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Martin Rufer: «Stärker in Richtung Ernährungspolitik gehen»

Der neue Bauernverbands-Direktor Martin Rufer spricht im Interview über die Landwirtschafts-Initiativen, die neue Agrarpolitik und das Verhalten der Konsumenten.

Martin Rufer ist von der Landwirtschaftskammer zum Nachfolger von Jacques Bourgeois als SBV-Direktor gewählt worden. (Bild lid)

Initiativen zu Pflanzenschutz und Massentierhaltung, die Agrarpolitik ab 2022 und Freihandelsabkommen. Sie treten ihr Amt in einer schwierigen Zeit an. Hätten Sie sich das anders erwünscht? Martin Rufer: Die Themen sind jetzt äusserst vielfältig. Es ist sicher eine Herausforderung, in so einer Zeit als Direktor zu starten. Aber ich kenne alle Dossiers gut. Und es ist spannend in einer Phase das Amt übernehmen zu dürfen, wo matchentscheidende Beschlüsse anstehen. Das Image der Bäuerinnen und Bauern ist gut. Dennoch scheint es, als hätte die Landwirtschaft Angst vor den Entscheiden bezüglich der Pflanzenschutz-Initiativen. Angst haben wir nicht, sondern vielmehr Respekt. Es sind sehr emotionale Themen und die momentane Medienberichterstattung ist kritisch. Entsprechend müssen wir die Anliegen ernst nehmen. Ich bin überzeugt, dass wir mit den richtigen Argumenten und einer guten Kampagne erfolgreich sind und gestärkt aus dem Diskurs hervorgehen.
«Die Trinkwasser-Initiative ist keine Bioförderungs-Initiative.»
Wie wichtig ist in diesem Diskurs die Rolle der Bäuerinnen und Bauern? Die Zusammenarbeit von der Bauernfamilie bis zum Verband ist eine Grundlage für unseren Erfolg. Die Bäuerinnen und Bauern sind die glaubwürdigsten Botschafterinnen und Botschafter für die Argumente der Landwirtschaft und ihr Engagement auf den Höfen. Gerade bei den anstehenden Volksabstimmungen ist es entscheidend, dass jede einzelne Bauernfamilie zur Sensibilisierung beiträgt.
Von Bio Suisse gibt es noch keine Parolen. Wie entscheidend sind die Bio-Bauern? Die Trinkwasser-Initiative träfe auch die Biobetriebe. Besonders bei den Futtermitteln, aber auch im Pflanzenschutz-Bereich. Es ist wichtig, dass Bio Suisse und die Betriebe aufzeigen, dass es sich bei der Trinkwasserinitiative nicht um eine Bioförderungs-Initiative handelt. Sondern um eine Initiative, die alle Produktionsarten trifft. Der Bauernverband bezeichnet beide Initiativen als Importförder-Initiativen. Eine Studie von Agroscope zur Trinkwasser-Initiative zeigt, dass der Selbstversorgungsgrad bei einer Annahme bis 20 Prozent zurück gehen würde, weil es zu Mindererträgen käme. Auch die tierische Produktion würde sinken. Der Ausfall wird dann importiert, weil sich das Konsumverhalten nicht einfach so ändert. Beide Initiativen würden dementsprechend zu Mehrimporten führen. Und dies auch aus Staaten, wo die Produktionsstandards sehr tief sind. Wobei die Initiative «Für eine Schweiz ohne synthetische Pestizide» konsequenter ist und den Import einschliesst. Ja, nur die Trinkwasser-Initiative fokussiert allein auf die Schweizer Landwirtschaft. Weder Importe noch andere Anwendungsbereiche sind betroffen. Die Initiative ist überhaupt nicht zu Ende gedacht. Die zweite Initiative ist zumindest diesbezüglich konsequent. Das Schlupfloch dort ist der Einkaufstourismus, der bei einer Annahme gefördert würde.

«Die Landwirtschaft steht nicht immer und überall in der Verantwortung.»

