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65 Milchlabels buhlen um Kunden

Es gibt über 65 von ihnen. Sie sind in der Kommunikation wichtig, sie können einfach lanciert werden und sorgen erst noch dafür, dass ausgezeichnet wird, was im Produkt steckt: Labels und Gütesiegel.

Die Fair-Milch ist mit dem «Fair-Mobil» unterwegs.

Und sie gehören zum guten Ton – auch im Milchmarkt. Sie versprechen eine bessere Welt. Mehr Wertschöpfung für den Produzenten, mehr Freiheiten für die Kuh und weniger Belastung für das Klima: Labels im Milchmarkt. Das erste Milch-Label wurde 2002 entwickelt Und sie sind gerade ziemlich populär, denn in den letzten zwei Jahren wurden nicht weniger als vier Labels geschaffen: «Fairmilk» von Aldi, «Di Fair Milch» von Big-M, «Fair» einer Gruppe Milchproduzenten und «Heumilch» vom Verein Heumilch Schweiz. Hinzu kommen noch die «Wiesenmilch» von IP-Suisse oder die Bio-Knospe-Milch von Bio Suisse oder - noch neuer - die «Klimamilch» vom Milchhändler Aaremilch und das Programm «Nachhaltige Milch». Schwerpunkte und ein gemeinsames Ziel: sie wollen direkt oder indirekt die Wertschöpfung durch eine bessere Positionierung erhöhen. Was heute gerne als neue und bahnbrechende Idee, als wegweisendes Konzept gefeiert wird, hat 2002 seinen Anfang genommen. Damals haben sich 54 Landwirte aus dem Appenzellerland die «Appenzeller Milch» als Marke geschützt und so das erste Milch-Label in der Schweiz geschaffen. Wie das Marketing-Portal «Persönlich» damals schrieb, hat man aus der Appenzeller Alpenmilch Eisflocken produziert. Nur auf dem Markt halten konnte sich das Label nicht - im Markenregister der Schweiz finden sich heute Markeneinträge für Jurapark-Milch, Heumilch und ein paar andere Milchmarken, nur die Appenzeller Milch ist nicht mehr mit dabei. Zwei Milchmärkte  Dass sich derweil in den Regalen des Detailhandels die «verschiedensten Varianten Milch» türmen, dass bunte Verpackungen «mit weidenden Kühen» darauf um die Aufmerksamkeit der Kunden ringen, ist Ausdruck davon, dass der Wettbewerb härter geworden ist. Das schrieb Raphael Bühlmann von der «Luzerner Zeitung» vor kurzem. Tatsächlich hat der Wettbewerb in der Milchbranche zugenommen: die Milchmengen bleiben konstant bei etwa 3,5 Mio. t Milch pro Jahr, während gleichzeitig der Milchkonsum pro Kopf sinkt und zudem die Importe von Milchprodukten insbesondere in den tiefpreisigen Segmenten zunehmen. Die bisherige Marktentwicklung hat eigentlich zwei Milchmärkte entstehen lassen: Einen für austauschbare, generische Produkte. Und einen für differenzierte Produkte. Während im ersten Markt die Preise von den Angebots- und Nachfrageentwicklungen auf dem Weltmarkt abhängig sind, zählen auf dem zweiten Markt die speziellen Produkt-Eigenschaften, die Marke und der Auftritt. Während im ersten Markt die Margen schmal und der Kampf hart ist, kann man im zweiten Markt noch Geld verdienen und dem Kampf ausweichen. Differenzierung ist eine gute Idee Auch theoretisch ist das eine gute Idee: Denn je höher der Differenzierungsgrad, umso besser die Marge und umso höher die realisierten Erträge - und zwar über die ganze Wertschöpfungskette. Dass diese Differenzierungsstrategie für alle Akteure ein gutes Geschäft sein kann, zeigen die LRG - die Laiteries Réunies Genève: Die faire Milch wird für zwei Franken je Liter an den Konsumenten verkauft, während der Produzentenpreis bei einem Franken je Kilo Milch liegt. Ähnlich ist die Verteilung bei der Biomilch, wenn auch der Margenanteil für den Detailhandel und die Verarbeitung leicht über dem Produzentenpreis liegt: Im Schnitt liegt der Produzentenpreis bei 80 Rappen pro Kilo Milch, der Verkaufspreis bei ungefähr 1.70 Franken pro Liter. Die Praxis hat ihre Tücken Differenzierung ist grundsätzlich sinnvoll; allerdings hat die Praxis ihre Tücken. Denn Untersuchungen von Agridea zeigen, dass die Transparenz in einer Wertschöpfungskette darüber entscheidet, wer wie viel vom besseren Preis abschöpft. «Wenn der Landwirt weiss, was der Verarbeiter mit seiner Milch herstellt und zu welchem Preis das Endprodukt verkauft wird, verfügt er über eine bessere Verhandlungsbasis.» Kann der Bauer die Prozesse nicht durchblicken, dann ist klar, dass der