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Die «Mutigen» im Schlossgut

Die Welten der Bauern und von Avenir Suisse prallten am Podium Berner Landwirtschaft 2108 wieder einmal zusammen.

Martin Keller, CEO Fenaco, Urs Kessler, CEO Jungfraubahnen, Reto Sopranetti, Migros Aare, Peter Grünenfelder, Chef von Avenir Suisse. (Bild: Jonas Ingolf, Lid)

«Ich bewundere den Mut, den die Bauern haben, mich einzuladen», sagte Peter Grünenfelder gleich zu Beginn des Podiums des Berner Bauernverbandes im Münsinger Schlossgut. Aber auch die Bauern zollten dem Vertreter des Think-Tanks von Avenir-Suisse Respekt. So bewunderte Hans Jörg Rüegsegger, Präsident des Verbandes, den Mut, den Grünenfelder bewiesen habe, in die Höhle des Löwen, zu den ungefähr 200 Bauern im Schlossgut zu reisen. Diesen versicherte Rüegsegger in seiner Einführungsrede, dass es dem einen oder anderen schon unter den Fingernägeln brennen und um das Herz herum weh machen könne, wenn er die Voten von Grünenfelder höre. Schliesslich sei Grünenfelder ja nicht gerade als zimperlich bekannt, wenn es darum gehe den Bauernstand zu kritisieren. Es gelte jedoch für die Bauern, den Tatsachen ins Auge zu sehen. Doch es gehe nicht darum das Spiel - Landwirtschaft mit zwei Prozent Bevölkerungsanteil gegen 98 Prozent - zu spielen, sagte Rüegsegger. Der Moderator, Roland Wyss, von alimenta, anerkannte, dass der Mut auch in der aufgeheizten agrarpolitischen Stimmung auf allen Seiten da sei, schliesslich stehe das Podium ja auch unter dem Motto «Mehr Mut zum Markt». Und dann kam der Auftritt des Avenir Suisse-Chefs, Peter Grünenfelder. Wie die anwesenden Bauern nicht anders vorsehen konnten, wartete er auch nicht lange, um seine Zahlen zu präsentieren, dass die Schweizer Landwirtschaft ineffizient sei. Diese stelle weniger als drei Prozent der Bevölkerung und erwirtschafte nur gerade 0,7 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP). Dazu würden trotz der enormen Summe von 4,4 Milliarden Franken, die jährlich der Landwirtschaft zufliessen würde, verursacht durch Direktzahlungen und Marktabschottung, dennoch täglich drei Betriebe schliessen.

