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«Wir müssen mutige Schritte machen»

Für den Wissenschafter Stephan Sigrist ist der Markt für Lebensmittel konservativer, als man wahrhaben möchte. Dennoch solle die Schweiz als Hochtechnologie-Standort mutig sein und zum Beispiel auf Laborfleisch setzen.

alimenta: Ist die Globalisierung im Foodbereich eine Chance? Stephan Sigrist: Grundsätzlich hat die Globalisierung viele positive Aspekte und es ist gut, dass man eine grosse Vielfalt an Lebensmitteln – auch zu erschwinglichen Preisen - auf dem Tisch hat, andererseits gibt es natürlich Herausforderungen im Kontext der Nachhaltigkeit und Transparenz. Die Diskussionen zu Grenzöffnung und Freihandel - Stichworte Mercosur, Agrarfreihandel USA und EU - sind seit Jahren im Gang. Die Ängste der Konsumenten zum Beispiel vor «Chlorhühnern», Hormonfleisch, Antibiotikafleisch oder GVO-Gemüse sind immer noch da. Werden die irgendwann verschwinden? Immer mehr Konsumenten sind bei Nahrungsmitteln stärker über Risiken sensibilisiert. Dabei gibt jedoch eine starke Polarisierung der Wahrnehmung: Einerseits wurde von der Lebensmittelindustrie und vom Handel eine heile Welt von natürlich produzierten Lebensmitteln aufgebaut, andererseits zeigt die Realität ein anderes Bild.

