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Lebensmitteltag: Legal getäuscht

«Täuschung» war das Motto am Lebensmitteltag in Luzern. Es wurde viel über Flunkereien in der Werbung diskutiert - und darüber, wie Lebensmittel und Wertschöpfungsketten kontrolliert werden.

Der oberste Kan-tonschemiker nahm es gleich vorweg. «Was der Konsument denkt, was drin ist, stimmt nicht». Diese provokative Aussage machte Otmar Deflorin, Präsident der Kantonschemiker, am Lebensmitteltag vom 21. April im Luzerner Schweizerhof. Und Deflorin zählte auf: Bei 14 Prozent der AOP-IGP-Produkten würden falsche Angaben gemacht. Oder die Toleranzgrenzen: Auf hundert Kilo Rindfleischroulade darf ein Kilo Schweine- oder Pferdefleisch drin sein. Auch bei Pestiziden gebe es die Null nicht. In biologischen Lebensmitteln könnten also 0,01 mg pro Kilo Pestizide drin sein, obwohl es nicht die Erwartung des Konsumenten sei, Chemikalien mit dem Salat zu essen. Tausend Liter Ligerzer Pinot Noir 2013 dürften 150 Liter Twanner Pinot Noir 2014 enthalten und übrigens dürfe Wein auch Schwefel, Kasein und Eieralbumin enthalten, so könnte das stilistische Bild der Weinetikette mit Ei, Zucker und Milch ergänzt werden. Gar nicht einheitlich geregelt sei die Deklaration von ESL-Milch. Der Konsument habe oft ganz falsche Vorstellungen über die Herstellung und die Zusammensetzung von Lebensmitteln oder über die Herkunft. So müssen unter dem Herkunftszeichen Suisse Garantie die damit bezeichneten Lebensmittel aus der Schweiz stammen. Diese könnten aber genauso gut von Liechtenstein oder aus der Freizone um Genf herum, in Frankreich stammen, sagte Deflorin. Der Kantonschemiker sei auch nicht für alles zuständig: «Sie müssen nicht die Erwartung haben, der Kantonschemiker entscheide Swissness-Fälle», so die vorsorgliche Mahnung von Deflorin. Auslobungen wie zum Beispiel «Vitamin C hilft gegen Skorbut» seien nicht erlaubt, obwohl klar ist, dass früher Seefahrer immer Zitronen gegen Skorbut mitnahmen. Das Gleiche gelte bei «Milch gibt starke Knochen». Dies, obwohl wissenschaftlich klar sei, dass Calcium für die Erhaltung gesunder Knochen benötigt werde. Solche und ähnliche Auslobungen könnten Bussen bis zu 40 000 Franken nach sich ziehen. Da sei die Sache logisch: «Täuschen Sie nicht. Halten Sie sich an das Gesetz. Da haben Sie ja genügend Spielraum», so der Deflorin'sche Ratschlag zum Schluss.

