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Konzernverantwortungsinitiative: Grosse Diskussion um weit entfernte Initiative

Die Konzerninitiative soll die Töchter von Schweizer Unternehmen für Umweltschäden und Menschenrechtsverletzungen haftbar machen. Gut gemeint aber sie würde die Firmen einer Flut von Verfahren aussetzen.

Eigentlich hätte die 9. Konsumententagung der Migros ihren Namen nicht verdient. Wurde doch nicht über Konsumenten gesprochen, sondern vielmehr über Konzerne, nämlich darüber, wie diese ihre Töchter im Ausland in die Verantwortung nehmen sollen. Referent Rudolf Strahm, Ex-Nationalrat schickte gleich voran. «Die Globalisierung ist tot wenn sie nicht unter sozialen und ökologischen Leitplanken erfolgt», sagte Strahm im Lakeside an den Gestaden des Zürichsees. Eigentlich sei sie schon lange im Rückwärtsgang, wenigstens wenn man die Freihandelsorganisation WTO betrachte, die seit 1995 kein einziges Abkommen mehr durchgebracht habe. «Die Freihandelseuphorie ist schon lange verflogen», so Strahm. Dazu seien hauptsächlich zwei Gruppen verantwortlich: Diejenige der Fundamentaloppositionäre wie die Bauern mit José Bové oder Freihandelsgegnern wie Donald Trump und diejenige - die für ihn interessanten - der Altermondialisten, welche im Grunde genommen schon eine Globalisierung möchten, aber den Handel nach anderen Spielregeln gestalten wollen. «Die neuen Spielregeln der Globalisierung kommen nicht von den Regierungen, sondern von den NGO’s», so Strahm – «nehmen Sie diese ernst!» Ein neues Freihandelsabkommen habe ohne flankierende Leitplanken keine Chance. Denn die Konsumenten von heute - oder mindestens eine gebildete städtische Mittelschicht – wollten wissen,wie die Produkte hergestellt seien. Es könne nicht sein, dass von den Kosten einer Jeans nur gerade ein Prozent in die Herstellungskosten zu den Arbeitern fliessen würden, so Strahm. Aus diesen Gründen brauche es die Konzernverantwortungsinitiative meinte Strahm und ging hart ins Gericht: «Die Konzerne mit ihrem Hauptsitz in der Schweiz, erwirtschaften ihre Gewinne im Ausland, rekrutieren höchstens die Putzfrauen in der Schweiz und zahlen dazu noch fast keine Steuern. Globalisierung ist gut Die Antithese zu Strahms Voten gab Rudolf Minsch, Leiter Wirtschaftspolitik von Economiesuisse. Die «Globalisierung hat neue Jobs und mehr Wohlstand überall auf der Welt geschaffen», so Minsch’s Fazit. So habe zum Beispiel das BIP der Welt seit 1950 um das sechsfache zugenommen, die Exporte seien um das 187-fache gewachsen, die Transporte per Schiff um das zehnfache - wobei die Kosten dazu um 70 Prozent gesunken seien - und die Direktinvestitionen hätten um das 20-fache zugenommen. So investiere die Schweiz jährlich ungefähr 35 Milliarden ausserhalb der EU und der USA und schaffe ungefähr 1 Million neue Jobs, so Minsch. Die Schweiz gehöre zum Beispiel in Afrika zu den 10 grössten Investoren in Afrika. Und: Die Schweizer Unternehmen kämen nicht einfach in ein Drittweltland und würden die «Armen» ausbeuten, sagte Minsch. So seien gerade diese Investitionen durch die Konzernverantwortungsinitiative gefährdet. Denn wer gebe in unsicheren Staaten noch Geld aus, wenn mit der Initiative dann die Haftung übernommen werden müsse, so Minsch. Der Economie-Suisse-Wirtschafter erwähnte den Liftbauer Schinder, der schon 1980 mit einem Joint Venture in China tätig wurde. Zu dieser Zeit sei es unabsehbar gewesen, wohin sich China entwickle. Sicher sei, dass das Unternehmen mit einer Konzernverantwortungsinitiative nie dort tätig geworden sei und so auch nie mitgeholfen, das Land wirtschaftlich zu entwickeln. Die Garantie der Siegel Ein Schweizer Unternehmen das im Ausland investiert ist auch die Migros. Von dessen praktischer Umsetzung des Einkaufs, konnte Thomas Paroubek berichten. Der Leiter des Migros Beschaffungsbüros in Hongkong ist mit 5 Schweizer- und 76 lokalen chinesischstämmigen Mitarbeitern zuständig für das umfangreiche Warensortiment, das der Detailhändler in Fernost beschafft. Paroubek konnte mit zahlreichen Standards, die die soziale Verantwortung von Migros sicherstellen würden, aufwarten. Am Beispiel der im Glas abgefüllten «Maiskölbchen», zeichnete Paroubek ein Bild der gesamten, gut überwachten Lieferkette. Die Produkte würden unter global G.A.P. (gute Agrarpraxis)- Standards hergestellt und nach BSCI (Business Social Compliance Initiative)-Regeln bewertet. Darin enthalten sei zum Beispiel das