Stichwort Einkaufstourismus. Was erwartet der SBV von den grossen Detailhändlern für ein Engagement bezüglich der Initiativen? Wir erwarten, dass sie zumindest die Folgen der Initiativen aufzeigen. Einerseits wäre der Detailhandel selber betroffen. Anderseits haben beiden grossen Detailhändler auch eigene Verarbeitungsbetriebe. Die Initiative «Für eine Schweiz ohne synthetische Pestizide» hätte wohl in den nachgelagerten Bereichen einschneidendere Folgen als für die Landwirtschaft selbst. Dann dürfte z.B. in der Schweiz produzierte Schokolade nur noch aus Bio-Komponenten bestehen. Eine parlamentarische Initiative der Wirtschaftskommission des Ständerates will mit einem Absenkpfad die Risiken eines Pestizid-Einsatzes minimieren. Wie steht der Bauernverband dazu? Grundsätzlich unterstützen wird dies. Der Absenkpfad will die Idee und den Ansatz des Nationalen Aktionsplans Pflanzenschutz ins Gesetz schreiben. Damit wird dessen Verbindlichkeit und damit die Glaubwürdigkeit gesteigert. Wir haben diesen Aktionsplan immer unterstützt und uns positiv zur parlamentarischen Initiative geäussert. Gut ist insbesondere auch, dass die parlamentarische Initiative sich nicht auf die Landwirtschaft beschränkt, sondern andere Anwendungsbereiche wie den Privatgebrauch, die Gemeinden oder die Bauwirtschaft einbezieht. Derzeit liest man viel über Chlorothalonil. Der Wirkstoff wurde zuvor jahrelang legal eingesetzt und erst eine Neueinschätzung führte zu den Diskussionen. Wie können Bäuerinnen und Bauern damit umgehen, dass sie dafür angeprangert werden? Wir müssen unterstreichen, dass beim Thema Chlorothalonil die Landwirtschaft völlig unschuldig ist. Die Bauernbetriebe haben auf völlig legale Art und Weise ein zugelassenes Mittel eingesetzt. Die Schuld kann man deshalb auf keinen Fall der Landwirtschaft in die Schuhe schieben.
Die gesellschaftlichen Anforderungen werden immer höher. Aber der Bioanteil ist dennoch vergleichsweise gering, in einigen Bereichen gibt es sogar ein Überangebot. Was tun mit dieser Diskrepanz? Diese Diskrepanz macht uns und den Bauernfamilien am meisten Sorgen. Wir haben auf der einen Seite die politischen und gesellschaftlichen Ansprüche für mehr Ökologie oder mehr Tierwohl. Daneben haben wir eine Marktrealität, die das nicht im selben Umfang abbildet. Über die Ladentheken können die Konsumentinnen und Konsumenten sehr viel steuern. Die Landwirtschaft hat immer wieder bewiesen, dass sie auf neue Markttrends reagiert und das Angebot bereitstellt. Jeder Einkauf bestimmt, wie die Landwirtschaft aussieht. Das Frustrationspotenzial ist aber gross, wenn man auf Bio umstellt und dann konventionell liefern muss, weil ein Überangebot herrscht. Das ist so. Die Bauernfamilien passen sich an, nehmen gesellschaftliche Anliegen ernst, tätigen Investitionen und haben dann keinen Mehrwert am Markt. Das frustriert.
Einige Betriebe sind sehr innovativ und besetzen Nischen. Andere tun das, was gerade so verlangt wird. Sollte der SBV nicht progressiver vorgehen und zum Beispiel vorlegen, wie die Landwirtschaft 2030 produzieren soll? Wir müssen produzieren, was der Markt will. Wir können uns nicht als Gesamtsektor in Nischenmärkte bewegen und dann zu teuer sein oder an der Nachfrage vorbei produzieren. 4 von 5 Franken auf dem Betrieb verdienen die Bauern mit dem Verkauf ihrer Produkte. Es gibt Nischenmärkte, die Chancen bieten. Es gibt auch Detailhandelssegmente mit starken Labels, die wir bedienen können. Wir haben aber immer noch den Standardsegment gerade für die Weiterverarbeitung oder den Gastrobereich. Auch diese Märkte müssen und wollen wir bedienen.
«Die Vorlage führt zu wesentlich mehr Bürokratie.»
Die Agrarpolitik 22+ bringt neue Auflagen. Der administrative Aufwand wird nicht abnehmen. Die Vorlage führt zu wesentlich mehr Bürokratie. Es gibt mehr Programme und am Ende des Tages mehr Büroarbeit. Das Hauptproblem ist, dass die Komplexität der Agrarpolitik mit jeder Reform steigt. Das Versprechen, den administrativen Aufwand zu reduzierten, wird überhaupt nicht eingehalten. Sehen Sie weitere grundsätzliche Probleme der Agrarpolitik? Ein Problem ist, dass wir eine reine Landwirtschaftspolitik machen. Wir sollten stärker in Richtung Ernährungspolitik gehen. Wir dürfen nicht nur an agrarpolitischen Schräubchen drehen, vielmehr sollten wir einen umfassenderen Blick auf die Wertschöpfungskette haben. Damit können wir mehr Logik und Kohärenz in die Politik bringen und nicht hier und da etwas ändern, was dann mit was anderem nicht zusammenpasst. In dieser Hinsicht bringt die AP22+ nichts. Neben dem Pflanzenschutz ist auch der Klimawandel ein grosses Thema für die Landwirtschaft. Könnte Gentechnik im Kampf gegen Trockenheit und zur Schonung der Ressourcen helfen? Unabhängig von Methoden sind Pflanzenzüchtung und Forschung Schlüsselfaktoren, um Themen wie Klimawandel und Pflanzenschutz zu bewältigen. Wir müssen die vorhandenen Gelder für jene Technologien einsetzen, die am Markt akzeptiert sind. Aber wir müssen einen Zacken zulegen, es braucht eine Forschungs- und Pflanzenzucht-Offensive. Das Gentechmoratorium ist also nicht diskutabel? Wir haben heute keine Gentechzüchtung auf dem Markt, die einen effektiven Mehrwert bringt. Es geht aktuell vor allem um Herbizidresistenzen, das brauchen wir sicher nicht. Eine Gentech-Züchtung, die zum Ziel hat, weniger Ressourcen und Pflanzenschutzmittel zu verbrauchen, gibt es zurzeit nicht. Wenn es einmal eine Gentech-Züchtung mit echtem Mehrwert gibt, ändert sich die Diskussion vielleicht. Bis dahin bin ich für eine Verlängerung des Gentechmoratoriums.  Auch mit dem Moratorium zudem die entsprechende Forschung erlaubt. Sie sitzen für die FDP im Solothurner Kantonsrat. Können Sie bei der freihandelsfreundlichen FDP bäuerlich politisieren? Natürlich. Es gibt auch in der FDP wichtige Kreise, welche die landwirtschaftlichen Anliegen stark mittragen. Die Partei ist nicht gegen die Landwirtschaft. Es muss ein Miteinander sein mit der übrigen Wirtschaft. Bei Freihandelsabkommen ist wichtig, dass die Interessen aller Sektoren gewahrt werden. Die bisherigen Abkommen haben den Tatbeweis erbracht, dass das möglich ist.

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