hat die öffentlichen Diskussionen um Nutzen und Gefahren von Künstlicher Intelligenz neu befeuert. Und zwar auf allen Ebenen: Rettet Künstliche Intelligenz die Menschheit vor dem Klimakollaps? Oder ist sie vielmehr eine Gefahr für die Menschheit? Welche Arbeitsplätze sind gefährdet und wann? Wie sollen Schule und Bildung künftig aussehen? Oder ganz konkret: Wie kann ich mit Künstlicher Intelligenz mein Leben erleichtern oder meine Arbeit besser organisieren?
Am naheliegendsten ist die Verwendung von ChatGPT, Bing Chat, Google Bard (in der Schweiz noch nicht verfügbar) oder YouChat in der Werbe- und PR-Branche oder im Journalismus. Um Texte zusammenzufassen, Titelvorschläge zu liefern, zu übersetzen oder an verschiedene Zielpublika anzupassen, sind diese Programme sehr gut geeignet. Bildgeneratoren wie Dall-E oder Midjourney, die ebenfalls auf Sprachmodellen basieren, eignen sich, um Werbebilder zu generieren, neue Designs zu entwickeln oder völlig neue Bildwelten zu erschaffen.
KI in der Produktion: Nichts Neues
Aber was sind die Anwendungsmöglichkeiten für Lebensmittelhersteller? Künstliche Intelligenz ist dort kein neues Thema. Schon heute helfen lernfähige Algorithmen, in Produktionsanlagen die Prozesse zu optimieren, kommende Störungen oder Wartungsarbeiten vorauszusagen, Produktionsmengen zu planen, Energie und Wasser zu sparen oder mit Bilderkennung die Qualitätssicherung zu gewährleisten (s. Box: Bisherige Anwendungen von KI). KI wird auch in der Biotechnologie verwendet, um die Faltung von Proteinen und ihre Eigenschaften vorauszusagen, etwa mit dem Programm AlphaFold, das von der Google-Tochter DeepMind entwickelt wurde.
ChatGPT: Für Kommunikation und Rezepturen
Die Verwendungsmöglichkeiten von ChatGPT & Co sind weniger offensichtlich, vorläufig gibt es sie weniger in der Produktion selbst als in der Administration oder im Umgang mit den Kunden. Der Konsumgüterhersteller Unilever beispielsweise setzt zwei KI-Tools auf der Basis von LLM ein. «Alex» bewirtschaftet Kundenanfragen und liefert Antwortvorschläge für die Mitarbeitenden im Consumer Engagement Center. «Homer» hilft in der Verkaufsadministration und erstellt beispielsweise aus Produktspezifikationen automatisch eine Produktelistung auf Amazon, dessen Beschreibung sich sprachlich an das angepeilte Zielpublikum richtet.
Coca-Cola kommunizierte im Februar 2023 als eines der ersten Unternehmen, dass man mit dem ChatGPT-Entwickler OpenAI und mit dem Beratungsunternehmen Bain & Company zusammenspannen wolle, um die Entwicklung von personalisierten Werbebildern und Messages zu prüfen. Und der Gewürzhersteller McCormick hat mit dem KI-Programm Watson von IBM, das auch auf LLM beruht, neue Produkte und neue Rezepturen entwickelt.
Schon mehrfach zum Einsatz kamen Sprachmodelle bei der Entwicklung von Bierrezepten, aktuell beim Jubiläumsbier der deutschen Brauerei Beck’s. Bekannt wurde auch die neueste Kreation der Schweizer Firma Vivi-Kola, «Vivi Nova», das nach den Angaben der Firma von A bis Z von künstlicher Intelligenz entwickelt wurde: Das Rezept wurde von ChatGPT entwickelt, das Branding von Midjourney und vom 3D-Grafikprogramm Unreal Engine.
Hersteller tasten sich an das Thema heran
Nestlé hat für seine Kondensmilchmarke Leite Moça in Brasilien ein Rezeptbuch herausgegeben, bei dem die Rezepte von einer Künstlichen Intelligenz erstellt und dann von den Nestlé-Kulinarikexperten getestet wurde. Nestlé sieht den Einsatz von generativer KI «als Chance, unsere Gesamtleistung weiter zu verbessern und besser auf die Bedürfnisse unserer Konsumenten und Kunden einzugehen», wie ein Nestlé-Sprecher schreibt. Nestlé nutze KI und Datenwissenschaft auch, «um die eigenen Forschungs- und Entwicklungskapazitäten zu ergänzen und Nachhaltigkeitsziele wie den Übergang zu einem regenerativen Ernährungssystem zu erreichen.»
