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Bezahlen Getreidebauern zu viel?

Der Verein Faire Märkte Schweiz vermutet, dass grosse Exporteure von verarbeitetem Schweizer Mehl zu Unrecht profitieren - von überhöhten Beiträgen, die von den Getreidebauern finanziert werden.

Grosse Mühlen wie Swissmill profitierten über Gebühr von Produzentenbeiträgen, lautet der Vorwurf von Faire Märkte Schweiz.

Vom neuen privaten Rohstoffausgleich (s. Box) beim Getreide profitieren Backwaren- und Teighersteller sowie grosse Mühlen, Getreideproduzenten werden benachteiligt: So lautet auf eine Kurzformel gebracht der neueste Vorwurf des Vereins Faire Märkte Schweiz (FMS) an die Getreidebranche. Im Jahr 2022/23 seien insgesamt 12,4 Millionen Franken für Exportstützung ausgegeben worden, schreibt FMS in einer aktuellen Studie. Davon hätten die Getreideproduzenten 11 Millionen bezahlt. Die Rechnung ist korrekt: Nach dem Verteilschlüssel, auf den sich die Branche schon vor Jahren geeinigt hat und der in der Branche unbestritten ist, übernehmen die Getreideproduzenten 87,5 Prozent der Preisdifferenz, die Mühlen übernehmen 10 Prozent, die Exporteure 2,5 Prozent. Was ist also das Problem?
FMS: Es fliessen zu hohe Ausfuhrbeiträge
FMS lägen klare Hinweise vor, dass die von den Mühlen dem Bundesamt für Landwirtschaft gemeldeten Mehlpreise mutmasslich überhöht seien, sagt FMS-Präsident Stefan Flückiger. Das heisse etwa, dass grosse Mühlen wie die Coop-Tochter Swissmill oder die Groupe Minoteries, welche die Migros beliefert, würden dem Bund höhere Mehlpreise melden, als sie grossen Industriekunden wie etwa Nestlé tatsächlich offerierten. Diese für die Berechnung der Ausfuhrbeiträge verwendeten Preise betrugen im Dezember 2023 durchschnittlich 103 Franken pro 100 Kilogramm (Dezitonne, dt). Am Markt seien die Preise aber bis zu 15 Franken tiefer für Industriekunden, über welche die grossen Volumen liefen. Das zeigten Offerte der Grossmühlen, die Faire Märkte zugespielt worden seien.
Durch die gemeldeten Mehlpreise entsteht gemäss FMS für den Rohstoffausgleich eine höhere Rohstoffpreisdifferenz, als sie tatsächlich am Markt besteht. Das Resultat: Es fliessen Ausfuhrbeiträge, die höher sind als notwendig – Geld, dass die Produzenten zu viel bezahlen und das gemäss Faire Märkte Schweiz den Grossmühlen und Exporteuren zugutekommt. Kleine Mühlen haben laut FMS das Nachsehen, sie können preislich nicht mithalten und verlieren Volumen.
Faire Märkte rechnet vor, dass die Produzenten im letzten Jahr rund 3,5 Millionen Franken hätten einsparen könnten. Statt rund 50 Franken pro Dezitonne (87,5% des Preisunterschieds von knapp 58 Franken) hätten die Produzenten nur rund 40 Franken bezahlen müssen, wenn die Ausfuhrbeiträge mit effektiven Mehlpreisen berechnet worden wären, schreibt FMS. 10 eingesparte Franken mal 35'000 Tonnen Mehl ergibt 3,5 Mio. Franken.
Getreidebauern sehen es anders