Konsument reagiert sensibel
Selbstverständlich sind auch immer die Medien zur Stelle, wenn es um Täuschungen oder Lebensmittelskandale geht. Oliver Fueter, der die Sendung Espresso auf Radio srf 1 moderiert, sagte in seinem Referat, dass oft das, was Konsumenten als Täuschung empfinden, juristisch legal sei. Obwohl es sehr selten sei, dass Konsumenten nach dem Konsum eines Lebensmittels im Spital landen würden, reagieren Konsumenten sensibel auf «empfundene» Täuschung. «Betrug bei Lebensmitteln ist schwer nachzuweisen», sagt Fueter. Es gehe oft einfach nur darum, dass die Nahrungsmittelindustrie bei Produkten entweder etwas unterlasse, verharmlose, übertreibe oder verführe. Fueter zeigte einen vergangenen Fall des «optisch aufgefrischten» Hüttenkäses von Nestlé. Dieser war ausgelobt mit «High Protein» und «nur» 4,2 Prozent Fettanteil, ganz wie der konventionelle Hüttenkäse. Nestlé hatte darauf verwiesen, dass es gesetzlich festgelegt sei, ab welchem Wert ein hoher Proteingehalt angepriesen werden dürfe. Die Auslobung war also juristisch korrekt. «Nestlé schöpfte einfach nur alle Möglichkeiten der Werbung aus», sagte Fueter. Dennoch frage er sich oft, ob sich die Firmen nicht vorher fragten, ob sich die Kunden nicht getäuscht vorkommen, denn eigentlich sollten die Firmen die legitimen Erwartungen der Kunden erfüllen. Manchmal dürfe man aber die Deklaration auch nicht zu wörtlich nehmen, sagte Fueter. So zum Beispiel die Angabe von Coca-Cola «Frei von Kalorien». Technisch sei es gar nicht möglich, Null zu erreichen. Die schweren Fälle würden oft nur durch «Whistle Blower» oder durch die Polizei aufgedeckt. So wurden zum Beispiel in einem Unternehmen in St. Gallen eine Tonne abgelaufene Konserven umdatiert, oder in einem anderen tiefgekühlte Meeresprodukte, die schon seit Jahren abgelaufen waren.
Der Bauch ist schneller als der Kopf
«Werbung ist ein Spiel mit der Illusion», sagte NZZ-Redaktorin Franziska Pfister. Dabei gehe die Werbung immer noch nach dem Grundsatz vor: Der Bauch ist schneller als der Kopf. Ob dies nun die bedächtig im Topf rührenden Chocolatiers von Lindt seien oder das Huhn, das seine Eier ins Migros-Regal legt. Den Bankanalysten werde hingegen eine möglichst hocheffiziente Wirklichkeit aufgezeigt. Wie eben die Maschine, die 1200 Schokoladekugeln pro Minute ausspuckt. Dennoch geht die Zahl der Beschwerden wegen unlauterer Werbung laut Pfister zurück. Ein Ventil seien hier die sozialen Kanäle wie Youtube, wo zum Beispiel eine Parodie auf einen Ferrero-TV-Spot vier Millionen Klicks erhielt. Pfister übte auch Kritik an den Konsumenten. Diese sollten die unbequemen Wahrheiten nicht einfach ausblenden. Schliesslich würden alle wissen, dass die Tiere nicht von der Weide in die Kühltruhe gesprungen seien. So habe kürzlich ein Manager einer Fischzucht gesagt, dass die Fische geerntet würden. Wenn sich der Konsument aber verschaukelt vorkomme, so kauft er nicht mehr, sagte Pfister und verwies auf das nunmehr zehn Jahre alte Beispiel der Frigor-Verpackung von Nestlés Cailler, welche die Schokolade um 40 Prozent teurer machte und weniger Inhalt bot. Im Kassensturz habe dann der zuständige Manager erklärt, die Kehrichtverbrennungsanlagen seien nicht ausgelastet. Nach der Sendung sei dann das Ende der neuen Schokoladeverpackung besiegelt gewesen, sagte Pfister.
Vertrauen in den Warenfluss
Der Konsument solle den Produkten vertrauen können, sagte Philipp Albrecht, Geschäftsführer von der zum deutschen Chemiunternehmen Worlée gehörende Varistor AG in Neuenhof. Er soll auch den Zertifikaten vertrauen können, die einen fairen Anbau und Verarbeitung gewähren, sagte Albrecht. Damit er diesen vertrauen könne, müsse er die Menschen, die die Rohstoffe anbauen, kennen. «Wer vertraut schon anonymen Rohstoffen?», sagte Albrecht. Das Unternehmen hat in der Türkei das Projekt «Happy Hazelnut» verwirklicht. Die Bauern erhalten für ihre Nüsse 20 Cents mehr pro Kilo. Damit hätten die Bauern überzeugt werden können, ihre Kinder in die Schule zu schicken. Denn die Arbeiter werden während der Haselnussernte pro Kopf bezahlt und so werde der Anreiz geschaffen, mit möglichst vielen Köpfen, auch der Kinder, auf den Plantagen zu arbeiten. Jetzt konnte Varistor über eine Stiftung Land kaufen, wo Unterkünfte für die Arbeiter und eine Schule gebaut werden konnten. Der Erfolg sei da und das Projekt könnte auf ein zweites oder ein drittes Dorf übertragen werden, sagte Albrecht. Jede weitere Expansion beinhalte jedoch einen Kontrollverlust, davon war Albrecht überzeugt. Selbstverständlich würden die Haselnüsse biolgisch angebaut. Ob die Produkte nach Fairtrade-Regeln hergestellt worden sind, das kann chemisch-analytisch nicht festgestellt werden. Ob sie biologisch produziert wurden, hingegen schon. Dafür zuständig ist Helmut Kandler vom Labor Zug, der die Problematiken der analytischen Prozesse erläuterte. Das Wichtigste sei, dass die genommenen Waren-proben auch repräsentativ seien. Dies sei enorm schwierig, wenn aus einer Wagenladung von 25 Tonnen Erdnüssen mit zahlreichen Teilproben eine Analyse gemacht werden müsse, so könne die Schwankungsbreite 1,1 Kilo betragen. 3000 Körner seien ein Kilo schwer. Wenn nun der Kontaminierungsgrad 1:10 000 betrage, sei dann aber nur jedes zehntausendste Korn kontaminiert. Gut möglich, dass ein Konsument also einige «schädliche» Körner aufnimmt. Dennoch seien die Probenahmen in den letzten Jahren stark verbessert worden, sagte Kandler. Und sowieso würden wir immer älter. hanspeter.schneider@rubmedia.ch

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