Auch Milchverarbeiter Emmi befasst sich mit ChatGPT, denkbar sei ein Nutzen bei Übersetzungen, bei Recherchen für Projekte oder zur Inspiration bei Textarbeiten, sagt Emmi-Sprecherin Simone Burgener. Man prüfe laufend die Umsetzbarkeit von Ideen und verfolge diese weiter.
Die Migros-Industrie verwendet KI bisher für «Predictive Production», für die Überwachung des Dampfverbrauchs oder für die Bilderkennung in der Fleischklassifizierung, wie Migros-Sprecher Patrick Stöpper sagt. Auch beim «Document Understanding», etwa für das Auslesen von Dokumenten wie Auftragsbestätigungen setze man KI ein. Für ChatGPT werde derzeit geprüft, ob wie man das Programm sinnvoll einsetzen können und welche Risiken dabei bestünden. «Wir sind nahe an den Themen dran, um das Potenziel früh erkennen und allenfalls nutzen zu können», sagt Stöpper. Man arbeite auch an den Regeln für den Umgang mit ChatGPT.
Getränkehersteller Rivella ist daran, die Chancen und Risiken von KI sorgfältig zu prüfen, wie Rivella-Sprecherin Monika Christener sagt. «Wir wollen die Vorteile der technologischen Entwicklung zu unserem Vorteil nutzen, dabei thematisieren wir auch den Einsatz von ChatGPT.» Man sehe Möglichkeiten für den Einsatz von KI in der Absatzplanung, beim digitalen Marketing und bei der Optimierung von Prozessen, aber auch generell bei der Informationsbeschaffung.
Vereinfachungen beim Service, Hilfe beim Produktdesign
Mit ChatGPT befassen sich auch die Anlagenbauer und Automationsfirmen. Bei Siemens etwa sieht man drei grosse Anwendungspotenziale, wie Firmensprecher Marc Estermann sagt: Beim Service, der durch die Verwendung natürlicher Sprache vereinfacht werden kann. Bei firmeninternen Prozessen, die durch die automatische Erstellung oder Zusammenfassung von Berichten, Meetings oder Dokumentationen verbessert werden können. Oder bei der Optimierung des Product Designs: «Mithilfe von Foundation Models (Neuronale Netzwerke, die Redaktion) können Konstruktionen auf ihre physikalischen Eigenschaften hin optimiert werden.»
Tetra Pak setze sich intensiv mit dem Thema Künstliche Intelligenz auseinander, sagt Adrian Schmid vom Lebensmittel- und Getränketechnikanbieter gegenüber foodaktuell. Benutzt wird KI etwa bei der Lieferkettenoptimierung, Preisgestaltung, Bewertung von Verkaufschancen, Problemlösung, Absicherung, Material- und Designzuweisung. Aber auch für die Qualitätsoptimierung sowohl für Verpackungen als auch für flüssige Lebensmittel und für die Optimierung des Verpackungsdesigns. Mit der neuen Strategie «Accelerating Strategic Program» will Tetra Pak die Entwicklung neuer KIs intensivieren. Bei der Problemlösung habe man bereits mit NLP (Neuro-Linguistisches Programmieren) gute Ergebnisse erzielt. «ChatGPT4 ist jetzt die Gelegenheit, die Sache weiter zu erkunden», sagt Alberto Barroso, Director Decision Science bei Tetra Pak Lund Schweden.
ChatGPT ist aber auch für Dienstleister wie Agilery interessant. Das Unternehmen hilft Start-ups und etablierten Herstellern bei der raschen Produktrealisierung. «Wir testen stetig neue Ansätze, um die Lebensmittel-Wertschöpfungskette zu verbessern. KI ist da eine grosse Chance», sagt Marcin Niedzielski von Agilery. «Neue Kompositionen von Inhaltsstoffen zur Rezepturverfeinerung und das Auffinden von alternativen Ansätzen zur Erreichung von bestimmten Funktionalitäten in Lebensmitteln und Getränken sind Themen, mit denen wir experimentieren. Die konkrete Umsetzung der von KI vorgeschlagenen Ansätze muss bei der Produktentwicklung selbstverständlich selbst vorgenommen werden. Das dabei nötige Prozess-Know-how lässt sich nicht ersetzen.»