«Wir haben einen grösseren Strukturwandel als in Österreich»,
sagte Grünenfelder. Sowieso, die Österreicher hätten mit ihrem Beitritt in die EU und den Binnenmarkt alles besser gemacht. Dort habe auch ein Bauernsterben stattgefunden, doch letztendlich habe die Öffnung der österreichischen Landwirtschaft dieser weniger geschadet als in der abgeschotteten Schweiz. Wir in der Schweiz würden die Landwirtschaft mystifizieren, obwohl nicht einmal während der Anbauschlacht im zweiten Weltkrieg Selbstversorgung geherrscht habe, sagte Grünenfelder. Es bestehe sofortiger Handlungsbedarf, auch im Hinblick auf den Regulierungsdschungel der Landwirtschaft.
«Jeder Bauer sollte heute einen juristisch geschulten Knecht haben»
sagte Grünenfelder. Die Regulierungen in der Landwirtschaft sollten schnellstmöglich abgeschafft werden. Es brauche eine «smarte Rückbaustrategie», so Grünenfelder. Diesbezüglich erhalte er viele Zuschriften von Bauern, die sich im Regulierungskorsett beengt fühlen würden. Die Richtlinien müssten an diejenigen der EU angeglichen werden, sagte Grünenfelder. Die Reformblockade müsse überwunden werden. Er wolle am Schluss einen stolzen Bauernstand, auch wenn die Öffnung der Wirtschaft realisiert sei. Diese Öffnung müsse unbedingt kommen. Wenn die EU mit Südamerika den Freihandelsvertrag Mercosur abschliesse, dann sei es um die exportorientierte Schweizer Wirtschaft geschehen. Der Druck auf das Landwirtschaftsbudget, aber auch auf das Bildungsbudget und die AHV würden immens, drohte Grünenfelder. Er als Vertreter der «übrigen» Wirtschaft, verwies stolz auf den Reigen der namhaften Firmen hin, wo ständig junge innovative Neue dazukämen - Diese liessen sich nicht mehr von der Landwirtschaft in Sippenhaft nehmen. Doch nicht nur die Landwirtschaft sei zu stark staatsabhängig. Profitieren von der Abschottung würden auch gewisse Unternehmen. So das Duopol von Migros und Coop.
«Den Fall Denner hätte die Weko nie zulassen dürfen»
so Grünenfelder. Auch die Fenaco bekam ihr Fett ab. Diese gehöre zum «Interessenkartell» und profitiere stark vom unfreien Handel in der Schweiz. Dieser Händler und die Detailhändler würden hohe Margen abschöpfen. Diesen Vorwurf liessen Podiumsteilnehmer Martin Keller, CEO von Fenaco und Reto Sopranetui, Leiter Direktionsbereich Supermarkt der Migros Aare nicht auf sich sitzen. Der Detailhandelsmann verwies auf den Eintritt der deutschen Discounter, die dafür gesorgt hätten, dass es kein Duopol gebe. Auch mit Denner würde ein Konkurrenzsituation bestehen, trotz erfolgter Fusion. Aber die spezielle Situation, wie sie sich in der Schweizer Detailhandelslandschaft darstelle, habe sich halt geschichtlich ergeben, sagte Sopranetti. Die Bruttomarge sei überall anders und nicht einfach querbeet zu vergleichen.
«Der Vorwurf der hohen Bruttomarge von Migros ist nicht mal wie ein Vergleich mit Äpfeln und Birnen»
sagte Sopranetti, sondern eher einer mit Kirschen und Laubbesen», so der Migros-Mann. Martin Keller widersprach der These, wonach die Fenaco-Betriebe gute Gewinne machten, während die Bauern auf keinen grünen Zweig kommen würden. Es gebe auch landwirtschaftliche Betriebe, die ganz gut verdienen würden, so Keller. Die Fenaco ihrerseits, habe in den letzten Jahren umfangreiche Kostensenkungsmassnahmen betrieben - Standorte geschlossen, zusammengeführt und automatisiert - und Personal abgebaut.
«Wir unterstützen die Landwirte in ihrer wirtschaftlichen Leistung und nicht bei der politischen»
sagte Keller. «Unsere Zahlen sind absolut bescheiden und bodenständig», so Keller weiter. der EBIT-Gewinn von 123 Millionen Franken stehe gut da im Verhältnis zu einem Umsatz von 6 Milliarden Franken. Wer bei Avenir Suisse würde sich mit unseren Ertragszahlen zufrieden geben - zum Beispiel mit fünf Prozent Eigenkapitalverzinsung, sagte Keller. Würden die CEO's der Avenir-Suisse-Mitgliedsfirmen solche Bruttomargen wie Fenaco erwirtschaften, wären sie nicht mehr lange CEO, sagte Keller. Und: Wenn die Bauern nicht mit der Fenaco zufrieden wären, würden sie es sagen, schliesslich bestehe der Verwaltungsrat aus Bauern. «Dies ist unser Überwachungsgremium», so Keller und es sorge dafür, dass Fenaco im Sinne der Bauern arbeite. Peter Grünenfelder zeigte sich indes stolz auf die Mitgliedsliste von Avenir Suisse. «Wir haben die Crème de la crème der Wirtschaft - nicht nur die Grossen», sagte er. So sei Avenir Suisse die marktwirtschaftlich liberale Stimme. Urs Kessler, CEO der Jungfraubahnen betonte, dass alle im gleichen Boot sitzen würden. Der Tourismus habe viele Berührungspunkte mit der Landwirtschaft.
