Lindt bleibt auf der Überholspur
Der Schokoladenkonzern Lindt wächst weiterhin schneller als der Markt. Besonders puschen will Konzernchef Ernst Tanner die eigenen Läden. Die Integration des US-Familienunternehmes Russel Stover läuft planmässig.
Bis zum Jahr 2020, zum 175-Jahr-Jubiläum, will sich Lindt als weltweiter Marktführer im Premium-Schokoladenbereich etablieren. Bis dann will sich auch Lindt-CEO Ernst Tanner, der heute 69 ist, auf das Amt des Verwaltungsratspräsidenten zurückziehen. Auf dem Weg zur Weltspitze steht Lindt der belgische Hersteller Godiva vor der Sonne, der vor allem in den USA und in Japan mit eigenen Läden den Premium-Markt dominiert. Lindt setzt bei der Aufholjagd ebenfalls auf eigene Läden, im letzten Jahr wurden weltweit 50 neue Lindt-Stores eröffnet, auch in diesem Jahr sollen es 20 bis 30 sein. Derzeit führt Lindt über 300 eigene Geschäfte. Der Schokoladenmarkt sei 2015 schwierig gewesen, sagte Tanner am 8. März vor den Medien in Kilchberg. Die Rohstoffpreise für Kakaobohnen, Kakaobutter, Haselnüsse und Mandeln seien hoch geblieben, man habe sie durch Preiserhöhungen teilweise auch weitergeben können. Im rückläufigen Schweizer Markt drückten Frankenstärke und ein heisser Sommer auf die Nachfrage. Lindt konnte aber die Mengen halten und so Marktanteile gewinnen. International waren es die Terrorangst und die Rezession in den Erdöl exportierenden Ländern, welche die Nachfrage dämpfte. Trotzdem wuchs Lindt auch weltweit stärker als der Markt. In Europa betrug das organische Wachstum im Schnitt 5,4 Prozent, im wichtigsten Markt Nordamerika 7,9 Prozent und im Bereich «Rest der Welt» 11,4 Prozent, mit zweistelligen Wachstumsraten in Australien, Japan und Russland. Vorsichtig bleibt Lindt in China, das Potenzial für Premium-Schokolade sei vorläufig limitiert, sagte Tanner.
Russel Stover schon fast verdaut
Im Rekordtempo vollzieht Lindt die Integration des US-Familienunternehmens Russel Stover. Dessen «boxed chocolates» komplementieren die Produkte der beiden bestehenden Marken Lindt und Ghirardelli und machen Lindt zur rasch wachsenden Nummer drei hinter Hershey und Mars. 2016 geht es für Lindt darum, die Marke zu positionieren, die Preise anzupassen und nicht profitable Geschäfte zu stoppen. Russel Stover kreierte bisher für Football- und Baseball-Teams eigene Pralinenschachteln, was zwar Umsatz, aber keinen Gewinn generierte. Ab 2017 wolle man mit Russel Stover dann «voll durchstarten», sagte Tanner. Heute hat Lindt in den USA sechs Fabriken, drei Verteilzentren und 6000 Mitarbeiter.
Im zweitwichtigsten englischen Markt konnte Lindt mit den Leadermarken Lindor und Excellence trotz stagnierendem Markt zweistellig wachsen. Dort steigt Lindt mit den Lindor Sticks in ein neues Marktsegment ein. Im preislich umkämpften deutschen Markt wuchs Lindt um 7 Prozent, dort wurden laut der deutschen «Lebensmittelzeitung» die Preise nicht so stark erhöht wie im Konzernschnitt mit 3,3 Prozent.
Harddiscounter sind tabu
In der Schweiz erzielt Lindt rund neun Prozent des Gesamtumsatzes. Aus Gründen der «Preishygiene», wie es Schweiz-Chef Kamillo Kitzmantel nannte, verzichte man weiterhin auf eine Belieferung der Harddiscounter Aldi und Lidl. Dort seien Aktionen von 30 bis 50 Prozent schon fast Tagesgeschäft, da mache man nicht mit. Wichtig seien im schwierigen Marktumfeld die Lindt-Shops an den touristischen Hot Spots wie beim Verkehrshaus oder auf dem Jungfraujoch.
Für das laufende Jahr rechnet man bei Lindt mit einem Wachstum von 6 bis 8 Prozent. Die Rohstoffe würden wohl teuer bleiben, sagte Tanner, der Schwerpunkt für Lindt bleibe die Stärkung der Marke in den Premium-Märkten. Diese entwickeln sich positiv im Unterschied zum Gesamtschokoladenmarkt. Erschwerend kommt in diesem Jahr dazu, dass der wichtige Valentinstag an einem Sonntag war und dass wegen der frühen Ostern weniger Zeit fürs Ostergeschäft bleibt.
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