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Diese Bäckerei macht Bioethanol aus alten Backwaren

In Friedrichshafen wurde die erste Brotbrennerei Deutschlands eröffnet: In «Webers Backstube» werden Altbackwaren zu Bioethanonol destilliert. Das Pilotprojekt will in der Backbranche möglichst viele Nachahmer finden.

Backwaren zählen zu den am häufigsten weggeworfenen Lebensmitteln. Allein in Deutschland fallen bei den rund 11'000 überwiegend kleinen und mittelständischen Bäckereien jährlich geschätzte 600'000 Tonnen Backwaren als Retouren und Reste an. Diese landen im besten Fall im Schweinetrog, schlimmstenfalls werden sie kostenpflichtig verbrannt. Ein Pilotprojekt der «Backstube Weber» in Friedrichshafen zusammen mit der Universität Hohenheim in Stuttgart zeigt: In den alten Backwaren steckt Potenzial für die Produktion von Bioethanol. Geschätzte 162 Millionen Liter könnten in Zukunft jährlich aus den Altbackwaren in Deutschland entstehen, schreibt die Universität in einer Mitteilung.
Altbackwaren werden häufig als Abfall verbrannt
Initiator des Projektes «Die Brotbrennerei» ist Hannes Weber, Geschäftsführer von «Webers Backstube» und bekannt als Fernsehbäcker aus dem SWR-Fernsehen. Bei ihm fallen täglich 100 bis 300 Kilogramm Altbackwaren an, wie er foodaktuell sagte. Viele Bäckereien versuchen, diese Altbackwaren als Tierfutter oder in Biogasanlagen zu verwerten. Doch das ist gar nicht so einfach. «Retouren stellen kein einheitliches Ausgangsmaterial dar. Das verträgt sich beispielsweise nicht mit den strengen Fütterungsplänen in der Schweinemast», erklärt Weber. «Daher sind diese Recyclingmethoden mit aufwendiger Sortierung von Hand, langen Transportwegen und somit zusätzlichen Kosten verbunden.»
Viele Bäckereibetriebe müssen ihre Altbackwaren deshalb als Abfall entsorgen, der in der Regel verbrannt wird. Allein in Webers Backstube fallen so jährlich rund 15'000 Euro Entsorgungskosten an. Seine Idee: Warum nicht aus dem Abfall Bioethanol machen? Mit Hilfe der Universität Hohenheim und staatlicher Förderung hat er am 23. Februar in seinem Betrieb in Friedrichshafen die erste Brotbrennerei Deutschlands eröffnet.
Ziel ist eine erneuerbare Kraftstoffquelle zu schaffen. Bislang wird Bioethanol in erster Linie aus landwirtschaftlichen Nutzpflanzen wie Mais, Weizen und Zuckerrohr hergestellt - die man auch als Nahrungsmittel nutzen könnte. Diese Problematik fällt bei der Produktion von Bioethanol aus Altbackwaren weg.
Der lange Weg vom Brot zum Alkohol
Für die Produktion von Bioethanol braucht es einen alkoholhaltigen Ansatz. Für diese sogenannte Maische wird Getreide mit Wasser, Hefe und Enzymen versetzt und drei Tage lang vergärt. Infrage kommen dabei nur hygienisch einwandfreie Altbackwaren, wie Weber betont. «Brot enthält erhebliche Mengen an Stärke. Sie wird von speziellen Enzymen leicht in Zuckermoleküle zerlegt, die die Hefe dann in Alkohol umwandelt», erklärt Daniel Einfalt von der Forschungs- und Lehrbrennerei der Universität Hohenheim den Prozess. Doch ganz so einfach gestaltete sich der Prozess nicht. Als die Forschenden untersuchten, wie gut sich typische deutsche Backwarenreste vergären lassen, erlebten sie eine Überraschung: Ausgerechnet das Brot mit dem höchsten Stärkeanteil, das Weissbrot, blieb bei der Alkoholproduktion deutlich unter den anderen Ausgangsprodukten wie Brötchen, Laugengebäck, Roggenbrot oder Sahne-Cremetorten.
«Wir führen das auf den geringen Proteingehalt des Weissbrotes zurück», so Einfalt. «Denn die Eiweiss-Bausteine sind unerlässlich für die Aktivität der Hefe.» Abhilfe bringt der Zusatz von Gärsalzen, die die Hefe vor allem mit Stickstoff und Phosphat versorgen: Dadurch wird die Gärzeit verkürzt beziehungsweise der Ethanolertrag erhöht.
Trotzdem befindet sich in dem Destillationsrückstand, der Schlempe, immer noch viel Protein. «Langfristig möchten wir sie als Tierfutter nutzen, aber da müssen wir noch ein paar Hürden überwinden», so Hannes Weber. «Aktuell wird sie in Biogasanlagen zur Energieerzeugung genutzt. Ihr Rückstand kommt wiederum als Dünger aufs Feld.»
Optimierung des gesamten Verfahrens
Um die Ideen in die Praxis umzusetzen, kam ein weiterer Projektpartner ins Spiel: Das Technologie-Transfer-Zentrum Bremerhaven erarbeitete ein eigenes Energie-Konzept. So wird die Wärme für den Prozess primär über Strom aus der Photovoltaikanlage auf dem Dach der Bäckerei bereitgestellt. Innerhalb des Prozesses wird möglichst viel Wärme zurückgewonnen, so zum Beispiel aus der Schlempe oder aus dem Kühlwasser der Brennerei. Die Firma Müller Brennereianlagen lieferte die Apparate- und Brennereitechnik. Der Maische-Behälter fasst 2000 Liter. Die Investitionen für die Brennanlage beliefen sich auf gegen 200'000 Euro.
Kostendeckender Betrieb
Mit der Brotbrennerei verwertet Hannes Weber seine alten Backwaren komplett. «Wir schmeissen nichts mehr weg.» Ganz ausgelastet ist die Anlage damit nicht. Aktuell brennt die Brotbrennerei zweimal wöchentlich je rund 750 Kilogramm Backwaren, daraus entstehen je 250 Liter Bioethanol. Damit decke man die Kosten, sagt Weber, auch wenn die Marktpreise für Bioethanol derzeit mit rund einem Euro pro Liter niedrig seien. Höhere Erlöse könnte die Destillation von Altbackwaren erbringen, wenn daraus aromatische Spirituosen für den menschlichen Genuss entstehen. Das scheitere im Augenblick aber noch am EU-Recht, erläutert Daniel Einfalt. «Darin ist die Destillation von Brot und anderen Backwaren nicht vorgesehen. Aber das Gesetzgebungsverfahren läuft bereits.»
Noch ist die Brotbrennerei in Friedrichshafen ein Pilotprojekt. «Wir wollen möglichst viel Bäckereien motivieren, uns nachzuahmen», sagte Weber gegenüber foodaktuell. Dazu erarbeiten die Projektbeteiligten Handlungsempfehlungen, die sie als Beratungs- und Entwicklungsleistungen für künftige Betreiber solcher Produktionsanlagen anbieten wollen. Hannes Weber schätzt, dass sich solche Anlagen für mittlere Betriebe mit rund fünf Millionen Euro Umsatz im Jahr rentieren. Denkbar wäre auch, dass sich mehrere Bäckereien zusammentun, um gemeinsam eine Anlage zu betreiben.

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