«Auch die Landwirte können ihre Betriebe, wie wir unsere Bahnen nicht zügeln»
sagte Kessler. Bei den Jungfraubahnen würden gegen hundert Landwirte arbeiten und das Unternehmen zahle jährlich eine Million Franken an die Bergschaften für «Überfahrrechte». Da sei manche Alphütte daraus entstanden, so Kessler. Sicher sei aber, dass weder der Schweizer Tourismus noch die Landwirtschaft die Preisführerschaft übernehmen könne. Der Tourismus sei ein wichtiger Pfeiler für die Landwirtschaft. Zum Beispiel würden die Jungfraubahnen ihre Lebensmittel aus der Region beziehen, zum Beispiel von der Eigermilch AG, Grindelwald oder regionalen Metzgereien.
«Wir alle sind auf einem höheren Kostenniveau»,
sagte Martin Keller. Darüber dürfe man sich nicht täuschen lassen. Schon jetzt würden tiefe Zölle bei landwirtschaftlichen Hilfsstoffen wie Saatgut oder Futtermitteln bestehen. Es mache überhaupt keinen Sinn, wenn man sich in der Wertschöpfungksette gegenseitig Vorwürfe mache, so Keller. Der Fenaco-CEO zeigte auch positive Beispiele von Schweizer Lebensmitteln auf, die sich gegenüber Importen klar abgegrenzt hätten, wie zum Beispiel Schweizer Freilandeier. Im Laden koste das Freilandei ungefähr 42 Rappen, gegenüber dem importierten Ei mit einem tiefen Zollzuschlag von 3 Rappen und einem Ladenpreis von ungefähr 20 Rappen, viel teurer. Das Bioei koste sogar ungefähr 80 Rappen. Der Marktanteil für Schweizer Eier habe auf 60 Rappen gesteigert werden können, so Keller. Mit Eier könne man sich auch differenzieren, zum Beispiel mit sogenannten «Fan-Eiern», wie dem «YB-Ei». Gepunktet hat Fenaco-Keller auch mit dem Beispiel Seeland-Gemüse. Dort habe Fenaco zusammen mit Produzenten die Erzeugergemeinschaft (GES) gegründet. Jeder Produzent könne sich an den Richtpreisen orientieren - es herrsche absolute Transparenz - auch Migros wisse zu jedem Zeitpunkt, was der Bauer erhalte, so Keller. «Wir sind stolz dass uns die Migros das Vertrauen geschenkt hat», sagte Keller. Auch der Migros-Vertreter Sopranetti konnte auf Erfolgsprodukte hinweisen. Der Migros-Betrieb Micarna gewinne jedes Mal an der Anuga einen Innovationspreis. Dennoch seien die Exportzahlen nicht explodiert, so Sopranetti. Es müsse gelingen die Mehrwerte, die für ein Produkt erbracht werden, den Konsumenten näherzubringen. Doch wenn die Bauern mit ihrer Vollkostenrechnung kommen würden, dann sei dies kein Markt, sagte Sopranetti. Er werde sich auch nicht zur fairen Milch von Mitbewerber Aldi äussern. Die Migros-Molkerei Elsa würde nun eine Milch einführen, die nach BTS-Regeln produziert würde und dafür einen Rappen mehr bezahlen. Wenn von  Fairness geredet werde, müsse auch über Ökobilanzen geredet werden, sagte Grünenfelder. Lammfleisch aus Neuseeland weise zum Beispiel eine viel bessere aus als Schweizer Lammfleisch. Ja, aber die Lämmer seien dreimal mit Antibiotika behandelt, sagte Nationalrat Andreas Aebi.
«Der Konsument ist mündig genug selber zu entscheiden was er will»
sagte Grünenfelder. Dazu brauche es keinen Agrarprotektionismus. Aber wenn von Fairness geredet wird, dann möchte sicher auch der argentinische Gaucho ein paar Rappen mehr Lohn, sagte Aebi weiter. Die Bauernvertreter im Parlament hätten bei jedem Freihandelsabkommen, das die Schweiz anstrebte, zugestimmt. Doch bei Freihandel mit Südamerika oder Malaysia und Indonesien, sei eine rote Linie überschritten, so Aebi. Dann sei fertig mit der inländischen Fleischproduktion im Grasland Schweiz. Und für Malaysia wolle er seinen Grosskindern nicht einmal ein Poster von den gelben Schweizer Ratsfelder zeigen  müssen und dazu sagen: «Das war der Grünenfelder», so Aebi.
«Wir importieren zwanzig Mal mehr als die EU -einen besseren Kunden als die Schweiz gibt es nicht»
sagte Aebi. Freihandel mit Südamerika und Malaysia brauche es nicht. Er hingegen sei felsenfest von Asien überzeugt, sagte Jungfraubahnen-Chef Kessler. «Wenn wir nicht Asien als Markt erschlossen hätten, wären viel weniger Besucher auf das Jungfraujoch gekommen», so Kessler. Da gelte es auch für Schweizer Käse und Schokolade auf diesen Märkten tätig zu sein.

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