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«Regional ist emotionaler als bio»

Regionalprodukte sind für viele Konsumentinnen und Konsumenten attraktiver als Bio-Produkte. Experte Stephan Feige erklärt den wachsenden Milliardenmarkt und sagt, wie auch industrielle Lebensmittelhersteller vom Megatrend profitieren können.

«Beim Perimeter muss man einen Kompromiss zwischen Glaubwürdigkeit und Wirtschaftlichkeit finden»: Studienautor Stephan Feige. (zVg)

Stephan Feige, ich habe mir in Freiburg eine St. Galler Bratwurst gekauft. Ist das noch ein regionales Produkt? Oder müsste ich die Wurst in St. Gallen geniessen, damit sie als Regionalprodukt durchgeht?
«Regional» kann zweierlei bedeuten: «von hier», aber auch eine authentische Spezialität aus einer anderen Region. Laut unserer Studie werden Regionalprodukte heute etwas stärker als Produkte aus der eigenen Region gesehen als noch vor fünf Jahren. Für mehr als die Hälfte der Befragten ist ein Produkt aber auch dann regional, wenn es aus einer anderen Region stammt. Eine St. Galler Bratwurst kann also auch in der Romandie ein Regionalprodukt sein und umgekehrt wird auch ein Waadtländer Saucisson in St. Gallen als Regionalprodukt wahrgenommen.
Regionalprodukte sind beliebt. Laut Ihrer aktuellen Studie (siehe «Mehr zum Thema») sind sie sogar für viele Konsumentinnen attraktiver als Bioprodukte. Woran liegt das?
Regionalprodukte funktionieren viel emotionaler als Bioprodukte. In Regionalität wird viel Positives reininterpretiert, die Nähe, das Authentische, das Handwerk, der Genuss – Bioprodukte hingegen können auch importiert sein oder industriell produziert worden sein. Regionalprodukte gelten zudem als soziale und nachhaltige Produkte, bei denen das Geld direkt beim Bauern oder Käser landet, und bei denen es auch den Tieren gut geht.
Die Menschen erwarten laut der Studie von Regionalprodukten gleich viel Nachhaltigkeit und Tierwohl wie von Bioprodukten – obwohl Regionalprodukte etwa beim Tierwohl häufig nur die gesetzlichen Mindestanforderungen erfüllen. Unterstellen die Leute den Regionalprodukten etwas, dass diese gar nicht liefern?
Viele Regionalprodukte werden heute schon so nachhaltig produziert, wie das die Leute von ihnen erwarten. Durch den regionalen Bezug bleibt die Wertschöpfung in der Region, was für die wirtschaftliche Nachhaltigkeit spricht. Ausserdem gibt es auch eine Schnittmenge zwischen regional und bio. Aber dass Regionalprodukte ökologisch und sozial nachhaltig sind, ist nicht zwingend garantiert. Einige Labels wie die «Schweizer Pärke» sind aber daran, Nachhaltigkeitsaspekte in ihren Richtlinien zu verankern. Andere haben da noch Handlungsbedarf.
Der Begriff «regional» ist nicht geschützt, jeder darf seine Produkte damit ausloben, «regional» bleibt schwammig. Bräuchte es eine klare gesetzliche Definition?
Damit würde man vor allem einmal die Bürokratie stärken und den Aufwand erhöhen. Nach meinem Weltbild ist der Konsument mündig und kann selbst entscheiden, ob er ein als regional ausgelobtes Produkt attraktiv findet und kaufen will. Ausserdem haben die Konsumentinnen und Konsumenten die Möglichkeit, regio.garantie-zertifizierte Produkte zu kaufen. Da können sie sicher sein, dass die Rohstoffe aus einer klar definierten Region stammen und dort auch verarbeitet wurden.
Regionalprodukte werden vor allem im Supermarkt eingekauft. Welche Detailhändler sind hier gut aufgestellt und wer hat Nachholbedarf?
Sehr gut aufgestellt ist die Migros, die ihr Label «Aus der Region. Für die Region» vor über 20 Jahren lanciert hat. Sie wird von den Konsumentinnen und Konsumenten am stärksten mit Regionalität assoziiert. Coop, Volg und Landi haben ein anständiges Angebot und werden von den Befragten gleich stark als regional wahrgenommen. Nicht wirklich gut aufgestellt sind die Discounter. Aldi und Lidl haben aber die Chancen des Marktes erkannt und tun etwas.
Aldi will mit seiner geplanten Regio-Linie «Saveurs Suisses» regionale Spezialitäten schweizweit anbieten. Die Migros setzt darauf, regionale Produkte in der Region zu verkaufen, wo sie auch produziert werden. Was ist glaubwürdiger und erfolgsversprechender?
Wenn man es richtig macht, haben beide Ansätze gute Chancen. Das Konzept von Aldi wage ich noch nicht zu beurteilen, dazu ist es zu früh. Bei der Migros stellt sich die Frage, wie gross eine Region sein darf, damit ein Produkt noch als «von hier» wahrgenommen wird. Bei der Migros geben die Grenzen der Genossenschaften die Regionen vor, das ist zum Teil schon sehr weit gefasst. Die Migros Aare etwa reicht vom Aargau über Solothurn bis zum Berner Oberland. Aber ein Aargauer Rüebli gilt im Berner Oberland wohl kaum noch als «aus der Region».