«Die Verunsicherung nimmt stärker zu als die realen Gefahren»
Welches Bild? Es geht nach wie vor um veränderte Produktionsmethoden beispielsweise durch gentechnisch veränderte Produkte, aber auch schlicht um falsche Angaben zur Herkunft. Mit der Verfügbarkeit von besserer Diagnostik werden mehr potenzielle Risiken identifiziert. Zu entscheiden, welche Inhaltsstoffe tatsächlich ungesund sind, ist allerdings immer schwieriger. Die Verunsicherung nimmt stärker zu als die realen Gefahren. Wie beurteilen Sie den Standort Schweiz als Ort zur Lebensmittelproduktion? Wird dieser in einigen Jahren auch noch da sein und wie? Mit Blick auf den zunehmenden Kostendruck in der Lebensmittelproduktion ist die Schweiz effektiv nicht ein optimaler Ort. Doch Preisvorteile, die in der internationalen Lebensmittelproduktion bestehen, könnten in der Schweiz in Zukunft teilweise durch den Einsatz neuer Produktionsmethoden kompensiert werden. Allerdings wächst auch die Bereitschaft, für Qualitätsprodukte höhere Preise zu bezahlen. Hier besteht traditionellerweise eine Chance für die Schweiz. Gleichzeitig eröffnen auch neue Innovationen Möglichkeiten für Wachstum. Wo könnte die Schweiz gut mithalten? Zum Beispiel bei der Produktion von Laborfleisch. Dies wäre zwar mutig, würde jedoch alle Vorteile, welche die Schweiz als Hochtechnologie-Standort zu bieten hat, erfüllen. Diese Produktion würde auch vielen Aspekten einer biologischen Produktion entsprechen. Doch diese Entwicklung läuft zügig ab und die Schweiz müsste vorwärts machen.
«Wenn wir hier eine landwirtschaftliche Produktion erhalten wollen, dann braucht es Innovation und Anpassungen»
Dann bräuchte es die Landwirtschaft nicht mehr? Wenn wir hier eine landwirtschaftliche Produktion erhalten wollen, dann braucht es Innovation und Anpassungen. Es ist momentan unklar, ob die Wirtschaft und die Gesellschaft eine landwirtschaftliche Produktion in der bestehenden Form mit hohen Subventionen und schädlichen Emissionen langfristig erhalten wird. Es eröffnen sich aber auch in diesem Umfeld Chancen für eine effiziente und dennoch nachhaltige Produktion. Wie wird künftig die Wertschöpfungskette vom Bauern zum Konsumenten aussehen? Der stationäre Handel, wie er momentan aufgestellt ist, wird nicht zwingend in diesem Volumen bestehen und es werden künftig mehr Lebensmittel über digitale Kanäle vertrieben werden. Vor Ort werden künftig eher nur noch ausgewählte Lebensmittel verkauft werden, die ein Einkaufserlebnis ermöglichen.
«Social Media ist kein E-Commerce-Kanal»
Wie können Lebensmittelhersteller von Social Media profitieren? Wo sind die Grenzen? Was oft missverstanden wird, ist, dass Social Media kein E-Commerce-Kanal ist, sondern dort steht der Dialog und nicht die schöne Verpackung im Vordergrund. Über Social Media-Kanäle muss der Vertrauensbeweis für die Produkte und das Unternehmen gebracht werden. Dennoch wird auch in Folge von Social Media das «Rauschen», also der Marketinglärm zunehmen. Aber nochmals: Der Vertrauensaufbau von Produkten führt nicht über eine hohe Frequenz und mehr Lärm. Können Sie negative Beispiele nennen, wie Unternehmen Social-Media und die Digitalisierung nutzen, um bewusst in Konsum- oder Verkaufssituationen einzugreifen? Das Risiko für Manipulation ist vorhanden. Es gibt auch lustige Beispiele, die das Risiko für «Fake Realities» zeigen. In England machte beispielweise ein Fake-Restaurant in London Schlagzeilen, das nur virtuell existiert hat, aber auf der Webseite mit leckeren Speisen warb, die aus Karton, Farbe und Leim hergestellt worden waren. Das Restaurant hat aufgrund der bewusst gefälschten Bewertungen so viel positives Feedback auf Tripadvisor erhalten, dass es eine Zeit lang als bestes Restaurant geratet war. Es war deswegen immer ausgebucht, existierte aber in Wirklichkeit gar nie. Dies ist allerdings natürlich nicht repräsentativ für den restlichen Markt.
«Die guten Ideen kommen oft von den Kleinen»
Die Foodkonzerne kaufen vermehrt erfolgreiche Start-ups zusammen und versuchen mit deren Marken Produkte zu verkaufen. – Wird damit der Konsument getäuscht? Nein – alle sind auf der Suche nach Innovationen. Da zeigt es sich jedoch sehr oft, dass die guten Ideen vielfach von den «Kleinen» und nicht den «Supertankern» kommen. Die Start-ups sind gleichzeitig auch auf die Strukturen der grösseren Unternehmen angewiesen, um Marktzugang zu erhalten und Skaleneffekte zu nutzen. Die Grossen wird es weiterhin geben. Aber das Marktverhältnis hat sich so verändert, dass es Chancen für kleinere Anbieter gibt. Während E-Commerce gesamthaft boomt, stagniert das Geschäft mit Food. Wird sich dies ändern? In den städtischen Gebieten wird sich in den nächsten Jahren einiges ändern. Der Wunsch, die täglichen Lebensmittel möglichst schnell zu Hause zu haben, wird zunehmen. Auf dem Land ist es etwas anders. Doch mit den grösseren Volumen wird der Preis auch sinken. Wie und was essen wir in Zukunft? Die Bereitschaft für radikale Experimente ist gering und der Markt ist viel konservativer als man immer wahrhaben möchte. Viele Leute essen gerne immer das Gleiche. Auch in Jahrzehnten werden wir noch Brot und Käse essen. Beim Fleisch vielleicht dann eher das aus dem Labor als das von Tieren, die mit Antibiotika behandelt wurden. Gesamthaft ist eine Disruption nicht absehbar und es gibt keinen Grund, Lebensmittel gleich neu zu erfinden. Schliesslich ist es kein Zufall, dass wir beim Essen eine lange Tradition haben. So kann Innovation nur in Kombination mit der Esskultur und der Tradition funktionieren. Alle Ernährungstrends münden nämlich darin, was man schon immer wusste – nämlich ausgewogen zu essen. hanspeter.schneider@rubmedia.ch

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