Verarbeiter die bessere Verhandlungsbasis hat. Ausserdem dürfte es für den Konsumenten schwierig sein, bei über 65 Lebensmittellabels und geschätzten 10 bis 15 verschiedenen Milchmarken sich wirklich bewusst für das eine oder andere Produkt bzw. das eine oder andere Label zu entscheiden. «Die Argumentation 'Der Kunde soll die Wahl haben', kommt eher einer Abgabe der Verantwortung gleich», heisst es beim Zukunftsinstitut. Entscheidungshilfen Die Verantwortung liege in der Vorauswahl der Produkte, nicht in deren unendlicher Vielfalt. So besehen könnte die Label-Vielfalt auch kontraproduktiv sein: Wenn der Konsument überfordert am Regal steht, dürfte er entweder zu dem Produkt greifen, das er kennt und schätzt; oder er orientiert sich am Preis - vielleicht würde er (oder sie) sich anders entscheiden, wenn es nur eine «Faire» Milch und eine «normale» Milch zur Auswahl hätte. Allerdings ist das nur ein Gedankenspiel. Tatsache ist, dass Labels landwirtschaftliche Produkte kennzeichnen, die nach besonderen Kriterien produziert werden: «Für die Konsumenten sind Labels Entscheidungshilfen, für die Bauern bedeutet die Labelproduktion einen höheren Arbeitsaufwand», heisst es in einer Label-Broschüre. Und es sind Labels, die ähnlich wie Marken einen Wert haben und für etwas einstehen: für den höheren Kontrollaufwand, für die «besseren» Haltungsformen oder einfach für das gute Gefühl, ein gutes Produkt kaufen zu können, das langfristige, ökologisch und sozial gerechte Produktionssysteme ermöglicht. Der Konsumentenschutz findet das eine gute Sache: «Labels können Teil solcher Lösungen sein.» Die relative Differenz entscheidet Allerdings geht es dabei selten um absolute Werte. Vielmehr gehe es vor allem um die relative Differenz zur Konkurrenz; das sagt SMP-Direktor Stephan Hagenbuch gegenüber «20Minuten». Hagenbuch meint damit die Konkurrenz im Ausland. Sie ist der grosse Gegner der Schweizer Milchbranche, denn es ist die ausländische Konkurrenz, die zu günstigeren Preisen produzieren und liefern kann. Weil wirklich guter Rat teuer ist, greift man gerne auf einfachere Lösungen zurück - Labels sind da ziemlich attraktiv. Denn sie unterstützen die Differenzierung zu ausländischen Produkten. Die Branchenorganisation Milch und die Schweizer Milchproduzenten gehen dabei so weit, dass sie auch eine entsprechende Milchpolitik fordern; eine Agrarpolitik, die die Differenzierung von Schweizer Milchprodukten erlaubt. Die Frage ist allerdings: Wer setzt das um? Gerade gewerbliche Käsereien schätzen den Mehrwert von Labels als gering ein. Denn im Verhältnis zum Aufwand für die Einhaltung von besonderen Anforderungen ist der Ertrag einfach zu gering. Industrialisierung führt zu mehr Labels Wie eine Untersuchung der Hochschule für Agrar- Forst- und Lebensmittelwissenschaften (HAFL) in Zollikofen gezeigt hat, sehen vor allem die industriellen Verarbeiter Potenzial für einen höheren Produzentenpreis bei Wiesen- oder Heumilch. Den gewerblichen Käsereien indes fehlt es schlicht an Manpower, um eine eigene Marke in den Markt stossen zu können. Sie sind auf die Unterstützung von Dritten angewiesen. Mit ein Grund, warum Label heute so oft eingesetzt werden, ist die Industrialisierung und die Arbeitsteilung in den verschiedenen Wertschöpfungsstufen. Wie das Zukunftsinstitut schreibt, führt die persönliche Entfremdung dazu, dass «eine Wertschätzung der Wertschöpfung entlang der Produktionskette immer schwerer fällt: Entscheidungen - auf jeder Wertschöpfungsstufe - werden daher oft nicht an den tatsächlichen Wert des Produktes geknüpft, sondern an den eigenen (monetären) Vorteil.» Mit anderen Worten: Erst mit der Industrialisierung konnte so etwas wie eine preisbewusste Käuferschicht und «Geiz ist Geil» entstehen. Der Gegentrend sind dann schöne Bilder und noch wohlklingendere Labels: Damit sich der Konsument vielleicht nicht nur auf seinen monetären Vorteil bedenkt, sondern an den tatsächlichen Wert des Produktes. Und es ist das Produkt und dessen Qualität, das letztlich darüber entscheidet, ob es ein Konsument kauft - oder nicht. Mit einem Label wird ein schlechtes oder falsch positioniertes Produkt nämlich nicht besser.

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