Die Vision: Sprachsteuerung für den Schoggiprozess
Tilo Hühn, Leiter des Zentrums für Lebensmittelkomposition und -prozessdesign an der ZHAW, hat ChatGPT Ende 2022 schon ausgiebig getestet und dann Mitte Januar mit seinen Master-Studierenden thematisiert. ChatGPT habe in ein paar Monaten enorm dazugelernt, die Qualität der Antworten sei schon viel besser geworden, sagt er. Wichtig sei, dass man die Prompts, also die Eingaben für ChatGPT, präzise formuliere, damit das System «verstehe», welche Art von Antwort man erwarte. «Wer sich in einem Thema auskennt, kann viel damit herausholen.»
Hühn arbeitet auch mit dem Automatisierungsspezialisten Simon Sauter von der Firma Schmid Automation zusammen. Sauter hat die Prozessautomatisierung für den Schokoladenhersteller Oro de Cacao entwickelt. Diese soll mit Programmschnittstellen (API) erweitert werden, um «in einen Dialog mit den Prozessen treten zu können», wie Hühn sagt. Beispielsweise, um einen Schokoladenherstellungsprozess zu entwickeln, der auf einer bestimmten Rezeptur basiere, aber zum Beispiel zehn Prozent weniger Energie brauche. Da sei man erst ganz am Anfang, die Vision sei eine «selbststeuernde Anlage, die aufgrund von Konsumentendaten eine eigene Rezept- und Prozessentwicklung macht», wie Hühn sagt.
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Bisherige Anwendungen von Künstlicher Intelligenz
- Sortierung von Produkten, Qualitätskontrolle: Die Sortierung von Produkten nach verschiedenen optischen Kriterien kann mit Bilderkennenung auf der Basis von Künstlicher Intelligenz automatisiert werden. Beispiele: Sortiersysteme von Bühler, Tomra Sorting.
- Effizientere Prozesse: Die Analyse von Echtzeitdaten aus der Produktion erlaubt es, auf Basis von Künstlicher Intelligenz Prozesse so zu optimieren, dass Rohstoffe oder Ressourcen wie Energie oder Wasser gespart werden können.
- Wartung: Die Analyse von Echtzeitdaten aus der Produktion erlaubt es vorauszusagen, wann und wie Maschinen gewartet, Teile ersetzt und Produktionsausfälle minimiert werden können. Beispiele: Siemens Predicitve Services, SAP Orianda, Syntegon MIRA.
- Marktforschung: Mit Verkaufs- und Kundendaten können auf Basis von Künstlicher Intelligenz Konsumtrends rasch erkannt und für eine optimale Lancierung von neuen Produkten genutzt werden. Beispiele: Tastewise, Gastrograph.
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Sicherheit
Im Zusammenhang mit ChatGPT ist Sicherheit ein wichtiges Thema. Wer allzu unbedarft mit ChatGPT plaudert, riskiert, Geschäftsgeheimnisse preiszugeben oder Datenschutzregeln zu brechen. Bei TetraPak etwa gibt es klare Regeln. ChatGPT-Dienste dürfen nicht mit Tetra-Pak-spezifischen Daten – das umfasst auch Kundendaten – genutzt werden. Ferner hat TetraPak eigene Sicherheitsteams und schult die Mitarbeitenden über die Risiken und Chancen der neuen Technologie in gesicherten Umgebungen auf eigenen Servern.
Siemens verbietet es den Mitarbeitenden, vertrauliche oder interne Daten bei ChatGPT einzugeben. Das Unternehmen hat einen internen ChatGPT «Playground», auf dem mit vertraulichen Daten getestet werden kann.
Nestlé schreibt zum Thema: «Wie bei der Einführung jeder neuen Technologie behalten wir die Sicherheit und den Datenschutz stets im Auge.» Bei Emmi heisst es, man werde in nächster Zeit will Regeln für den Umgang mit ChatGPT kommunizieren.

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