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«Der Schweizer Kunde hats ja»

Der deutsche Handelsexperte Professor Thomas Roeb sieht Marken­hersteller in Europa im Hintertreffen. In der Schweiz sei der Umgang zwischen Händlern und Herstellern noch nicht so aggressiv wie in Europa.

Thomas Roeb ist Professor für Handelsbetriebslehre an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg. (Bild: zvg)

alimenta: Herr Roeb, bei den Einkaufskooperationen der europäischen Detailhändler ist in der letzten Zeit viel Bewegung drin. Was sind die Hintergründe dafür? Thomas Roeb: Die Edeka hat mit dem Konditionenstreit ihrer Einkaufskooperation Agecore gegen Nestlé offensichtlich eine neue Dynamik in das Thema Einkaufskooperationen gebracht. Damit wurde ein Druck auf einen internationalen Markenhersteller ausgelöst, von dem sich andere inspirieren lassen. Einkaufskooperationen gibt es schon seit Jahrzehnten, allerdings mit geringem Erfolg, die Verhandlungen konzentrierten sich lange nicht auf die internationalen Markenartikel, sondern auf die Eigenmarkenbeschaffung. Auch internationale Verhandlungen über Konditionen gibt es schon länger, aber die Mitglieder der Einkaufskooperationen konnten nicht so einheitlich profitieren, wie man es sich erhofft hatte. Edeka hat sich nun gesagt: Wir treiben das mal auf die Spitze und schauen, wie weit wir damit kommen. Wie beurteilen Sie derzeit die Machtverhältnisse zwischen dem Handel und den Markenherstellern? Die Machtverhältnisse verschieben sich zuungunsten der Hersteller, und es ist nicht abzusehen, dass sich das ändern wird. Wo liegt das Problem? Es liegt darin, dass die Hersteller keine Produkte mehr anbieten, die nicht austauschbar sind und die den Kunden stark an sich binden. Viele Marken der grossen Hersteller sind zwar bekannt, aber die Bekanntheit allein führt nicht zu der Art von Kundenbindung, welche die Hersteller unverzichtbar macht. War Nestlé ein dankbares Opfer? Nestlé ist ein besonderer Fall, weil das Unternehmen viele Marken hat, von denen die wenigsten wirklich stark sind. Der Konzern ist zwar bekannt, einzelne Marken wie Twix auch, aber wenn es im Laden kein Twix gibt, dann werden nicht viele Leute deswegen den Laden wechseln. Vielleicht noch eher wegen Nescafé. Wird die Luft für Marken generell dünner? Die Handelsmarken sind stark geworden, und die Fähigkeit der Markenartikler, sich positiv gegenüber Handelsmarken zu profilieren, hat stark abgenommen. Die Produkte sind einfach nicht viel besser: Seit 30 Jahren werden die Handelsmarken von Aldi Süd und Lidl in den Tests der Stiftung Warentest immer als gleich gut oder besser bewertet als die Markenprodukte. Das hat sich stark auf die Markentreue ausgewirkt. An diesem morsch gewordenen Gebäude wird vom Einzelhandel massiv gerüttelt. Sind die Markenkonzerne zu gross und zu schwerfällig geworden? Nein, sie sind einfach nicht innovativ und einzigartig genug, um sich gegenüber den deutlich billigeren Eigenmarken profilieren zu können. Wenn bei Aldi 400 Gramm Prinzenrollen 1.39 Euro kosten und im Regal gleich daneben der Eigenmarkenartikel 99 Cent für 500 Gramm, dann kaufen die Leute den Eigenmarkenartikel. Bei Energy Drinks ist es noch extremer. Das ist auf Dauer nicht durchzuhalten. Markenartikelhersteller sind auch interessiert daran, in verschiedenen Ländern unterschiedliche Ladenpreise durchzusetzen. In der Schweiz ist das seit langem ein heiss diskutiertes Thema. Wird das für die Hersteller künftig auch schwieriger? Ja, das wird schwieriger. Vor 15 Jahren hatte etwa die deutsche Handelskette Schlecker in Deutschland eine extrem starke Position und wollte diese auch in anderen Märkten erreichen. Das funktionierte aber nicht. Schlecker konnte die Hersteller nicht dazu zwingen, die deutschen Konditionen in Frankreich, Italien oder Spanien zu übernehmen, weil die nationalen Einkaufsorganisationen keine Möglichkeit hatten, Druck auszuüben. Die grossen Markenhersteller waren damals national aufgestellt und sind es heute noch. Zwar verfügen viele internationale Markenartikler über internationale Verhandlungsteams. Deren Durchgriff auf die nationalen Organisationen ist jedoch oft nicht stark genug. Jetzt hat die Edeka erstmal den Versuch gestartet mit dem Gedanken: Wenn Ihr zu blöd seid, euch so zu organisieren, dass man mit euch international verhandeln kann, dann ist das nicht unser Problem. Edeka machte in Deutschland so lange Druck, bis es in Frankreich begann zu quietschen. Das dauert dann etwas länger, aber es funktioniert, nicht zuletzt, weil auch die internationalen Partner der Edeka mitmachten. Aber die Hersteller und auch die Händler sind nicht in allen Ländern gleich stark. Insofern war es Nestlé in der Schweiz eventuell möglich, sich besser durchzusetzen als in Deutschland. Nestlé ist in der Schweiz gegenüber dem Detailhandel stärker als in Deutschland? Die Schweizer sind vielleicht auch etwas bräsig (schwerfällig, altmodisch, Anm. der Red.). Es gibt Nestlé und zwei grosse Einzelhändler, die könnten sich ja gegenseitig das Leben zur Hölle machen, wenn sie wollten. Aber: Das muss ja nicht sein, der Schweizer Kunde hats ja, man kann ihm die höheren Preise weitergeben. Jetzt sehen auch die Schweizer Händler, was möglich ist. Es muss nur einer mal aggressiv auf die Hersteller zugehen, dann fällt dieses «Gleichgewicht der Bräsigkeit» möglicherweise irgendwann in sich zusammen. Das wird wohl noch länger dauern. Aldi und Lidl wachsen nicht so schnell wie geplant und sie profilieren sich eher mit Swissness als mit aggressiven Preisen. Ja, das braucht Zeit, es ist ja auch eine Frage der Protagonisten. Die sind es nicht gewohnt, aggressiv mit den Lieferanten umzugehen. Edeka hingegen pflegt schon länger einen aggressiven Umgang mit den Lieferanten und hat jetzt eine Führungsrolle übernommen. Können Sie sich vorstellen, dass Schweizer Konsumenten Schweizer Marken möglicherweise treuer sind als deutsche Konsumenten den deutschen Marken? Ja, das kann ich mir vorstellen. Vor allem dann, wenn die Schweizer Hersteller ihre Marken puschen und innovativ voranbringen. Aber gleichzeitig ist in der Schweiz das Vertrauen der Konsumenten in Eigenmarken grösser als in den meisten anderen Ländern. Deshalb könnte man auch fragen: Wie kann man überhaupt erklären, dass mit so starken Eigenmarken Schweizer Markenhersteller überhaupt noch marktrelevant auftreten können? Welche anderen Möglichkeiten haben Markenhersteller, um wieder Oberwasser zu gewinnen? Sie sollten tun, was sie jetzt lange verpasst haben: Wieder Markentreue aufbauen mit Produkten, die innovativer und näher an den Bedürfnissen der Kunden und weniger austauschbar sind. Dafür braucht es neue Produkte, aber auch die richtige Werbung.

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