Kinderarbeitsverbot oder die Bedingung, dass faire Löhne bezahlt würden. «Das BSCI-Logo prangt auf den Artikeln grösser als das Herstellerlogo», sagte Paroubek. Wenn nicht, dann würden an den grossen Messen, die Einkäufer vorbeigehen, wie der Migros-Mann die Wichtigkeit dieses Siegels veranschaulichte. Auch bei der Risikoanalyse, nach welcher die Migros bei der Akquisition von neuen Beschaffungsfabriken vorgeht, spielt das Siegel eine grosse Rolle. Zum Beispiel auch in den 408 Fabriken, wo die Migros ihre Waren bezieht. Die Lieferanten müssten einen Kodex unterschreiben um die sozialen und ökologischen Standard einzuhalten. Dabei gebe es immer wieder Handlungsbedarf für Fabriken, wie zum Beispiel momentan die 39 Fabriken mit einem «Corrective Action Plan». Dabei würden zum Beispiel auch Dinge der Arbeitssicherheit Fehler aufweisen, wie fehlende Feuerwehrschläuche oder Auffangwannen für Chemikalienbehälter, oder auch einfach inkonsistente Aufzeichnungen der Arbeitszeit der Mitarbeiter. Der Beschaffungsmarkt rücke vom Grundsatz ab: «Design first» und gehe hin zu nachhaltiger Produktion, so Paroubek. Dabei sei es eine Herausforderung, dass die von den Konsumenten verlangten Produkte in immer kürzerer Zeit, «Time to market» bereit seien. Dennoch gehe Migros im Thema Nachhaltigkeit einen Schritt weiter und könne dank seiner Strukturen direkt vor Ort Einfluss nehmen. Ins gleiche Horn stiess Rudolf Minsch und sagte: «Wenn Schweizer Unternehmen in Schwellenländern tätig sind, so steigen die dortigen Arbeitsstandards». Denn wenn Schweizer Firmen vor Ort soziale Standards setzen würden, dann seien die lokalen Unternehmen gefordert, so Minsch. Fruchtet Selbstverantwortung nicht? Ein Lob für die Migros gab es von Dominique Biedermann, dem Präsident von Ethos. Doch es sei auch der Wille der Konsumenten, denn der überaus grösste Teil dieser wolle, dass die Schweizer Unternehmen auch im Ausland Verantwortung übernehmen würden, so Biedermann. Dennoch habe der grösste Teil der Unternehmen noch keine Menschenrechts-Richtlinien eingeführt, so der Ethos-Präsident. Und die Erfahrung habe gezeigt, dass Selbstverantwortung nicht fruchte, nötig sei es Regeln einzuführen und die Unternehmen zivilrechtlich in die Pflicht zu nehmen. Wenn die Konzerne aber in einem Fall nachweisen könnten, dass die nötigen Sorgfaltspflichten alle wahrgenommen wurden, dann hätten diese auch nichts zu befürchten, so Biedermann, sonst solle es haftbar werden. Flut von Anklagen «Kein Land der Welt würde so weit gehen», sagte Felix R. Ehrat, oberster Jurist von Novartis. Die Konzernverantwortungsinitiative würde eine unglaubliche Flut von Anklagen auslösen. Dabei sei klar, dass ein Unternehmen in der Schweiz nie gewinnen könne, weil es gar nie an die Beweise im Land komme, wo die Anklage erhoben worden sei. Es handle sich hier um eine Beweislastumkehr, die die Unternehmen erbringen müssten, so Ehrat. Es könne nicht sein, dass ein Unternehmen für alle seine Zulieferer hafte. Denn irgend etwas könne immer gefunden werden. Ehrat warf den Initianten vor, Rechtsimperialismus zu betreiben. Nur das was wir in der Schweiz als Recht empfinden würden, solle auch für die anderen Länder gelten und nur wir in der Schweiz wüssten um was es gehe und alle die versuchen an Geld zu kommen, könnten sich an die Schweiz wenden. Sowieso, der Name Konzerninitiative sei irreführend. Es gehe nicht nur um Konzerne, sondern um jedes Unternehmen, das in irgend einer Form mit dem Ausland Geschäfte betreibt. Also auch der Schreiner, der zum Beispiel Tropenholz einsetzen würde, sagte Ehrat. Gerade die kleineren KMU’s würden unter der neuen Rechtssprechung leiden, denn die grossen Konzerne seien nach einer Direktive schon verpflichtet, ihren Umgang mit den Menschenrechten offenzulegen. So müssten die KMU ähnliche Standards einführen. Ethos-Präsident Biedermann: «Die Lieferanten werden sich schnell verändern» und verwies auf den grossen Brand einer Textilfabrik in Bangladesh, wo zahlreiche Opfer zu beklagen waren, aber im Nachhinein grosse Veränderungen in den Verhaltensweisen der Fabriken auslöste. Und Strahm sagte, dass die Konzerne, wie Novartis und Nestlé sehr publikumsnahe Unternehmen seien und somit verletzlich auf umweltzerstörerische oder menschenrechtswidrige Aktivitäten ihrer Töchter im Ausland. Dies würde eine Wende geben, war Strahm überzeugt. hanspeter.schneider@rubmedia.ch

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