Letztlich geht es darum, beim Perimeter einen Kompromiss zwischen Glaubwürdigkeit und Wirtschaftlichkeit zu finden. Definiert man eine Region zu klein, wird die Logistik zu anspruchsvoll und ein nachhaltiges Wirtschaften ist nicht mehr möglich. Ein Käser, der einmal wöchentlich persönlich einen Laib Käse in den nächsten Supermarkt bringt, das kann es nicht sein. Ist die Region umgekehrt zu gross, leidet die Glaubwürdigkeit.
Hofläden haben durch die Pandemie Rückenwind bekommen. Welche Rolle spielen Sie künftig im Markt mit Regionalprodukten?
Das Zukunftsmodell sind Hofläden, die dorthin gehen, wo ihre Kundschaft ist – in die Städte und Agglomerationen. Und um erfolgreich zu sein, müssen sie auch ein möglichst breites Angebot haben, damit die Leute dort einen guten Teil ihres Wocheneinkauf erledigen können. Es macht auch ökologisch keinen Sinn, wenn man für seinen Einkauf fünf verschiedene Hofläden draussen auf dem Land mit dem Auto abfahren muss. Ein gutes Beispiel ist «Regioherz», ein Hofladen mitten in der Stadt St. Gallen, in dem viele kleine, authentische Hersteller ihre Waren an einem Ort anbieten und damit den Leuten ein einfaches und bequemes Einkaufen ermöglichen.
Bei regionalen Produkten denkt man automatisch an kleine Produzenten, die in Handarbeit herstellen. Welche Möglichkeiten haben industrielle Lebensmittelhersteller, sich vom Markt für Regionalprodukte eine Scheibe abzuschneiden?
Für einen Hersteller, der an einem einzigen Standort industriell für die ganze Schweiz produziert, ist es eine grosse Herausforderung, sich als regional und authentisch zu vermarkten. Eine Möglichkeit ist, regionale Rohstoffe zu verwenden und auszuloben. Hirz etwa verwendet für einen Teil seiner Joghurts regionale Früchte wie Walliser Aprikosen oder Zuger Chriesi. Da die Joghurts nicht am gleichen Ort verarbeitet werden, wo die Früchte herkommen, sind das laut den Standards des Vereins für Regionalprodukte zwar keine zertifizierten Regionalprodukte. Die regionale Auslobung der Früchte funktioniert aber gut.
Eine zweite Möglichkeit sind regional verankerte kleine Tochterunternehmen. Emmi zum Beispiel besitzt verschiedene kleinere Molkereien wie die Lataria Engiadinaisa aus dem Engadin und kann deren lokale Produkte über die eigenen Strukturen weiträumiger vermarkten.
Der dritte Ansatz wäre, den Ort der Herstellung stärker zu promoten, damit kann ein Hersteller sich mindestes gegen den internationalen Wettbewerb profilieren.
Im Detailhandel kommen regionale Produkte gut an. Wie sieht es in der Gastronomie aus?
Die Gastronomie ist ein schwieriges Pflaster. Viele gute Beispiele gibt es in der Sternegastronomie. Wenn ein ambitionierter Küchenchef bereit ist, auf Regionalität und Saisonalität zu setzen, kann das gut funktionieren. In der Gemeinschaftsgastronomie gibt es grundsätzlich viel Potenzial, weil immer mehr Städte, Institutionen und Firmen aus Gründen der Nachhaltigkeit von ihren Kantinenbetreibern mehr lokale Menüs verlangen. Aber die Umsetzung harzt, vor allem bei grossen Anbietern ist die Logistik und die Verfügbarkeit regionaler Produkte ein Problem. Und am Schluss muss jemand bereit sein, die Mehrkosten für regionale Produkte zu bezahlen – entweder der Gast oder der Auftraggeber.
Fehlt denn diese Bereitschaft in der Gastronomie? Laut Ihrer Studie sind die Leute im Detailhandel bereit, für regionale Produkte deutlich mehr zu bezahlen, etwa für Eier aus der Region.
Für einen Teil der Konsumenten stimmt das, aber eben nicht für alle. Im Supermarkt hat man die Wahl zwischen Importeiern, Schweizer Eiern oder Eier aus der Region, preissensitive Kunden werden eher die günstigen Eier kaufen. In der Gemeinschaftsgastronomie können Sie aber nicht fünf verschiedene Menüs mit unterschiedlicher Regionalität anbieten, sondern nur eines oder zwei. Und damit riskieren Sie, preissensitive Kunden zu verlieren.
Wenn Sie Ihre Studie zu den Regionalprodukten in fünf Jahren erneut durchführen, mit welchen Resultaten rechnen Sie
Authentizität und Herkunft sind ein Megatrend, der anhält. Ich gehe davon aus, dass der Markt weiterwächst, vielleicht sogar gleich stark wie in den letzten Jahren mit einem jährlichen Wachstum von gut zehn Prozent. Und die Konsumentinnen und Konsumenten werden regionale Produkte auch weiterhin als sehr positiv wahrnehmen. Die spannende Frage ist, wie die nationalen Detailhändler und die Industrieunternehmen auf diesen Megatrend reagieren werden. Eine Antwort darauf sollten sie auf jeden Fall finden, wobei die Händler hier schon deutlich weiter sind.

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