Faire Märkte Schweiz liefert also Schützenhilfe für die Getreidebauern – das muss diese freuen, würde man annehmen. Dem ist aber nicht so. «Faire Märkte Schweiz macht gute Überlegungen», sagt Rahel Emmenegger, stellvertretende Geschäftsführerin beim Schweizerischen Getreideproduzentenverband (SGPV). «Wir kommen aber zu anderen Schlüssen.» Für die Getreideproduzenten sei das System mit den Getreidebeiträgen vom Bund und den Ausfuhrbeihilfen insgesamt sinnvoll. Zwar wäre es stossend, wenn Mühlen tatsächlich tiefere Preise offerierten, als sie meldeten, aber dafür habe man bisher keine Beweise gesehen. Ferner sei fraglich, was der Anreiz für die Mühlen sein sollte, höhere Preise zu melden. «Sie müssten dann ja selber auch höhere Beiträge bezahlen, die Mühlen tragen zehn Prozent der Preisdifferenz», sagt Emmenegger.
Flückiger sagt, die Frage nach dem Anreiz der Grossmühlen, höhere Preise zu melden, habe er den kleinen Mühlen und deren Anwaltskanzleien, die sich bei Faire Märkte Schweiz gemeldet hätten, auch gestellt. Offenbar sei der Druck, bestehende Kapazitäten auszulasten, sehr gross, dafür nähmen die grossen Mühlen tiefere Marktpreise und höhere Beiträge in Kauf.
Lorenz Hirt, Geschäftsführer des Dachverbandes Schweizerischer Müller (DSM), sagt, der Vorwurf von FMS, dass manche Mühlen beim Bund falsche Preise melden würden, sei ein gravierender, der sogar strafrechtlich relevant sein könnte. Jedenfalls habe er selbst dafür keine Anzeichen. Hirt bestätigt, dass im Mehlmarkt derzeit ein harter Preiskampf herrscht. Das sei nicht zuletzt eine Folge davon, dass die Motion Knecht Ende 2023 abgelehnt worden sei (s. auch: Müller wehren sich für die Stärke). Die Tatsache, dass nicht klar sei, wie es mit der Stärkeproduktion bei der Firma Blattmann weitergehe und dass Nestlé Mitte Jahr in Wangen deutlich weniger Mehl verarbeiten werde, führe bereits jetzt zu einem Kampf um die vorhandenen Volumen. Damit werde künftig auch etwa ein Viertel der ausgeführten Mehlmengen wegfallen. Es sei auch klar, dass für grössere Kunden tiefere Preise geboten würden, das habe mit dem Rohstoffausgleich nichts zu tun, sondern sei ein normales Marktverhalten. Trotzdem seien auf der Liste der für Ausfuhrbeiträge zugelassenen Mühlen neben den zwei grossen und mehreren mittleren vor allem auch viele kleinere Betriebe.
Das reicht Stefan Flückiger von Faire Märkte Schweiz nicht. «Wir möchten endlich Transparenz in diesem Markt», sagt er. Man müsse wissen, welche Unternehmen welche Beiträge erhielten und ob es mit rechten Dingen zugehe. Deshalb will er bei der Wettbewerbskommission Klage einreichen.
Ausfuhrbeiträge abschaffen
Faire Märkte Schweiz hat auch die Gesamtwirkung der Ausfuhrbeihilfen und der Wirkung der Deklassierung von Brotgetreide bei Übermengen untersucht. Und kommt zum Schluss, dass es klüger wäre, die Ausfuhrbeihilfen ganz abzuschaffen und zum Ausgleich von zu grossen oder zu kleinen Ernten nur auf Deklassierung und aktiven Veredelungsverkehr, also die Verarbeitung von EU-Mehl in der Schweiz für Exportprodukt, zu setzen. «Die Ausfuhrbeiträge sind ja doppelt so hoch wie die Deklassierungskosten», sagt Flückiger. Die Kosten der Exportstützung betragen bis zu 13,5 Mio. Franken, die Kosten der Deklassierung bis zu 6,5 Mio. Franken. Die Getreideproduzenten könnten hier bis zu 7 Mio. Franken einsparen.
Auch mit dieser Rechnung ist man beim SGPV nicht einverstanden. «Die Getreidezulage des Bundes wäre wohl politisch nicht mehr haltbar, wenn man die Ausfuhrbeihilfen abschaffen würde», gibt Rahel Emmenegger zu Bedenken. Damit stünden die Getreidebauern dann wirklich schlechter da.

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